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Historische Brückenkonstruktionen
Glossar
Im Gegensatz zu Balkenträgern, bei denen in den
Auflagern ausschließlich eine senkrechte Lastab-
leitung erfolgt, entstehen bei Bogenträgern unter ver-
tikaler Belastung zusätzlich horizontale Komponenten
und damit schräg nach außen wirkende Druckkräfte.
Die Bogenkonstruktionen sind entweder an beiden
Auflagern fest eingespannt oder gelenkig gelagert,
wobei ein Zweigelenkbogen an den Enden mit
Kämpfergelenken und ein Dreigelenkbogen zudem
mit einem Scheitelgelenk versehen ist. In Frankreich
entstand 1858 eine der ersten Bogenbrücken mit
Kämpfergelenken bei St. Denis im Verlauf der Strecke
Paris-Creil. Grundlegende Arbeiten zur Anordnung
von Gelenken im Brückenbau lieferte ab 1860 Klaus
Kopeke (1831-1911). 1863 entstand in Deutschland
dann die erste Bogenbrücke mit Strebenfachwerk und
Kämpfergelenken, die im Verlauf der Strecke Kob-
lenz-Niederlahnstein den Rhein überspannte, worauf
1865 die erste Bogenbrücke mit drei Gelenken für die
Unterspreebrücke einer Bahnhofs-Verbindungsbahn
bei Berlin folgte. In Niedersachsen kam diese Bauart
nur relativ selten zur Ausführung. Erhalten ist lediglich
eine historische Eisenkonstruktion mit vollwandigen
Zweigelenkbogen und aufgeständerter Fahrbahn in
Hannover (10/1/B4). Die einzigartigen Beispiele für
Dreigelenkbogen bildeten noch bis vor kurzem meh-
rere eiserne Brücken in Lüneburg (vgl. 3/3/B56).
Brücke
Bauwerk zur Überführung eines Verkehrsweges, das
sich aus zwei Hauptbestandteilen zusammensetzt.
Den Unterbau bilden Gründung, Pfeiler, Auf- oder
Widerlager und Flügelmauern, wobei der Überbau
aus dem eigentlichen, in der Regel unbeweglichen
Tragwerk besteht. Ausnahmen stellen bewegliche
Brücken dar, die bei geringer lichter Höhe über
Wasserläufen durch eine Dreh-, Kipp- oder Schiebe-
bewegung dem Schiffsverkehr freie Durchfahrt
ermöglichen. Bei historischen Bauwerken kann man
eine Unterscheidung nach dem verwendeten Baustoff
treffen, also: Stein-, Holz-, Eisen-, Beton-, Stahlbeton
und Stahlbrücken. Moderne Brücken lassen sich
wegen der Kombination unterschiedlicher Baustoffe
nicht immer so eindeutig zuordnen. Ferner werden
die Tragwerke nach dem statischen System als
Balkenbrücken, Bogenbrücken und Hängebrücken
unterschieden.
Eisen
Im 19. Jahrhundert nahm die Entwicklung der
Eisenwerkstoffe ganz entscheidend Einfluss auf den
Brückenbau. Nachdem die ersten eisernen Brücken
1779 in England, 1796 in Deutschland und 1803 in
Frankreich als Bogenbrücken entstanden waren,
konnte 1824 ebenfalls in England die weltweit erste
eiserne Eisenbahnbrücke über die Gaunless im Verlauf
der Strecke Stockton-Darlington in Betrieb gehen. In
Deutschland wurden ab 1840 die ersten gusseisernen
Eisenbahnbrücken im Großherzogtum Baden gebaut.
