Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. gr. 201

Ps.-Iohannes Damascenus, Barlaam et Ioasaph

Pergament · 2, 106, 1 Bll. · 23,8 × 17,5 cm · Italien · 2. Hälfte 12. Jh.


Schlagwörter (GND)
Theologie / Alte Kriche / Patristik / Askese / Iohannes Damascenus / Barlaam und Ioasaph.
Diktyon-Nr.
65933.
2ar Lateinische Inhaltsbezeichnung
2av Schenkungsexlibris
1) 1r–106v Ps.-Iohannes Damascenus, Barlaam et Ioasaph

Kodikologische Beschreibung

Entstehungsort
Italien. Die Machart der Hs., die Größe und das verwendete Pergament lassen in Verbindung mit der Schrift auf Süditalien schließen. Eine Zuweisung in eines der großen Klöster der Terra d’Otranto wäre möglich, ist aber nicht zwingend. Ebenso kommt die Region Kampanien/Kalabrien in Frage. Als durchaus ähnliche Hs. vgl. etwa den Cod. Vat. gr. 395. Unterstützendes Kriterium kann die Linierung des Pergaments herangezogen werden, die nach bisherigem Kenntnisstand überwiegend für Hss. aus dieser Region verwendet wurde (vgl. Leroy 1995, S. 142).
Entstehungszeit
2. Hälfte 12. Jh. Datierung aufgrund der Schrift, siehe dort; Stevenson, Graeci: 13. Jh.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Pergament (wohl das in Süditalien sehr viel verwendete gelbliche Eselspergament; Vorsatzbll.: Papier).
Umfang
2, 106, 1 Bll.
Format (Blattgröße)
23,8 × 17,5 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + 12a + 13 IV104 + 1105 + (I-1)107* .
Foliierung
Vatikanische Foliierung (f. 1–106) mit Bleistift im Kopfsteg rechts. Die Bezeichnung der ungez. Bll. folgt dem Digitalisat (1a–2a, 107*).
Lagenzählung
Im Fußsteg rechts von der Hand des Schreibers; αʹ (= 1 ) auf f. 1r aufgrund des Zustands der Hs. fast nicht mehr zu erkennen, sonst aber alle erhalten bis ιδʹ (= 14) auf f. 105r. Außerdem am Lagenbeginn ein Kreuz in der Mitte des Kopfstegs.
Zustand
Insgesamt eher schlechter Zustand, da auch der Beschreibstoff von minderer Qualität ist. Blattausfall nach f. 105.

Schriftraum
18,2 × 12,6 cm (f. 28r).
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
33 Zeilen.
Linierung
System 1, Leroy 1995, 22C1.
Schriftart
Spätere, nicht geneigte italogriechische Form der Perlschrift. Sehr wenige Abkürzungen, auch καὶ in der Regel ausgeschrieben. Der Minuskelkanon wird weitgehend beibehalten, sogar Epsilon und Kappa zumeist in Minuskelform verwendet. Gelegentlich begegnet aber das in der Terra d’Otranto gebräuchliche bauchige Beta. Überwiegend als Majuskel wurde nur das für das 12. Jh. charakteristische Tau gesetzt. Ansonsten häufiger die auffällige Ligatur aus der Kombination Epsilon-Lambda mit kleinem Epsilonbogen am Folgebuchstaben, außerdem für den Schreiber charakteristische schmale Epsilon-Rho-Ligatur. Aufgrund des mit Ausnahme des Buchstabens Tau fast durchgängig verwendeten Minuskelkanons, des Fehlens bzw. Vermeidens von Abkürzungen und der teilweise noch sehr reinen Form der Perlschrift (so z.B. f. 94v) sowie der Herstellungsart der Hs. sollte sie in die 2. Hälfte des 12. Jhs. datiert werden.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Ein Schreiber, die Abschnittsinitialen von einem Rubrikator.
Buchgestaltung
Text sehr platzsparend auf die Seiten, jedoch streng innerhalb des vorgegebenen Liniensystems eingetragen. Insgesamt sehr schlicht gehalten, was zusammen mit den Invokationen eher auf eine Entstehung u. Verwendung im monastischen Bereich hindeutet. Der Textblock wird nur durch ausgerückte Initialen gegliedert, die den Abschnittsbeginn kennzeichnen.

Nachträge und Benutzungsspuren
Allacci-Signatur 204 (f. 1r), darunter Fuggersignatur p 128.B. F, N° 32. Lateinische Inhaltsbezeichnung auf f. 2ar: Historia de peregrinantibus Aethiopωn | scripta a Joh. Damasceno. | N° 201. Schenkungsexlibris auf f. 2av. Griechische Inhaltsbezeichnung im Kopfsteg von f. 1r: τοῦτον τὸ βιβλίω [!] ὑπάρχει Βαρλαάμ (volkssprachlich wiederholt auf f. 20v ἒ τούτων το βιβλίον ἔνε του βαρλαὰμ). Lat. Übersetzung des Titels Barlaami liber: seu De rebus a Barlaamo & Ioasapho ascetis in India seu interiori Aethiopia gestis, historia Ioannis Damasceni sowie der Hinweise Eadem numero 59 auf f. 1r, beides von Leo Allatius, der immer wieder auf Paralleltexte innerhalb der Palatini graeci hinweist. Damit soll aber keine Verbindung zwischen den Hss. hergestellt werden, wie Volk, Historiae animae, S. 470, mutmaßte. Bibliotheksstempel der BAV auf f. 1r u 106v. Invokationen auf f. 49r u. 85r. Sonst einige Federproben, u.a. Wiederholung eines Teils der Doxologie auf f. 106v.

