Denkmalpflege in den ehemaligen Ländern Niedersachsens
13
Denkmäler im Herzogtum Braunschweig, soweit diese
von vorgeschichtlicher, geschichtlicher, kulturge-
schichtlicher, naturgeschichtlicher oder landschaftli-
cher Bedeutung sind".78 Nach sechsjährigem Be-
stehen konnte der Ausschuss 1908 bereits auf eine
erfolgreiche Tätigkeit zurückblicken. Denn obwohl
ihm die gesetzliche Autorität fehlte, betrachteten
Staat, Kirche und Privatleute seine Aktivitäten wohl-
wollend. Der Ausschuss erhielt staatliche und städti-
sche finanzielle Beihilfen und wurde vielfach um Rat
angefragt, so dass er einige wichtige denkmalpflege-
rische und restauratorische Aktivitäten durchführen
konnte, wobei jeweils ein Mitglied des Denkmalpfle-
geausschusses die Leitung über die Arbeiten hatte.79
Im Fürstentum Schaumburg-Lippe wurde die Denk-
malpflege durch den Landesherren verwaltet, zu
einem lippischen Denkmalpflegeschutzgesetz kam es
erst 1920 im Freistaat.80
Sämtliche Gesetzgebungen zum Denkmalschutz hät-
ten ohne Verständnis und Rückhalt in der Öffentlich-
keit vermutlich wenig Erfolg gehabt. Für die notwen-
dige Aufklärung der Öffentlichkeit und zunehmendes
Interesse für denkmalpflegerische Belange in der
Bevölkerung sorgten nicht zuletzt auch die Zeitschrift
„Die Denkmalpflege" (seit 1899) und der „Tag für
Denkmalpflege" (seit 1900) als Forum für alle Fragen
und Diskussionen zu denkmalpflegerischen Proble-
men und Aufgaben.81 Wenn auch von den Vertretern
der Denkmalpflege allerorts beklagt wurde, dass die
denkmalpflegerischen Bestimmungen nicht befolgt
wurden,82 so kann man doch auch aus den Äußerun-
gen ablesen, dass die Einrichtung staatlicher Denk-
malpflegebestimmungen und -behörden in Preußen
einen Rückgang der Zuwiderhandlungen mit sich
brachte.
Die Aufhebung der Monarchie 1918 bedeutete für
die Denkmalpflege keinen Umbruch, denn ihre Be-
strebungen waren bereits auf die bürgerliche und
bäuerliche Kultur ausgedehnt und hatten in vielen
Volksschichten Bedeutung erlangt.83 In der Weimarer
Verfassung wurde ein eigener Denkmalschutzartikel
verankert, der durch die Beteiligten des Tags für Denk-
malpflege 1919 in den Grundzügen entwickelt und
der Nationalversammlung vorgeschlagen wurde.84
Spätere Versuche, separate Denkmalschutzgesetze zu
entwickeln, scheiterten sowohl 1926 in der Weimarer
Republik als auch 1937 im Nationalsozialismus.85
Auch nach 1933 blieben die alten Normen zum gro-
ßen Teil bestehen86 und die Zuständigkeiten der
Denkmalpflege weitgehend erhalten. Die Einführung
grundlegender Gesetze gelang nicht, obwohl die
Tagung der Denkmalpfleger auf deren Dringlichkeit
hinwies und unter Adolf Hitler „Denkmalpflege und
Heimatschutz im Wiederaufbau der Nation" im Sinne
„des alle verpflichtenden Willens, die ewigen Werte
deutschen Volkstums zu wahren und die große
Tradition unseres Volkes, seine Geschichte und seine
Kultur in Ehrfurcht zu pflegen",87 einen großen Stel-
lenwert besaßen. Hier hinein gehörten aber nur sol-
che Kulturgüter, die gewaltig genug waren, um als
Prestigeobjekte dienen zu können. Der übrige Denk-
malbestand war den Nationalsozialisten eher gleich-
gültig oder wurde, wie die sogenannten Erzeugnisse
entarteter Kunst „mit blindem Hass verfolgt".88 Der
Nationalsozialismus baute auf der bereits bestehen-
den Begeisterung für Kunst und Kultur auf und sah in
der Denkmalpflege „ein dankbares Gebiet, ... um die
führende Rolle des Deutschtums in der Kunst nachzu-
weisen. ... Die Bewältigung der wirtschaftlichen
Probleme, die Aufrüstung und schließlich der Zweite
Weltkrieg hinderten die Nationalsozialisten an der
Ausführung ihrer eigentlichen Absichten auf dem
Gebiet der Denkmalpflege".89
Einen Eindruck solcher, zum Teil geschichtsverfäl-
schenden, Maßnahmen vermittelt die begonnene
Uminterpretation des Braunschweiger Doms zur nati-
onalen Weihestätte für Heinrich den Löwen (vgl. S.
