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Restaurierungsgeschichte mittelalterlicher Gewölbe- und Wandmalereien im Gebiet des heutigen Niedersachsen
Für die rekonstruierende Neuausmalung und Ergän-
zung der Malereien in Braunschweig-Melverode ist
Kalk-Kaseinfarbe belegt. Die Neuausmalung der
Sulinger Kirche wurde laut Rechung Ebelings mit
Kaseinfarben ausgeführt. Für die malerische Überar-
beitung der mittelalterlichen Wandmalereien nennt er
keine Materialien, naheliegend ist aber, dass er dassel-
be Farbsystem verwendete. Archivalien belegen, dass
auch bei der Neuausmalung der Neuenkirchener
Apsis und der Restaurierung der Wand- und Gewöl-
bemalereien im Kirchenschiff Kaseinfarben verwendet
wurden. Für Braunschweig sind für die Konturen stark
verdünnte Kaseinfarbe und für die farbigen Lasuren
„Wasserfarben" genannt. Kirchenmaier Wildt führte
in seinem Kostenvoranschlag zu Kathrinhagen Kalk-
farben auf, mit denen er die Putzergänzungen eintö-
nen wollte. Ob er die farblichen Ergänzungen und
Übermalungen im selben System durchführte, ist
nicht belegt. Die pastellähnliche Farbigkeit spricht für
eine Ausmischung mit Weiß, wobei es sich um
Kalkfarben handeln könnte. Die Farben sind nicht
wasserlöslich und kreiden nicht, was für die Beigabe
eines zusätzlichen Bindemittels spricht. Die Lasuren
auf den Malereien in Wittingen-Ohrdorf sind wasser-
löslich, was auf die Verwendung von stark verdünnten
Kaseinfarben oder Leimfarben hinweisen könnte.
Insgesamt lassen sich die wenigen Nennungen und
Untersuchungsergebnisse zu den Malmaterialien
dahingehend auswerten, dass auf historische Tech-
niken zurückgehende Farbsysteme verwendet wur-
den. Kalk-Kasein war das typische Farbsystem, das
den Maiern die Möglichkeit gab, die ursprünglichen
Materialien und Techniken der Kalk-Secco-Malereien
weitgehend beizubehalten und zugleich eine gewisse
Haltbarkeit und Abriebfestigkeit zu gewährleisten.
Dokumente und Inschriften
zu den Restaurierungen
Zu den Aufgaben der Provinzialkommission zur
Erforschung und Erhaltung der Denkmäler gehörte
die Inventarisation der Denkmäler sowie die Samm-
lung von Fotografien und Planmaterial bei Verände-
rungen von Denkmälern (vgl. S. 10). Die systemati-
sche Erfassung ging jedoch aufgrund der großen
Anzahl von Denkmälern und beschränkter personeller
Kapazitäten langsam vor sich. In den Publikationen
der Provinzialkommission460 sind zwar die denkmal-
pflegerischen Aktivitäten aufgeführt, Restaurierungs-
methoden sind jedoch nur kurz oder gar nicht er-
wähnt. Schriftliche Dokumentationen von Freilegun-
gen und Restaurierungen wurden von den Restaura-
toren nicht gefordert, sie sind weder in den ministe-
riellen Erlassen noch in den Schreiben des Provinzial-
konservators erwähnt.
Vorhandene Restaurierungsberichte der untersuchten
niedersächsischen Objekte sind zahlenmäßig äußerst
gering und inhaltlich wenig gehaltvoll. Der unge-
wöhnlich detaillierte Bericht Leonhard Gunkels über
die Wandmalereiübertragung und -restaurierung in
der Quakenbrücker Sylvesterkirche461 entsprang des-
sen eigener Motivation. Die Publikation seiner Maß-
nahme verfolgte sicher das Ziel der Bekanntmachung
seiner Qualifikation, denn in ihr ist großer Stolz auf
die eigene Leistung erkennbar. Zur fachlichen Infor-
mation ist sie dagegen nur wenig geeignet, denn
Gunkel verzichtete auf Angaben zu den genutzten
Materialien.
Der Oldenburger Kirchenmaler Wilhelm Morisse war
ebenfalls eigeninitiativ darum bemüht, über die von
ihm freigelegten und restaurierten Wand- und Gewöl-
bemalereien zu berichten, wie aus dem Schriftverkehr
mit dem Verein für Altertumskunde und Landesge-
schichte in Oldenburg hervor geht.462 In dessen
Berichten sind mehrere Beiträge von ihm zu finden.463
Hierbei handelt es sich allerdings vornehmlich um die
Beschreibung und teilweise auch die kunsthistorische
Einordnung der entdeckten Malereien. Informationen
über die Restaurierung sind nahezu gar nicht enthal-
ten.
In den meisten Fällen gehen Informationen über Res-
taurierungen nur aus Kostenvoranschlägen und Rech-
nungen bzw. aus kurzen Notizen in den Kirchenchro-
niken und in den Akten des Provinzialkonservators
hervor. Über die einzelnen Maßnahmen ist hieraus
selten etwas zu entnehmen.
