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Sektion 6: Historische Forschung in der Denkmalpflege - Das Beispiel der Stadt
Das Kalkplatten- bzw. Legschieferdach im Altmühl-Juragebiet
Paul Unterkircher
Abb. 1: Rebdorf, Pater-Moser-
Straße 9, Große Kreisstadt
Eichstätt, Bauernhaus um
1700, nördliche Giebelfassade
mit weitgehend originalem
Wandputz und originaler
Legschieferdeckung, 1998.
Das Legschieferdach gab Häusern in einem relativ
kleinen Gebiet im Zentrum Bayerns ihr besonderes
Aussehen. Das Dach flach geneigt, die Solnhofener
Kalkplatten mehrfach geschichtet und lediglich auf die
Unterkonstruktion gelegt, dazu das Relief der vielen
Schichtungen und vor allem die Farbe der Dachhaut
formten es zu einem einzigartigen Dachtyp (Abb. 1).
Vor 200-60 Mio. Jahren war in der Entwicklungs-
geschichte der Erde das Zeitalter des „Mesozoikums“,
auch Erdmittelalter genannt. Diese Periode wiederum
teilt sich in Trias, Jura und darauf folgende Kreidezeit.
Geologisch gesehen besteht der Jura aus drei ver-
schiedenen Formationen: Die älteste Schicht bildet den
unteren oder schwarzen Jura (=Lias), die nächste wird
als mittlerer oder brauner Jura (= Dogger) bezeichnet.
Darauf folgt die jüngste Formation, der obere oder
weiße Jura, auch Malm genannt.
Beim Jurakalkstein unterscheidet man grundsätzlich
zwischen zwei Arten des Gesteins: Den Jura-Bank-
kalken und den Jura-Kalkplatten. Erste heißen im Fach-
jargon „Jura-Marmor“, den zweiten bilden die nach
ihrem Hauptabbaugebiet benannten „Solnhofener Plat-
ten“. Die Schichtprofile des älteren Jura-Marmors kön-
nen eine Stärke von 20-150 cm erreichen, die der jün-
geren Kalkplatten zwischen 1 mm und 40 cm.
Diese Solnhofener Platten bilden das Material für das
Kalkplattendach. Die brauchbaren Schichten, auch
„Flinze“ genannt, liefern im Gegensatz zu den un-
brauchbaren „Fäulen“ die feingeschichteten Platten mit
einer Stärke zwischen 5 und 15 mm. Die genaue Be-
zeichnung dieser aus reinem Kalkkarbonat bestehenden
Platten lautet „Malm zeta 2b“.
Die wichtigsten Steinbrüche für das Kalkplatten-
bzw. Legschieferdach befinden sich in Solnhofen und
oberhalb von Eichstätt im Nordosten (Wintershof) und
im Nordwesten (Blumenberg).
Die Mächtigkeit der abbaufähigen Schichten beträgt
in den Steinbrüchen am Blumenberg 5-7 m, in Winter-
shof bis zu 12 m und in Solnhofen sogar bis zu 40 m.
Der Abbau vollzieht sich saisonbedingt von circa Ende
März bis Ende November, je nach Witterungs- und
Wetterverhältnissen, im Tagebau.
Die in den Brüchen gewonnenen Legschieferplatten
sind grundsätzlich Kernware (beim Abklopfen heller
Klang, keine Trennschicht, keine wesentlichen Ein-
schlüsse), wobei die häufigste Plattenstärke bei circa
8-12 mm liegt. Die Platten werden palettiert in der im
Bruch gewonnenen Form angeliefert und von der Dach-
deckerei beim Verlegen entsprechend zugearbeitet
(Abb. 2).
Die drei wesentlichen Utensilien (Abb. 3) für die
Kalkplattenverlegung sind:
- der Leinenstrohsack,
- der Legschieferhammer,
- die Zwickzange.
Die Sparrenneigung beim Kalkplatten- bzw. Leg-
schieferdach liegt bei 23 bis 30 Grad, das heißt die
Neigung der Steinplatten ist dann jeweils circa 8-10
Grad geringer.
Die Eindeckung erfolgt jeweils vom Trauf- und
Ortganggebinde aus. Der ursprüngliche Unterbau, das
heißt die Zwischenlage von Sparren zu Legschiefer,
bestand aus locker aneinander gereihten Hamickeln
(gespaltener Ast/Holzstamm mit Rinde), die mit Holz-
nägeln an den Sparren befestigt waren.
Der immer häufigere Umbau zum Wanndach (Dach-
geschossausbau) erfordert einen Unterbau in der Ab-
folge von Hamickeln und Brett, damit eine möglichst
geschlossene Ebene erreicht werden kann, die ein
Durchfallen von Steinresten in den Bereich der luft-
führenden Schicht (Konterlattung) vermeiden hilft. Die
neugewählte Abfolge von Harnickel und schmalem
Brett bzw. Leiste ermöglicht immer noch genügend
Griffigkeit zum Aufbringen der Kalkplattendeckung.
Bei den alten Hamickeln war meist auch die Rinde
darauf, um eine größere Reibung erreichen zu können.