21.).90 Um die deutsche Kunst entsprechend heraus-
stellen zu können, wurden unter Hitler für die großen
Sakralbauten beträchtliche finanzielle Mittel bereitge-
stellt. Durch die fruchtbare Zusammenarbeit von
Kirchen und Denkmalpflege kam es dabei glücklicher-
weise nicht zu ideologisch fragwürdigen Ergebnis-
sen.91
Kirchliche Verwaltungsbehörden und ihre
denkmalpflegerische Aufgabe
Bis 1866 oblag im Königreich Hannover die kirchliche
Verwaltung dem hannoverschen König und danach
für die preußische Provinz (1866-1918) dem preußi-
schen Monarchen. Letzterer übertrug die Verwaltung
dem Kultusministerium. Hannover schloss sich, wie
die anderen neueren Provinzen Preußens, 1866 nicht
der unierten Kirche Preußens92 an, sondern blieb
eigenständig. Die kirchliche Verwaltung Hannovers
unterstand dem Kultusministerium, die Preußens
direkt dem Monarchen. In Preußen bildete der evan-
gelische Oberkirchenrat die höchste Kirchenbehör-
de,93 während in den neueren Provinzen einzelne
Konsistorien bestanden. In der Provinz Hannover wa-
ren die zunächst selbstständigen evangelischen
Konsistorien, die 1866 zu einem Landeskonsistorium
geeint wurden, auch mit der kirchlichen Bauverwal-
tung befasst. Das Konsistorium war eine kirchliche
Behörde unter landesherrlicher Verwaltung. Sie war
selbstständig tätig, ihre Entscheidungen bedurften
aber der Zustimmung des Königs bzw. des von ihm
beauftragten Kultusministeriums.94 In der Provinz
Hannover gab es ein Landeskonsistorium als oberste
verwaltende Behörde und fünf untergeordnete könig-
liche Konsistorien. Oldenburg, Braunschweig und
Schaumburg-Lippe hatten eigene Kirchenverwal-
tungen, die ebenfalls der landesherrlichen Verwaltung
unterstanden.
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Denkmäler im Herzogtum Braunschweig, soweit diese
von vorgeschichtlicher, geschichtlicher, kulturge-
schichtlicher, naturgeschichtlicher oder landschaftli-
cher Bedeutung sind".78 Nach sechsjährigem Be-
stehen konnte der Ausschuss 1908 bereits auf eine
erfolgreiche Tätigkeit zurückblicken. Denn obwohl
ihm die gesetzliche Autorität fehlte, betrachteten
Staat, Kirche und Privatleute seine Aktivitäten wohl-
wollend. Der Ausschuss erhielt staatliche und städti-
sche finanzielle Beihilfen und wurde vielfach um Rat
angefragt, so dass er einige wichtige denkmalpflege-
rische und restauratorische Aktivitäten durchführen
konnte, wobei jeweils ein Mitglied des Denkmalpfle-
geausschusses die Leitung über die Arbeiten hatte.79
Im Fürstentum Schaumburg-Lippe wurde die Denk-
malpflege durch den Landesherren verwaltet, zu
einem lippischen Denkmalpflegeschutzgesetz kam es
erst 1920 im Freistaat.80
Sämtliche Gesetzgebungen zum Denkmalschutz hät-
ten ohne Verständnis und Rückhalt in der Öffentlich-
keit vermutlich wenig Erfolg gehabt. Für die notwen-
dige Aufklärung der Öffentlichkeit und zunehmendes
Interesse für denkmalpflegerische Belange in der
Bevölkerung sorgten nicht zuletzt auch die Zeitschrift
„Die Denkmalpflege" (seit 1899) und der „Tag für
Denkmalpflege" (seit 1900) als Forum für alle Fragen
und Diskussionen zu denkmalpflegerischen Proble-
men und Aufgaben.81 Wenn auch von den Vertretern
der Denkmalpflege allerorts beklagt wurde, dass die
denkmalpflegerischen Bestimmungen nicht befolgt
wurden,82 so kann man doch auch aus den Äußerun-
gen ablesen, dass die Einrichtung staatlicher Denk-
malpflegebestimmungen und -behörden in Preußen
einen Rückgang der Zuwiderhandlungen mit sich
brachte.
