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Restaurierungsgeschichte mittelalterlicher Gewölbe- und Wandmalereien im Gebiet des heutigen Niedersachsen

Braunschweig und Wolfenbüttel von 1879-18906'
und in Oldenburg auf Anregung des preußischen
Kultusministers seit 188862 durchgeführt worden war.
Auch in Schaumburg-Lippe entstand 1897 ein Inven-
tarband. 53
Denkmalpflege wurde in Preußen als Staatspflicht an-
gesehen und beruhte auf der Aufgabe des Staats, für
Kulturgüter im Sinne des Gemeinwohls Sorge zu tra-
gen. Der Gesamtbereich umfasste sowohl die profa-
nen als auch die kirchlichen Kulturgüter.64 Die Idee der
Denkmalpflege beruhte jedoch weniger auf einem
staatlichen Diktat, als vielmehr auf dem Zusammen-
wirken von Staat, Provinzen, Gemeinden, Kirchen,
Vereinen und Privatpersonen. Da es sich um den
Schutz allgemeinen Kulturguts handelte, gingen die
staatlichen Instanzen davon aus, dass dessen Schutz
und Erhaltung prinzipiell im öffentlichen Interesse lag.
Die berufenen Provinzialkommissionen hatten unter
anderem die Aufgabe, Kommunen, Kirchengemein-
den und Privateigentümer von Wert und Bedeutsam-
keit der Erhaltung von Kulturgut zu überzeugen. Im
Immediatsbericht des Ministers der geistigen, Unter-
richts- und Medizinal-Angelegenheiten hieß es: „Es
liegt in der Natur der Sache und wird durch die
Erfahrung bestätigt, daß das wesentliche Moment für
eine gedeihliche Denkmalpflege in dem Interesse der
örtlichen Organe an den Denkmälern ihres Landesteils
und in der freiwilligen Tätigkeit dieser Organe liegt.
Welche Denkmäler vorhanden sind, welche Geschich-
te sie haben, in welchem Zustande sie sich befinden,
was zu ihrer Erforschung, Erhaltung und etwaigen
Wiederherstellung geschehen soll, dafür müssen
zunächst die betreffenden Landesteile und ihre
Bewohner interessiert werden, sie müssen ihre Denk-
mäler lieb gewinnen, sie studieren und vor Verfall und
Zerstörung bewahren."65
Die Provinzialkonservatorenstellen als fachlich-gutach-
terliche Instanz wurden eingerichtet, um die Quali-
tätssicherung der Denkmalpflege im Sinne einer ein-
vernehmlichen Regelung zwischen Eigentümer bzw.
verantwortlicher Institution, Regierungspräsidium und
dem Kultusministerium zu ermöglichen.
Mit der erwähnten Neuorganisation und Dezentrali-
sierung der Denkmalpflege seit 1891 lag die Ent-
scheidung über denkmalpflegerische Angelegen-
heiten letztlich beim Regierungspräsidenten der Pro-
vinzialregierung. Er musste seine Zustimmung zu ge-
planten Baumaßnahmen allerdings in Abstimmung
mit dem Provinzialkonservator geben.66 Bei Uneinig-
keit war die Entscheidung des Kultusministers als
übergeordnete Instanz ausschlaggebend.67
Informationen über Entwicklungen in der Denkmal-
pflege und Restaurierung gingen vom Ministerium
der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegen-
heiten in Berlin an die Regierungspräsidenten der
Provinzen und Regierungsbezirke, die sie ihrerseits an
Provinzialkommissionen und Bauverwaltungen Wei-

tergaben. Auch Handbücher für die Denkmalpflege
wurden auf diesem Wege an die zuständigen Insti-
tutionen verteilt.68
Neben diesen staatlichen Verfügungen gab es Denk-
malschutzgesetze, die aber keine einheitlichen
Regelungen besaßen und zum Teil in allgemeinen
Verordnungen gegen die Verunstaltung von Bauten
und Plätzen aufgingen. Das Großherzogtum Hessen
erließ 1902 als erstes Land ein eigenständiges
Denkmalschutzgesetz.69 1907 wurde in Preußen ein
erweitertes Verunstaltungsgesetz erlassen, das nach
dem ersten Gesetz nun auch eine kommunale
Regelung gegen die Verunstaltung von Bauwerken
vorsah:70 „Durch Ortsstatut kann ... vorgeschrieben
werden, daß die baupolizeiliche Genehmigung zur
Ausführung baulicher Änderungen an einzelnen
Bauwerken von geschichtlicher oder künstlerischer
Bedeutung ... zu versagen ist, wenn ihre Eigenart oder
der Eindruck, den sie hervorrufen, durch die Bau-
ausführung beeinträchtigt werden könnte."7'
Auf dieses Gesetz stützte sich auch die Provinz
Hannover. Ähnliche Verunstaltungsgesetze führten
anschließend auch Braunschweig und Schaumburg-
Lippe ein.72
Im Herzogtum Oldenburg ging die kirchliche Denk-
malpflege bis um 1910 vor allem von der kirchlichen
Behörde, dem Oberkirchenrat, aus.73 Für denkmalpfle-
gerische Entscheidungen wurden teilweise externe
Berater hinzugezogen (vgl. S. 19 ff.). Die staatliche
Denkmalpflege oblag der herzoglichen Baudirektion,
die einen Denkmalpfleger für bewegliche Denkmäler
und einen für Baudenkmäler berufen hatte.74 Darüber
hinaus gab es seit 1911 einen Denkmalrat, der sich
aus Mitarbeitern verschiedener Institutionen aus
Kunst, Wissenschaft und Heimatschutz zusammen-
setzte, allen voran der Oldenburger Verein für Alter-
tumskunde und Landesgeschichte. Seine Aufgaben
lagen vor allem in der Aufnahme von Denkmälern in
die Denkmalliste, der Inventarisation und der Auf-
klärung der Öffentlichkeit. Er konnte auch der Denk-
malschutzbehörde Anregungen geben. Der Denkmal-
rat erarbeitete und verabschiedete auch das Olden-
burger Denkmalschutzgesetz von 1911,75 welches in
seiner Qualität dem hessischen Gesetz von 1902
glich. Erst mit Einsetzung des Denkmalrates und des
Denkmalschutzgesetzes entwickelten sich verstärkt
denkmalpflegerische Aktivitäten.76 Nach 1918 war
das Innenministerium oberste Denkmalschutzbehörde
im Freistaat Oldenburg.
Die Denkmalpflege im Herzogtum Braunschweig ver-
waltete zunächst die Herzogliche Baudirektion, da-
nach ein Ausschuss für Denkmalpflege.77 Der Aus-
schuss wurde 1902 gegründet und setzte sich aus
Mitgliedern des Architekten- und Ingenieur-Vereins
und des Geschichtsvereins zusammen. § 1 der Ge-
schäftsordnung benennt den Ausschuss als „freie Ver-
einigung zur Erforschung und zum Schutze der
 
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