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53 Ernst Wilhelm Meyer, Prospektzeichnung für eine neue
Orgel in Hermannsburg (1826)
Mixturen verlieren wenigstens graduell ihren schneiden-
den Charakter, je nach Größe der Orgel werden ver-
mehrt 8'-Register, zum Beispiel Streicher wie die Gambe
oder das Salicional eingesetzt. Dieser spätbarocke Klang-
charakter, der sich bis in das 19. Jahrhundert hinein
erhalten sollte, trägt den galanteren Zügen der klassi-
schen und darauf folgend frühromantischen Musik
Rechnung. Dabei darf die begriffliche Differenz zwischen
spätbarockem Klangbild und klassischer bzw. frühro-
mantischer Musik nicht als Gegensatz gewertet werden.
Die Disposition der frühromantischen Orgel baut konse-
quent auf der spätbarocken Tradition auf. Im Hauptwerk
wird nach wie vor ein vollständiger Prinzipalchor ange-
setzt. Er wird aber bereichert um zusätzliche Grund-
stimmen, die differenziertere dynamische Schattierungen
ermöglichen. Erst später, in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts werden diese spätbarocken Grundlagen
des Disponierens zu Gunsten der romantischen Orgel im
engeren Sinne aufgegeben. Genau diese Entwicklung
lässt sich auch an den Instrumenten, die im Landkreis
Nienburg gebaut worden sind, nachvollziehen, teilweise
sogar an den Werken einer einzigen Orgelbauerfamilie,
wie der Familie Meyer.
54 Lavelsloh, Ev. Kirche, Orgel, Prospekt
Die Orgelbauerfamilie Meyer in Hannover
Mit den Werken Ernst Wilhelm Meyers setzte in den
1830er Jahren eine weitere Blütezeit des Orgelbaus im
Landkreis Nienburg ein. Geboren wurde Meyer 1779,
vermutetermaßen in Hannover. Bevor er sich 1806 zu-
nächst als „Orgel- und Instrumentenmacher" in Hanno-
ver niederließ, lernte und arbeitete er bei mehreren
Orgelbauern, worauf er im Rahmen eines Schreibens an
den hannoverschen König eingehend hinweist: u. a. bei
Müller in Wittmund, bei Witzmann in Bremen, bei
Baethmann29 in Hannover und bei Keller in Magdeburg.
Was damit wenigstens belegt wird, ist der Kontakt
Meyers mit unterschiedlichen Schulen des Orgelbaus,
insbesondere den entsprechenden Klangauffassungen.
Seit 1812 beschränkte er sich darauf, ausschließlich
Orgeln zu bauen. Nach FISCHER sind die frühesten
Quellen über einen Neubau Meyers für die Orgel in
Lenthe bei Gehrden erhalten, die er 1818 aufgestellt hat.
In seinem Gutachten kann der Organist von St. Aegidien
in Hannover, J. F. Lahmeyer, dieses Instrument „(...) für
gut und dauerhaft erklären, es macht seinem Meister
Ehre "30
Im Laufe der Zeit weitete sich der Tätigkeitsraum Meyers
aus, auch in das Gebiet des Landkreises Nienburg. 1822
gab er einen Kostenvoranschlag über die Reparatur der
Orgel in Rehburg ab. Vier Jahre später fertigte er eine
Prospektzeichnung für den Orgelneubau in Hermanns-
burg an (Abb. 53): Zwischen zwei flache Ecktürme ist
eine zweizonige Mittelachse geschaltet, deren
Abschluss, ein Dreiecksgiebel, aus dem Gebälk der
Ecktürme erwächst. Genau ein solcher Prospekt ist in
Lavelsloh erhalten (Abb. 54).31 Er weist dieselbe formale
Konzeption auf, lediglich Details, wie die Fußpunkte der
Pfeifen der oberen Pfeifenfelder der Mittelachse oder die
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53 Ernst Wilhelm Meyer, Prospektzeichnung für eine neue
Orgel in Hermannsburg (1826)
Mixturen verlieren wenigstens graduell ihren schneiden-
den Charakter, je nach Größe der Orgel werden ver-
mehrt 8'-Register, zum Beispiel Streicher wie die Gambe
oder das Salicional eingesetzt. Dieser spätbarocke Klang-
charakter, der sich bis in das 19. Jahrhundert hinein
erhalten sollte, trägt den galanteren Zügen der klassi-
schen und darauf folgend frühromantischen Musik
Rechnung. Dabei darf die begriffliche Differenz zwischen
spätbarockem Klangbild und klassischer bzw. frühro-
mantischer Musik nicht als Gegensatz gewertet werden.
Die Disposition der frühromantischen Orgel baut konse-
quent auf der spätbarocken Tradition auf. Im Hauptwerk
wird nach wie vor ein vollständiger Prinzipalchor ange-
setzt. Er wird aber bereichert um zusätzliche Grund-
stimmen, die differenziertere dynamische Schattierungen
ermöglichen. Erst später, in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts werden diese spätbarocken Grundlagen
des Disponierens zu Gunsten der romantischen Orgel im
engeren Sinne aufgegeben. Genau diese Entwicklung
lässt sich auch an den Instrumenten, die im Landkreis
Nienburg gebaut worden sind, nachvollziehen, teilweise
sogar an den Werken einer einzigen Orgelbauerfamilie,
wie der Familie Meyer.
54 Lavelsloh, Ev. Kirche, Orgel, Prospekt
Die Orgelbauerfamilie Meyer in Hannover
Mit den Werken Ernst Wilhelm Meyers setzte in den
1830er Jahren eine weitere Blütezeit des Orgelbaus im
Landkreis Nienburg ein. Geboren wurde Meyer 1779,
vermutetermaßen in Hannover. Bevor er sich 1806 zu-
nächst als „Orgel- und Instrumentenmacher" in Hanno-
ver niederließ, lernte und arbeitete er bei mehreren
Orgelbauern, worauf er im Rahmen eines Schreibens an
den hannoverschen König eingehend hinweist: u. a. bei
Müller in Wittmund, bei Witzmann in Bremen, bei
Baethmann29 in Hannover und bei Keller in Magdeburg.
Was damit wenigstens belegt wird, ist der Kontakt
Meyers mit unterschiedlichen Schulen des Orgelbaus,
insbesondere den entsprechenden Klangauffassungen.
Seit 1812 beschränkte er sich darauf, ausschließlich
Orgeln zu bauen. Nach FISCHER sind die frühesten
Quellen über einen Neubau Meyers für die Orgel in
Lenthe bei Gehrden erhalten, die er 1818 aufgestellt hat.
In seinem Gutachten kann der Organist von St. Aegidien
in Hannover, J. F. Lahmeyer, dieses Instrument „(...) für
gut und dauerhaft erklären, es macht seinem Meister
Ehre "30
Im Laufe der Zeit weitete sich der Tätigkeitsraum Meyers
aus, auch in das Gebiet des Landkreises Nienburg. 1822
gab er einen Kostenvoranschlag über die Reparatur der
Orgel in Rehburg ab. Vier Jahre später fertigte er eine
Prospektzeichnung für den Orgelneubau in Hermanns-
burg an (Abb. 53): Zwischen zwei flache Ecktürme ist
eine zweizonige Mittelachse geschaltet, deren
Abschluss, ein Dreiecksgiebel, aus dem Gebälk der
Ecktürme erwächst. Genau ein solcher Prospekt ist in
Lavelsloh erhalten (Abb. 54).31 Er weist dieselbe formale
Konzeption auf, lediglich Details, wie die Fußpunkte der
Pfeifen der oberen Pfeifenfelder der Mittelachse oder die
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