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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Restaurierungsgeschichte mittelalterlicher Wandmalereien im Gebiet des heutigen Niedersachsen — Petersberg: Imhof, Heft 41.2014

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Zur Freilegungs- und Restaurierungspraxis in Niedersachsen 1899-1939 am Beispiel ausgewählter mittelalterlicher Wandmalereien
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https://doi.org/10.11588/diglit.51159#0073
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Zur Freilegungs- und Restaurierungspraxis in Niedersachsen 1899-1939
am Beispiel ausgewählter mittelalterlicher Wandmalereien

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veränderte aber das Gesamtprogramm der Pfeiler-
figuren, in dem Brustbilder ursprünglich nicht vorge-
sehen waren.
Die verschiedenartige Behandlung figürlicher und
dekorativer Malerei lässt sich auf unterschiedliche
Wertschätzung zurückführen. Ebeling selbst hatte bei
seiner Voruntersuchung die Quadermalerei in der
Ohrdorfer Kirche als unbedeutend eingestuft, sie aber
in Zusammenhang mit der figürlichen Malerei als
erhaltenswert bezeichnet. Diese Differenzierung ist an
einigen Wand- und Gewölbemalereien bereits bei der
Freilegung ablesbar, die bei den figürlichen Darstel-
lungen oft vollständiger ausfiel als bei dekorativer
Malerei. Bei der malerischen Bearbeitung der figürli-
chen Malereien ist in einigen Fällen erkennbar, dass
die Kirchenmaler und Restauratoren den Umfang der
Übermalung abwogen und individuell vom jeweiligen
Erhaltungszustand abhängig machten. Dekorative
Elemente wie Rankenornamentik, geometrische und
florale Ornamente oder Steinimitationen wurden da-
gegen übermalt, wobei es partiell zu Umformungen
und Farbänderungen kam.
Die von Gotta verwendete Methode, Hintergrund-
partien von figürlichen Szenen mit Übermalungen zu
versehen und die Figuren damit silhouettenartig abzu-
setzen, sind vor dem Hintergrund der üblichen zeitge-
nössischen Maßnahmen als Fortschritt zu bewerten,
da so auf die Übermalung der Darstellungen verzich-
tet werden konnte. Vor dem geschlossenen Fond
waren die fragmentarisch erhaltenen figürlichen Dar-
stellungen klarer erkennbar. Dies war vor allem in
Großenwieden erfolgreich, da die Malereien hier stark
reduziert vorlagen und in einigen Bereichen kaum
noch erkennbar waren. Gotta erreichte eine optische
Schließung der unruhigen Oberfläche und eine
Verbesserung der Lesbarkeit der Darstellungen. Er ori-
entierte sich dabei nahe an der bereits 1903 von
Georg Hager vorgestellten Methode (vgl. S. 34 ff.),
die zugunsten des Verzichts auf Übermalung der Dar-
stellungen das „Nachretuschieren des Grundes"457 als
mögliche Lösung betrachtete. Dennoch entbehrt
auch diese Methodik nicht der Kritik. Zum Einen be-
deutete sie einen schweren Eingriff in die Malerei, da
dennoch das Original überarbeitet wurde, wobei es
auch zu farblichen Abweichungen kommen konnte.
Die Maßnahme zeigt auch, dass der Hintergrund-
gestaltung ein geringerer künstlerischer Wert beige-
messen wurde. Zum Anderen wurde der Kontrast zwi-
schen Figuren und Fond künstlich erhöht, was weder
dem ursprünglichen noch einem gealterten Zustand
entspricht. Wenn auch die figürlichen Darstellungen
unverfälscht erhalten bleiben, so wird doch der
Gesamteindruck stark verändert bzw. verfälscht.
Retusche
Restaurierungen, die keine Übermalungen und for-
malen Ergänzungen beinhalteten, sondern sich aus-

schließlich auf die Ausführung von Retuschen be-
schränkten, sind bis 1939 nicht anzutreffen. Auch die
Ausmalung des Turmuntergeschosses der Kirche in
Hannoversch Münden-Lippoldshausen, die 1911
durch Kirchenmaler Bücker aus Hannover restauriert
wurde, ist nicht gänzlich frei von lasierenden Überma-
lungen. Überwiegend führte er aber Retuschen auf
Putzergänzungen und in Fehlstellen der Malerei aus,
wobei er kleinste Fehlstellen unberücksichtigt ließ und
auch solche, die sich optisch einfügten (Abb. 73, 75,
76). Seine Retuschen sind monochrom in einem ton-
abstufenden grau-braunen Farbton gehalten. Sie
bewirken optische Beruhigung und sind von der
ursprünglichen Malerei einwandfrei unterscheidbar.
Obwohl sich seine Retuschen nicht perfekt in die
Malerei einfügen, zeigte Bücker mit dieser Anwen-
dung einer,Neutralretusche'458 ohne eigenen künstle-
rischen Anspruch sehr fortschrittliche Ansätze. Ähnli-
che Beispiele sind in Niedersachsen bis 1939 nicht zu
finden, mit Ausnahme der Wandmalereien der Bar-
tholomäuskapelle in Einbeck, deren Restaurierung
1939 ebenfalls Bücker oblag. Auch hier hat er haupt-
sächlich Retuschen ausgeführt. Sie sind den umge-
benden Farbtönen angeglichen, in der Farbigkeit
jedoch abgeschwächt. Mit ihren recht breiten Pin-
selstrichen und unsauberen Anschlüssen zum Rand
der Fehlstelle wirken sie flüchtig ausgeführt. In gro-
ßen Fehlstellen hat Bücker nur die Randzonen zur
Malerei mit breiten Strichen versehen, um einen Über-
gang zwischen Ergänzung und Originalbestand zu
schaffen. Die übrigen Bereiche der Putzergänzungen
zeigen die Farbigkeit des Putzes.
Die Restaurierung der Wand- und Gewölbemalereien
der Alten Kirche Idensen 1930-34 verzichtete sogar
ganz auf Retuschen (Abb. 84, 85). Der leitende
Architekt Professor Fischer gab 1931 an: „An keiner
Stelle, auch nicht an den Hintergründen der Figuren,
ist irgendwie mit Farbe ausgebessert worden."459
Auch die Putzergänzungen, die sehr umfangreich
ausgefallen waren, wurden nicht eingetönt. Obwohl
der malerische Bestand große Fehlstellen aufwies,
beließ man ihn als authentisches Fragment der mittel-
alterlichen Ausmalung.
Malmaterialien
Die für Ergänzungen und Übermalungen verwende-
ten Farben und Bindemittel fanden nur selten archiva-
lisch Erwähnung. Aus den Vorgaben der Konserva-
toren und leitenden Architekten gehen keine Anga-
ben über die zu verwendenden Malmittel hervor.
Selbst der ausführlich belegte Schriftverkehr zur Res-
taurierung der Malereien in. der Hattendorfer Kirche,
der detaillierte Angaben zur Ausführung der Überma-
lungen enthält, nennt keine Malmaterialien. Offenbar
wurden solche Absprachen mündlich getroffen oder
man ließ den Kirchenmalern bei der Wahl des
Farbsystems freie Hand.
 
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