Einband
Roter Ledereinband der BAV aus der Zeit von Kardinalbibliothekar Francesco Saverio de Zelada und Papst Pius VI.; späterer Rücken mit goldenen Wappenstempeln von Papst Pius IX. (oben) und Kardinalbibliothekar Angelo Mai (unten), vgl. Schunke, Einbände, II, S. 909.
Provenienz
Augsburg / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Ulrich Fugger ist der erste historisch greifbare Eigentümer der Hs. Spätestens nach seinem Tod im Februar 1584 Übergang in den Bestand der Bibliotheca Palatina. Seit 1623 Aufbewahrung in der BAV.
Der Entstehungsort der Hs. kann, wie oben dargelegt, allenfalls erschlossen werden. Durch die Neugründung einer ganzen Reihe von griechischen bzw. graecolateinischen Klöstern in normannisch-staufischen Süditalien am Ende des 11. und bes. ab dem Beginn des 12. Jhs. entstand dort ein größerer Bedarf an griechischen Hss. Aufgrund des Kostendrucks wurden ab dem 12. Jh. jedoch eher kleinformatige Codices wie der vorliegende angefertigt. Texte wie der überaus populäre, ps.-damaszenische Barlaam-Roman und Heiligenviten eigneten sich dabei besonders für die lectiones während der Mahlzeiten. Von daher wäre die Entstehung der Hs. wie hier angenommen durchaus plausibel.
Der seors(um)-Vermerk auf f. 1r besagt, dass die Hs. als Einzelerwerbung in die Bibliothek Ulrich Fuggers gelangte. Über ihren Weg von Süditalien nach Augsburg sind keine Aussagen möglich. Da die fuggerschen Agenten Erwerbungen auch in Rom oder Florenz tätigten, kann auch nicht notwendigerweise auf Venedig als Umschlagort geschlossen werden. Da die Hs. in den Bestandskatalogen Martin Gerstmanns aus dem Jahr 1563 enthalten ist (s. die Codd. BAV, Pal. lat. 1916, f. 534v bzw. BAV, Pal. lat. 1950, f. 185v als Ioa. Damasceni historia), muss sie spätestens zu diesem Zeitpunkt in Augsburg gewesen sein. Im Zuge der Vertreibung Ulrich Fuggers im Jahr 1564 gelangte sie als Teil seiner Bibliothek nach Heidelberg und wurde möglicherweise bereits zu diesem Zeitpunkt in der Heiliggeistkirche aufgestellt. Spätestens nach Fuggers Tod im Februar 1584 erfolgte der volle juristische Übergang seiner Bibliothek in den Bestand der Bibliotheca Palatina. 1622/23 gelangte die Hs. als Teil der Schenkung des bayerischen Herzogs Maximilian über München an den heutigen Aufbewahrungsort.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_gr_201
Literatur
Stevenson, Graeci, S. 101; Leo Allatius, De S. Joanne Damasceno prolegomena. Ex opere ejusdem inedito De libris apocryphis, abgedruckt in Migne PG, vol. 94, § XLXC, S. 155–156; Die Schriften des Johannes von Damaskus. VI/1: Historiae animae utilis de Barlaam et Ioasaph (spuria). Einf. v. Robert Volk, Berlin/New York 2009, S. 470 (= Hs. Nr. 133); Franz Dölger, Der griechische Barlaam-Roman, ein Werk des h. Johannes von Damaskos, Ettal 1953, S. 10; Franchi De’Cavalieri, Catalogus, S. 216; Lehmann, Fuggerbibliotheken, I, S. 85.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

Inhalt

1) 1r–106v Digitalisat

Verfasser
Ps.-Iohannes Damascenus (GND-Nr.: 118557971).
Titel
Barlaam et Ioasaph.
TLG-Nummer
2934.066.
Angaben zum Text
CPG 8120; BHG 224.
Titel (Vorlage)
1r ἱστορία ψυχοφελὴς ἐκ τῆς ἐνδοτέρας τῶν αἰθιόπων χώρας, τῆς ἰνδῶν λεγομένης, ἀπελθόντων τιμίων ἀνδρῶν πρὸς τὴν ἁγίαν πόλιν· ἐν τῇ μονῇ τοῦ ἁγίου σάβα καὶ ἀπαγγειλάντων, συγγραφεῖσα παρὰ ἰωάννου δαμασκηνοῦ(Ursprünglicher Titel verblasst bzw. nicht mehr lesbar u. von jüngerer Hand nachgetragen. Daher trifft die Annahme in Volk, Historiae animae, S. 470, der griech. Titel sei erst nach 1633 eingetragen worden, unzutreffend, und auch Leo Allatius, De S. Joanne Damasceno prolegomena. Ex opere ejusdem inedito De libris apocryphis, abgedruckt in Migne PG, vol. 94, § XLXC, Sp. 155–156, schrieb völlig zurecht, dass der Pal. gr. 59 den Damaszener als Verf. des Werks nennt).
Nachträge und Rezeptionsspuren
Sechs Bll. nach f. 105v ausgefallen, daher Textlücke von οὕτω] θερμοτάτην πρὸς θεὸν … προαιρέσει γενόμενος καὶ [παρρησίᾳ = 37, 62–40, 68 ed. Volk (S. 377–401).
Edition
Die Schriften des Johannes von Damaskos. VI/2: Historia animae utilis de Barlaam et Ioasaph (spuria). Text mit zehn Appendices. Besorgt von Robert Volk, Berlin/New York 2006, S. 5–405 (diese Hs. 133, für die Edition aber ausgeschieden; nach dem Hrsg. Vertreter der sog. Hss.familie c, jedoch mit singulären Varianten).


Bearbeitet von
Dr. Lars Hoffmann, Universitätsbibliothek Heidelberg, 22.11.2021.
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