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Restaurierungsgeschichte mittelalterlicher Gewölbe- und Wandmalereien im Gebiet des heutigen Niedersachsen

Einführung

Gegenstand und Zielsetzung
Historische Wandmalereien sind ein wichtiges Gestal-
tungsmittel profaner und sakraler Architektur, sie ver-
mitteln Einblicke in kunst- und kulturgeschichtliche
Zusammenhänge verschiedener Epochen und Regio-
nen Niedersachsens. Durch ihre untrennbare Verbin-
dung mit der Architektur waren sie jedoch kontinuier-
lich besonderen bauimmanenten Gefährdungen wie
beispielsweise Verwitterung, Mauerwerksschäden
oder Umbaumaßnahmen ausgesetzt. Dennoch ist in
Niedersachsen ein kunst- und kulturgeschichtlich
außerordentlich bedeutender Bestand von mehr als
250 mittelalterlichen Wandmalereien mit über 4000
Einzelszenen erhalten geblieben. Sie reichen vom
Anfang des 12. Jahrhunderts bis in die Reformations-
zeit. Für den heutigen denkmalpflegerisch richtigen
Umgang mit den Wandmalereien ist eine komplexe
Anamnese von größter Bedeutung. Neben kunstwis-
senschaftlichen Kenntnissen und bauphysikalischen
Untersuchungen gehört dazu eine fundierte Kenntnis
der Entstehungs- und Restaurierungsgeschichte.
Die vorliegende vergleichende Studie zur Restaurie-
rungsgeschichte stellt die Entwicklung von Denkmal-
pflege und Restaurierung in Niedersachsen dar. An
ausgewählten mittelalterlichen Wand- und Decken-
malereien im geografischen Gebiet des heutigen
Niedersachsens wird die Restaurierungsgeschichte im
Zeitraum zwischen 1899 und 1939 erforscht. Diese
Studien ermöglichen die Aufarbeitung und Ergän-
zung der Geschichte der Wandmalereirestaurierung
Niedersachsens. Die Kenntnis der historischen Restau-
rierungsmaßnahmen und Restaurierungsmaterialien
und deren Einfluss auf den komplexen Bestand der
Malereien und ihrer Träger ermöglicht das korrekte
Erfassen des Malereibestandes und des Erhaltungszu-
standes und dient als Grundlage für eine präzise
kunsthistorische Einordnung der Malereien.
Die Ergebnisse der durchgeführten Quellenrecherchen
und restauratorischen Untersuchungen verdeutlichen
die Auswirkungen der historischen Restaurierungs-
maßnahmen sowie ihre Aktualität in der heutigen
Restaurierungspraxis und ermöglichen ein systemati-
sches Vorgehen bei zukünftigen Restaurierungen. Die
vergleichende Auswertung der Restaurierungsmetho-
dik in Niedersachsen erlaubt eine Einordnung in die
restauratorische Entwicklung in Deutschland.
Die Beschäftigung mit diesem Thema erfolgte vor
dem Hintergrund zahlreicher Fragestellungen. Welche
Restaurierungsmethoden waren geläufig und wurden
angewendet? Wie ist deren Entwicklung im Unter-
suchungszeitraum zu beschreiben und zu begründen?
Die Umstände, unter denen es zur Restaurierung von
Wandmalereien kam, sind bislang weitgehend unbe-

kannt. Zwar führten restauratorische und naturwis-
senschaftliche Untersuchungen zu Erkenntnissen über
Materialien und Techniken früherer Restaurierungen,
das Wissen über die beteiligten Personen, ihre
Motivation und die Gründe und Ziele der Restau-
rierungen ist jedoch gering. Daher soll auch die Frage
gestellt werden, unter welchen Bedingungen Res-
taurierungen ausgeführt wurden. Dafür müssen die
historischen Grundlagen, die Restaurierungsgeschich-
te des 19. Jahrhunderts und die Entstehung der insti-
tutionalisierten Denkmalpflege betrachtet werden.
Nicht zuletzt werden Kompetenz und Einfluss der
beteiligten Personen als Einflussfaktoren angesehen.
Als auffallend erwiesen sich die unterschiedlichen Er-
wartungen und Wünsche von Denkmalpflegern und
Eigentümern und Nutzern, das heißt den Kirchenge-
meinden, so dass auch dieser Interessenskonflikt
besondere Beachtung findet.
In der Dissertation werden drei Themenschwerpunkte
bearbeitet: Zunächst wird die Geschichte von
Denkmalpflege und Wandmalereirestaurierung in
Niedersachsen erforscht und dargelegt. An ausge-
wählten Gewölbe- und Wandmalereien werden die
historischen Restaurierungsmethoden, der Malerei-
bestand und der Erhaltungszustand erfasst und inter-
pretiert. Die Bestandserfassung ermöglicht die Unter-
scheidung von mittelalterlicher Malerei und restaura-
torischen Überarbeitungen. Der heutige Erhaltungs-
zustand resultiert einerseits aus Alterungs- und mate-
rialimmanenten Schadensprozessen, andererseits aus
historischen Restaurierungsmaßnahmen und -mate-
rialien. Diese Kenntnisse erlauben eine Einschätzung
der Entwicklung von Restaurierungsmoden und -me-
thoden. Auf Grundlage der so erarbeiteten Restaurie-
rungsmethodik in Niedersachsen zwischen 1899 und
1939 wird eine vergleichende Studie die Einordnung
der Restaurierungspraxis in Niedersachsen in eine
überregionale restauratorische Entwicklung ermögli-
chen und die praktische Umsetzung von grundsätzli-
chen Veränderungen in der Auffassung von Denkmal-
pflege und Restaurierung zu Beginn des 20. Jahrhun-
derts hinterfragen und diskutieren.
Arbeitsmethoden und Problemstellung
Die Zusammenstellung der historischen Restaurie-
rungsbeispiele erfolgte auf Grundlage eines beste-
henden Katalogs zur mittelalterlichen Wandmalerei in
Niedersachsen.1 Die Auswahl der Wandmalereien
wurde aufgrund von geografischen Gesichtspunkten
und des Zeitpunkts der historischen Restaurierungen
getroffen (vgl. S. 44 ff.). Dabei wurden die Wand-
malereien unterteilt in solche, an denen umfassende
 
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