Gusseisen wurde durch den Verhüttungsprozess von
Eisenerz im Hochofen oder in speziellen Brennöfen
aus Roheisen gewonnen, wobei ein entsprechender
Formenguss direkt erfolgte. Das spröde, nicht
schmiedbare Baumaterial, das keine mechanische
Formänderung gestattete, besaß zwar eine hohe
Druckfestigkeit, jedoch nur eine geringe Biege- und
Zugfestigkeit. Um die Werkstoffeigenschaften zu ver-
bessern, galt es, den Kohlenstoffgehalt des Eisens auf
weniger als 1,7 % zu reduzieren, was Henry Cord
(1740-1800) schon 1784 durch das so genannte
Puddel-Verfahren erreichte, mit dem sich sehr zähes
und mechanisch verformbares Schmiedeeisen erzeu-
gen ließ, das im Verhältnis zum Gusseisen bei gleicher
Druckfestigkeit über eine deutlich erhöhte Biege-
zugfestigkeit verfügte. Das im Bauwesen vielseitig
einsetzbare Material, das die Grundvoraussetzung für
die Einführung der Balkenbrücken bildete, eignete
sich optimal für die Fertigung von Blechen und
Profilen und diente zuerst in England ab dem zweiten
Viertel des 19. Jahrhunderts insbesondere für den
Eisenbrückenbau. Die von Robert Stephenson (1803-
1859) konzipierte und 1850 fertig gestellte
Britanniabrücke, die die Menaistraße in Nordwales
mit hohlen, vollwandigen Kastenträgern überspann-
te, war das Sinnbild für ein Brückensystem, das den
Bau von Eisenbahnbrücken über Jahrzehnte hinweg
eindeutig beherrschte (Abb. 20). Später konnten das
Angebot und die Qualität von Eisen durch weiterent-
wickelte Produktionsmethoden nachhaltig verbessert
werden. Im Gegensatz zum Schmiedeeisen, das auf-
wändig und wenig ökonomisch in teigartigem
Zustand erzeugt wurde, ermöglichten das Bessemer-
Verfahren (1855), das Siemens-Martin-Verfahren
(1864) und das Thomas-Verfahren (1879) die indus-
trielle Eisengewinnung im schmelzflüssigen Zustand.
Mit dem Flusseisen standen zunehmend hochwertige
und preisgünstige Baustoffe in großen Mengen zur
Auswahl, was im ausgehenden 19. Jahrhundert zur
Verdrängung von Schmiedeeisen im Ingenieurbau
führte. Ein internationaler Eisenbahnkongress bestä-
tigte 1887 in Mailand, dass Flusseisen beim Brücken-
bau wesentliche Vorteile gegenüber dem Schweiß-
eisen besitzt, wobei die Anwendung vor allem für
weit gespannte Überbauten empfohlen wurde. Der
Begriff Schweißeisen, der sich auf das im Puddel-
prozess erzeugte Schmiedeeisen bezieht, entstand mit
den neuen Verfahren zur Flusseisenherstellung in den
1860er Jahren, um die Eisensorten eindeutig zu
unterscheiden. Für die einheitliche Benennung sorgte
schließlich 1889 ein „Circular-Erlaß", indem die Be-
zeichnung Schmiedeeisen ganz entfällt. Zu den
Hauptgattungen zählten neben Guss-, Schweiß- und
Flusseisen außerdem die merklich härtbaren Mate-
rialien Schweiß- und Flussstahl. Nachdem für den
Historische Brückenkonstruktionen
Glossar
Im Gegensatz zu Balkenträgern, bei denen in den
Auflagern ausschließlich eine senkrechte Lastab-
leitung erfolgt, entstehen bei Bogenträgern unter ver-
tikaler Belastung zusätzlich horizontale Komponenten
und damit schräg nach außen wirkende Druckkräfte.
Die Bogenkonstruktionen sind entweder an beiden
Auflagern fest eingespannt oder gelenkig gelagert,
wobei ein Zweigelenkbogen an den Enden mit
Kämpfergelenken und ein Dreigelenkbogen zudem
mit einem Scheitelgelenk versehen ist. In Frankreich
entstand 1858 eine der ersten Bogenbrücken mit
Kämpfergelenken bei St. Denis im Verlauf der Strecke
Paris-Creil. Grundlegende Arbeiten zur Anordnung
von Gelenken im Brückenbau lieferte ab 1860 Klaus
Kopeke (1831-1911). 1863 entstand in Deutschland
dann die erste Bogenbrücke mit Strebenfachwerk und
Kämpfergelenken, die im Verlauf der Strecke Kob-
lenz-Niederlahnstein den Rhein überspannte, worauf
1865 die erste Bogenbrücke mit drei Gelenken für die
Unterspreebrücke einer Bahnhofs-Verbindungsbahn
bei Berlin folgte. In Niedersachsen kam diese Bauart
nur relativ selten zur Ausführung. Erhalten ist lediglich
eine historische Eisenkonstruktion mit vollwandigen
Zweigelenkbogen und aufgeständerter Fahrbahn in
Hannover (10/1/B4). Die einzigartigen Beispiele für
Dreigelenkbogen bildeten noch bis vor kurzem meh-
rere eiserne Brücken in Lüneburg (vgl. 3/3/B56).
Brücke
Bauwerk zur Überführung eines Verkehrsweges, das
sich aus zwei Hauptbestandteilen zusammensetzt.