Die Aufhebung der Monarchie 1918 bedeutete für
die Denkmalpflege keinen Umbruch, denn ihre Be-
strebungen waren bereits auf die bürgerliche und
bäuerliche Kultur ausgedehnt und hatten in vielen
Volksschichten Bedeutung erlangt.83 In der Weimarer
Verfassung wurde ein eigener Denkmalschutzartikel
verankert, der durch die Beteiligten des Tags für Denk-
malpflege 1919 in den Grundzügen entwickelt und
der Nationalversammlung vorgeschlagen wurde.84
Spätere Versuche, separate Denkmalschutzgesetze zu
entwickeln, scheiterten sowohl 1926 in der Weimarer
Republik als auch 1937 im Nationalsozialismus.85
Auch nach 1933 blieben die alten Normen zum gro-
ßen Teil bestehen86 und die Zuständigkeiten der
Denkmalpflege weitgehend erhalten. Die Einführung
grundlegender Gesetze gelang nicht, obwohl die
Tagung der Denkmalpfleger auf deren Dringlichkeit
hinwies und unter Adolf Hitler „Denkmalpflege und
Heimatschutz im Wiederaufbau der Nation" im Sinne
„des alle verpflichtenden Willens, die ewigen Werte
deutschen Volkstums zu wahren und die große
Tradition unseres Volkes, seine Geschichte und seine
Kultur in Ehrfurcht zu pflegen",87 einen großen Stel-
lenwert besaßen. Hier hinein gehörten aber nur sol-
che Kulturgüter, die gewaltig genug waren, um als
Prestigeobjekte dienen zu können. Der übrige Denk-
malbestand war den Nationalsozialisten eher gleich-
gültig oder wurde, wie die sogenannten Erzeugnisse
entarteter Kunst „mit blindem Hass verfolgt".88 Der
Nationalsozialismus baute auf der bereits bestehen-
den Begeisterung für Kunst und Kultur auf und sah in
der Denkmalpflege „ein dankbares Gebiet, ... um die
führende Rolle des Deutschtums in der Kunst nachzu-
weisen. ... Die Bewältigung der wirtschaftlichen
Probleme, die Aufrüstung und schließlich der Zweite
Weltkrieg hinderten die Nationalsozialisten an der
Ausführung ihrer eigentlichen Absichten auf dem
Gebiet der Denkmalpflege".89
Einen Eindruck solcher, zum Teil geschichtsverfäl-
schenden, Maßnahmen vermittelt die begonnene
Uminterpretation des Braunschweiger Doms zur nati-
onalen Weihestätte für Heinrich den Löwen (vgl. S.
21.).90 Um die deutsche Kunst entsprechend heraus-
stellen zu können, wurden unter Hitler für die großen
Sakralbauten beträchtliche finanzielle Mittel bereitge-
stellt. Durch die fruchtbare Zusammenarbeit von
Kirchen und Denkmalpflege kam es dabei glücklicher-
weise nicht zu ideologisch fragwürdigen Ergebnis-
sen.91
Kirchliche Verwaltungsbehörden und ihre
denkmalpflegerische Aufgabe
Bis 1866 oblag im Königreich Hannover die kirchliche
Verwaltung dem hannoverschen König und danach
für die preußische Provinz (1866-1918) dem preußi-
schen Monarchen. Letzterer übertrug die Verwaltung
dem Kultusministerium. Hannover schloss sich, wie
die anderen neueren Provinzen Preußens, 1866 nicht
der unierten Kirche Preußens92 an, sondern blieb
eigenständig. Die kirchliche Verwaltung Hannovers
unterstand dem Kultusministerium, die Preußens
direkt dem Monarchen. In Preußen bildete der evan-
gelische Oberkirchenrat die höchste Kirchenbehör-
de,93 während in den neueren Provinzen einzelne
Konsistorien bestanden. In der Provinz Hannover wa-
ren die zunächst selbstständigen evangelischen
Konsistorien, die 1866 zu einem Landeskonsistorium
geeint wurden, auch mit der kirchlichen Bauverwal-
tung befasst. Das Konsistorium war eine kirchliche
Behörde unter landesherrlicher Verwaltung. Sie war
selbstständig tätig, ihre Entscheidungen bedurften
aber der Zustimmung des Königs bzw. des von ihm
beauftragten Kultusministeriums.94 In der Provinz
Hannover gab es ein Landeskonsistorium als oberste
verwaltende Behörde und fünf untergeordnete könig-
liche Konsistorien. Oldenburg, Braunschweig und
Schaumburg-Lippe hatten eigene Kirchenverwal-
tungen, die ebenfalls der landesherrlichen Verwaltung
unterstanden.