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Denkmalpflege in den ehemaligen Ländern Niedersachsens

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Die Bestimmungen der staatlichen Denkmalpflege
wurden demnach, zumindest bezogen auf Meldung
von denkmalpflegerisch relevanten Vorhaben und
Beratung seitens des Denkmalpflegers, befolgt. Dass
dieses Ergebnis nicht unbedingt den realen Verhält-
nissen entspricht, zeigt der zitierte Runderlass von
1903 (vgl. S. 13), der die Pflichten der kirchlichen Be-
hörden am Negativbeispiel der Provinz Hannover ver-
deutlichte.126
Eine direkte Einbindung des Konsistorialbaumeisters
in die Renovierungs- und Restaurierungsmaßnahmen
war nur an einer geringen Zahl der untersuchten
Wandmalereien zu belegen: in die Instandsetzungs-
maßnahmen der Kirche von Isernhagen-Kirchhorst
1898/99 war Konsistorialbaumeister Karl Mohr-
mann127 von Anfang an einbezogen. Er gab Empfeh-
lungen für die Restaurierung auch der Gewölbe-
ausmalung und erstellte abschließend ein Gutachten
zur Bauabnahme.128 In Neustadt-Mandelsloh besich-
tigten der Provinzialkonservator und der Konsisto-
rialbaumeister 1906 gemeinsam die entdeckten
Wandmalereien im Chor und empfahlen Maßnahmen
für die Freilegung und Restaurierung.129 Zu den Wand-
malereien in der Kirche zu Neuenkirchen gab 1905
außer dem Provinzialkonservator auch noch der
Konsistorialbaumeister ein Gutachten ab.130 Den Kir-
chenvorstand von Auetal-Kathrinhagen beriet 1936
der hannoversche Konsistorialbaumeister Friedrich
Fischer bezüglich einer neuen Ofenanlage und eines
geplanten Schornsteineinbaus.'31 Bei den Instandset-
zungsmaßnahmen drei Jahre später hatte Fischer die
Bauleitung.132 Auch über die Restaurierungsmaßnah-
men in der Alten Kirche in Wunstorf-Idensen hatte
Fischer 1930-34 die Leitung. Er war es auch, der für
die Restaurierung der Ausmalung einen Kirchenmaler
beauftragte. Damit setzte er sich über die Empfehlung
des Provinzialkonservators hinweg, der einen anderen
Maler als den Erfahreneren vorgeschlagen hatte.133
Die diesbezüglichen schriftlichen Quellen lassen
erkennen, dass es zwischen Fischer und Provinzial-
konservator Heinrich Siebern Konflikte gab. Siebern
warf Fischer vor, er habe bezüglich der Beauftragung
des Malers eigenmächtig gehandelt. Diese Konflikte
scheinen aber nicht nur die Arbeiten in Idensen
betroffen zu haben, denn nach Meinung Sieberns ver-
suchte Fischer „die Ausübung der Baudenkmalpflege
in Kirchensachen ganz für sich in Anspruch zu neh-
men".134 Der Konflikt wurde nach kurzer Zeit beige-
legt, die Bewertung der Restaurierungsarbeiten durch
Siebern verlief insgesamt positiv.
Die Zusammenarbeit zwischen Provinzialkonservator
und Konsistorialbaumeister betreffend, ist der
erwähnte Fall Idensen der einzige, in dem ein Konflikt
offen ausgetragen wurde. Alle anderen hinzugezoge-
nen Quellen zeigen keinerlei Unstimmigkeiten auf.
Die Absprachen waren insgesamt einvernehmlich
oder es kam überhaupt nicht zu Überschneidungen.

Konflikte zwischen Provinzialkonservatoren und
Kirchengemeinden sind hingegen festzustellen. Im
Rahmen der Wandmalereirestaurierung in der Kirche
zu Auetal-Hattendorf um 1920 hatte sich zwar die
Kirchengemeinde mit der Bitte um Rat an den zustän-
digen hessischen Konservator für den Restaurierungs-
bezirk Kassel135, Alois Holtmeyer, gewandt. Dieser
warf der Kirchengemeinde aber später vor, die
Vorgaben der Denkmalpflege nicht befolgt und statt
der geforderten konservatorischen Maßnahmen eine
nachschöpferische Übermalung durchgeführt zu
haben (vgl. S. 71 ff.). Holtmeyer machte von seinem
Vetorecht Gebrauch und ließ die Arbeiten so lange
unterbrechen, bis die ausstehenden Arbeiten zu sei-
nen Bedingungen fortgesetzt wurden. So auch in
Einbeck 1938: Dort war es zu Umbaumaßnahmen an
der im städtischen Besitz befindlichen Bartholo-
mäuskapelle gekommen. Da der Provinzialkonser-
vator noch keine Stellungnahme abgegeben hatte
und keine Genehmigung des Regierungspräsidenten
vorlag, ließ der Konservator die Arbeiten sistieren.136
Ungewöhnlich klar äußerte sich Provinzialkonservator
Siebern gegenüber dem Regierungspräsidium in
Hannover 1930 mit der Bemerkung, die Kirchenge-
meinden sähen „in der Denkmalpflege mitunter eine
verzögernde, alles besser wissende Instanz, die nach
Möglichkeit ausgeschaltet und umgangen werden
muss".137 Diese Ansicht Sieberns beruhte, seinen
Worten nach zu urteilen, auf einiger Erfahrung.
Provinzialkonservator Reimers hatte bereits 1907 über
zehn Fälle geklagt, in denen die denkmalpflegeri-
schen Bestimmungen im Berichtsjahr 1906/07 nicht
eingehalten worden waren, ohne genauer auf die
Verfehlungen einzugehen.138 Ähnlich wie es Godehard
Hoffmann139 für Restaurierungen im ausgehenden
19. Jahrhundert im Rheinland formulierte, deuten
auch die vorliegenden Quellen in manchen Fällen auf
ein bewusstes Umgehen des Provinzialkonservators
seitens der Kirchengemeinden. Die Quellen belegen
indirekt, dass sich die Kirchengemeinden durchaus
der denkmalpflegerischen Richtlinien und ihrer
Pflichten bewusst, waren, sie aber zugunsten prakti-
scher oder finanzieller Gründe manchmal vernachläs-
sigten.
An den ausgewählten Objekten ließ sich ein bewuss-
tes Umgehen des Provinzialkonservators nur selten
feststellen.
Einige Quellen belegen allerdings, dass Kirchen-
gemeinden tätig wurden ohne den Konservator ein-
zubeziehen. So hatte man in Melle-Oldendorf 1896
bei den Vorbereitungen für einen Neuanstrich der
Wände einige Wandmalereien aufgedeckt und teil-
weise wieder überstrichen. Die Meldung an den
Provinzialkonservator erfolgte aber erst einige Jahre
später. Die Freilegung der Chorgewölbemalerei in
Marklohe wurde 1904 von Seiten der Kirchengemein-
de ohne vorherige Information des Provinzialkonser-
 
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