Den Unterbau bilden Gründung, Pfeiler, Auf- oder
Widerlager und Flügelmauern, wobei der Überbau
aus dem eigentlichen, in der Regel unbeweglichen
Tragwerk besteht. Ausnahmen stellen bewegliche
Brücken dar, die bei geringer lichter Höhe über
Wasserläufen durch eine Dreh-, Kipp- oder Schiebe-
bewegung dem Schiffsverkehr freie Durchfahrt
ermöglichen. Bei historischen Bauwerken kann man
eine Unterscheidung nach dem verwendeten Baustoff
treffen, also: Stein-, Holz-, Eisen-, Beton-, Stahlbeton
und Stahlbrücken. Moderne Brücken lassen sich
wegen der Kombination unterschiedlicher Baustoffe
nicht immer so eindeutig zuordnen. Ferner werden
die Tragwerke nach dem statischen System als
Balkenbrücken, Bogenbrücken und Hängebrücken
unterschieden.
Eisen
Im 19. Jahrhundert nahm die Entwicklung der
Eisenwerkstoffe ganz entscheidend Einfluss auf den
Brückenbau. Nachdem die ersten eisernen Brücken
1779 in England, 1796 in Deutschland und 1803 in
Frankreich als Bogenbrücken entstanden waren,
konnte 1824 ebenfalls in England die weltweit erste
eiserne Eisenbahnbrücke über die Gaunless im Verlauf
der Strecke Stockton-Darlington in Betrieb gehen. In
Deutschland wurden ab 1840 die ersten gusseisernen
Eisenbahnbrücken im Großherzogtum Baden gebaut.
Gusseisen wurde durch den Verhüttungsprozess von
Eisenerz im Hochofen oder in speziellen Brennöfen
aus Roheisen gewonnen, wobei ein entsprechender
Formenguss direkt erfolgte. Das spröde, nicht
schmiedbare Baumaterial, das keine mechanische
Formänderung gestattete, besaß zwar eine hohe
Druckfestigkeit, jedoch nur eine geringe Biege- und
Zugfestigkeit. Um die Werkstoffeigenschaften zu ver-
bessern, galt es, den Kohlenstoffgehalt des Eisens auf
weniger als 1,7 % zu reduzieren, was Henry Cord
(1740-1800) schon 1784 durch das so genannte
Puddel-Verfahren erreichte, mit dem sich sehr zähes
und mechanisch verformbares Schmiedeeisen erzeu-
gen ließ, das im Verhältnis zum Gusseisen bei gleicher
Druckfestigkeit über eine deutlich erhöhte Biege-
zugfestigkeit verfügte. Das im Bauwesen vielseitig
einsetzbare Material, das die Grundvoraussetzung für
die Einführung der Balkenbrücken bildete, eignete
sich optimal für die Fertigung von Blechen und
Profilen und diente zuerst in England ab dem zweiten
Viertel des 19. Jahrhunderts insbesondere für den
Eisenbrückenbau. Die von Robert Stephenson (1803-
1859) konzipierte und 1850 fertig gestellte
Britanniabrücke, die die Menaistraße in Nordwales
mit hohlen, vollwandigen Kastenträgern überspann-
te, war das Sinnbild für ein Brückensystem, das den
Bau von Eisenbahnbrücken über Jahrzehnte hinweg
eindeutig beherrschte (Abb. 20). Später konnten das
Angebot und die Qualität von Eisen durch weiterent-
wickelte Produktionsmethoden nachhaltig verbessert
werden. Im Gegensatz zum Schmiedeeisen, das auf-
wändig und wenig ökonomisch in teigartigem
Zustand erzeugt wurde, ermöglichten das Bessemer-
Verfahren (1855), das Siemens-Martin-Verfahren
(1864) und das Thomas-Verfahren (1879) die indus-
trielle Eisengewinnung im schmelzflüssigen Zustand.
Mit dem Flusseisen standen zunehmend hochwertige
und preisgünstige Baustoffe in großen Mengen zur
Auswahl, was im ausgehenden 19. Jahrhundert zur
Verdrängung von Schmiedeeisen im Ingenieurbau
führte. Ein internationaler Eisenbahnkongress bestä-
tigte 1887 in Mailand, dass Flusseisen beim Brücken-
bau wesentliche Vorteile gegenüber dem Schweiß-
eisen besitzt, wobei die Anwendung vor allem für
weit gespannte Überbauten empfohlen wurde. Der
Begriff Schweißeisen, der sich auf das im Puddel-
prozess erzeugte Schmiedeeisen bezieht, entstand mit
den neuen Verfahren zur Flusseisenherstellung in den
1860er Jahren, um die Eisensorten eindeutig zu
unterscheiden. Für die einheitliche Benennung sorgte
schließlich 1889 ein „Circular-Erlaß", indem die Be-
zeichnung Schmiedeeisen ganz entfällt. Zu den
Hauptgattungen zählten neben Guss-, Schweiß- und
Flusseisen außerdem die merklich härtbaren Mate-
rialien Schweiß- und Flussstahl. Nachdem für den