Alternativ zu der Abfolge von Hamickeln und Latte
(Brett) werden von Dachdeckerfirmen auch geschlos-
sene Brettschalungen aufgebracht, bei denen im erfor-
Sektion 6: Historische Forschung in der Denkmalpflege - Das Beispiel der Stadt
Das Kalkplatten- bzw. Legschieferdach im Altmühl-Juragebiet
Paul Unterkircher
Abb. 1: Rebdorf, Pater-Moser-
Straße 9, Große Kreisstadt
Eichstätt, Bauernhaus um
1700, nördliche Giebelfassade
mit weitgehend originalem
Wandputz und originaler
Legschieferdeckung, 1998.
Das Legschieferdach gab Häusern in einem relativ
kleinen Gebiet im Zentrum Bayerns ihr besonderes
Aussehen. Das Dach flach geneigt, die Solnhofener
Kalkplatten mehrfach geschichtet und lediglich auf die
Unterkonstruktion gelegt, dazu das Relief der vielen
Schichtungen und vor allem die Farbe der Dachhaut
formten es zu einem einzigartigen Dachtyp (Abb. 1).
Vor 200-60 Mio. Jahren war in der Entwicklungs-
geschichte der Erde das Zeitalter des „Mesozoikums“,
auch Erdmittelalter genannt. Diese Periode wiederum
teilt sich in Trias, Jura und darauf folgende Kreidezeit.
Geologisch gesehen besteht der Jura aus drei ver-
schiedenen Formationen: Die älteste Schicht bildet den
unteren oder schwarzen Jura (=Lias), die nächste wird
als mittlerer oder brauner Jura (= Dogger) bezeichnet.
Darauf folgt die jüngste Formation, der obere oder
weiße Jura, auch Malm genannt.
Beim Jurakalkstein unterscheidet man grundsätzlich
zwischen zwei Arten des Gesteins: Den Jura-Bank-
kalken und den Jura-Kalkplatten. Erste heißen im Fach-
jargon „Jura-Marmor“, den zweiten bilden die nach
ihrem Hauptabbaugebiet benannten „Solnhofener Plat-
ten“. Die Schichtprofile des älteren Jura-Marmors kön-
nen eine Stärke von 20-150 cm erreichen, die der jün-
geren Kalkplatten zwischen 1 mm und 40 cm.
Diese Solnhofener Platten bilden das Material für das
Kalkplattendach. Die brauchbaren Schichten, auch
„Flinze“ genannt, liefern im Gegensatz zu den un-
brauchbaren „Fäulen“ die feingeschichteten Platten mit
einer Stärke zwischen 5 und 15 mm. Die genaue Be-
zeichnung dieser aus reinem Kalkkarbonat bestehenden
Platten lautet „Malm zeta 2b“.
Die wichtigsten Steinbrüche für das Kalkplatten-
bzw. Legschieferdach befinden sich in Solnhofen und
oberhalb von Eichstätt im Nordosten (Wintershof) und
im Nordwesten (Blumenberg).
Die Mächtigkeit der abbaufähigen Schichten beträgt
in den Steinbrüchen am Blumenberg 5-7 m, in Winter-
shof bis zu 12 m und in Solnhofen sogar bis zu 40 m.
Der Abbau vollzieht sich saisonbedingt von circa Ende
März bis Ende November, je nach Witterungs- und
Wetterverhältnissen, im Tagebau.
Die in den Brüchen gewonnenen Legschieferplatten
sind grundsätzlich Kernware (beim Abklopfen heller
Klang, keine Trennschicht, keine wesentlichen Ein-
schlüsse), wobei die häufigste Plattenstärke bei circa
8-12 mm liegt. Die Platten werden palettiert in der im
Bruch gewonnenen Form angeliefert und von der Dach-
deckerei beim Verlegen entsprechend zugearbeitet
(Abb. 2).
Die drei wesentlichen Utensilien (Abb. 3) für die
Kalkplattenverlegung sind:
- der Leinenstrohsack,
- der Legschieferhammer,
- die Zwickzange.
Die Sparrenneigung beim Kalkplatten- bzw. Leg-
schieferdach liegt bei 23 bis 30 Grad, das heißt die
Neigung der Steinplatten ist dann jeweils circa 8-10
Grad geringer.
Die Eindeckung erfolgt jeweils vom Trauf- und
Ortganggebinde aus. Der ursprüngliche Unterbau, das
heißt die Zwischenlage von Sparren zu Legschiefer,
bestand aus locker aneinander gereihten Hamickeln
(gespaltener Ast/Holzstamm mit Rinde), die mit Holz-
nägeln an den Sparren befestigt waren.
Der immer häufigere Umbau zum Wanndach (Dach-
geschossausbau) erfordert einen Unterbau in der Ab-
folge von Hamickeln und Brett, damit eine möglichst
geschlossene Ebene erreicht werden kann, die ein
Durchfallen von Steinresten in den Bereich der luft-
führenden Schicht (Konterlattung) vermeiden hilft. Die
neugewählte Abfolge von Harnickel und schmalem
Brett bzw. Leiste ermöglicht immer noch genügend
Griffigkeit zum Aufbringen der Kalkplattendeckung.
Bei den alten Hamickeln war meist auch die Rinde
darauf, um eine größere Reibung erreichen zu können.
Alternativ zu der Abfolge von Hamickeln und Latte
(Brett) werden von Dachdeckerfirmen auch geschlos-
sene Brettschalungen aufgebracht, bei denen im erfor-