Anders als schriftliche Berichte wurden Pläne und
Fotografien durch Ministerialerlasse eingefordert. Mit
den Vorentwürfen und Kostenvoranschlägen waren
fotografische Aufnahmen oder ersatzweise Aufnah-
mezeichnungen des Kirchenraums und der Ausstat-
tungsstücke einzureichen. Ein Runderlass vom 6. Mai
1904 besagt: „Kostenvoranschläge und Entwürfe für
Bauausführungen, in denen es sich um Aufgaben der
Denkmalpflege handelt, sind mit allen zum Verständ-
nisse dieser Vorarbeiten notwendigen Aktenstücken,
Lageplänen und Aufnahmezeichnungen dem Provin-
zial-Konservator zur Begutachtung ... vorzulegen."464
Zeichnungen und Fotografien, die den Zustand vor
und nach einer Restaurierung dokumentierten, sollten
im Denkmalarchiv gesammelt werden.465
Diese Forderungen, die auch für die Freilegung und
Restaurierung von Wandmalereien galt, waren offen-
bar nicht allgemein bekannt oder wurden gar be-
wusst umgangen. Nach der Restaurierung der Chor-
ausmalung in der Kirche zu Neustadt-Mandelsloh
1907 kritisierte der hannoversche Provinzialkonser-
vator Jacobus Reimers in seinem abschließenden Gut-
achten das Versäumnis, von der freigelegten Malerei
Fotografien herzustellen. Damit sei eine wertvolle
kunsthistorische Urkunde verloren gegangen. Er
betonte den denkmalpflegerischen Grundsatz,
Restaurierungsgeschichte mittelalterlicher Gewölbe- und Wandmalereien im Gebiet des heutigen Niedersachsen
Für die rekonstruierende Neuausmalung und Ergän-
zung der Malereien in Braunschweig-Melverode ist
Kalk-Kaseinfarbe belegt. Die Neuausmalung der
Sulinger Kirche wurde laut Rechung Ebelings mit
Kaseinfarben ausgeführt. Für die malerische Überar-
beitung der mittelalterlichen Wandmalereien nennt er
keine Materialien, naheliegend ist aber, dass er dassel-
be Farbsystem verwendete. Archivalien belegen, dass
auch bei der Neuausmalung der Neuenkirchener
Apsis und der Restaurierung der Wand- und Gewöl-
bemalereien im Kirchenschiff Kaseinfarben verwendet
wurden. Für Braunschweig sind für die Konturen stark
verdünnte Kaseinfarbe und für die farbigen Lasuren
„Wasserfarben" genannt. Kirchenmaier Wildt führte
in seinem Kostenvoranschlag zu Kathrinhagen Kalk-
farben auf, mit denen er die Putzergänzungen eintö-
nen wollte. Ob er die farblichen Ergänzungen und
Übermalungen im selben System durchführte, ist
nicht belegt. Die pastellähnliche Farbigkeit spricht für
eine Ausmischung mit Weiß, wobei es sich um
Kalkfarben handeln könnte. Die Farben sind nicht
wasserlöslich und kreiden nicht, was für die Beigabe
eines zusätzlichen Bindemittels spricht. Die Lasuren
auf den Malereien in Wittingen-Ohrdorf sind wasser-
löslich, was auf die Verwendung von stark verdünnten
Kaseinfarben oder Leimfarben hinweisen könnte.
Insgesamt lassen sich die wenigen Nennungen und
Untersuchungsergebnisse zu den Malmaterialien
dahingehend auswerten, dass auf historische Tech-
niken zurückgehende Farbsysteme verwendet wur-
den. Kalk-Kasein war das typische Farbsystem, das
den Maiern die Möglichkeit gab, die ursprünglichen
Materialien und Techniken der Kalk-Secco-Malereien
weitgehend beizubehalten und zugleich eine gewisse
Haltbarkeit und Abriebfestigkeit zu gewährleisten.
Dokumente und Inschriften
zu den Restaurierungen
Zu den Aufgaben der Provinzialkommission zur
Erforschung und Erhaltung der Denkmäler gehörte
die Inventarisation der Denkmäler sowie die Samm-
lung von Fotografien und Planmaterial bei Verände-
rungen von Denkmälern (vgl. S. 10). Die systemati-
sche Erfassung ging jedoch aufgrund der großen
Anzahl von Denkmälern und beschränkter personeller
Kapazitäten langsam vor sich. In den Publikationen
der Provinzialkommission460 sind zwar die denkmal-
pflegerischen Aktivitäten aufgeführt, Restaurierungs-
methoden sind jedoch nur kurz oder gar nicht er-
wähnt. Schriftliche Dokumentationen von Freilegun-
gen und Restaurierungen wurden von den Restaura-
toren nicht gefordert, sie sind weder in den ministe-
riellen Erlassen noch in den Schreiben des Provinzial-
konservators erwähnt.
Vorhandene Restaurierungsberichte der untersuchten
niedersächsischen Objekte sind zahlenmäßig äußerst
gering und inhaltlich wenig gehaltvoll. Der unge-
wöhnlich detaillierte Bericht Leonhard Gunkels über
die Wandmalereiübertragung und -restaurierung in
der Quakenbrücker Sylvesterkirche461 entsprang des-
sen eigener Motivation. Die Publikation seiner Maß-
nahme verfolgte sicher das Ziel der Bekanntmachung
seiner Qualifikation, denn in ihr ist großer Stolz auf
die eigene Leistung erkennbar. Zur fachlichen Infor-
mation ist sie dagegen nur wenig geeignet, denn
Gunkel verzichtete auf Angaben zu den genutzten
Materialien.
Der Oldenburger Kirchenmaler Wilhelm Morisse war
ebenfalls eigeninitiativ darum bemüht, über die von
ihm freigelegten und restaurierten Wand- und Gewöl-
bemalereien zu berichten, wie aus dem Schriftverkehr
mit dem Verein für Altertumskunde und Landesge-
schichte in Oldenburg hervor geht.462 In dessen
Berichten sind mehrere Beiträge von ihm zu finden.463
Hierbei handelt es sich allerdings vornehmlich um die
Beschreibung und teilweise auch die kunsthistorische
Einordnung der entdeckten Malereien. Informationen
über die Restaurierung sind nahezu gar nicht enthal-
ten.
In den meisten Fällen gehen Informationen über Res-
taurierungen nur aus Kostenvoranschlägen und Rech-
nungen bzw. aus kurzen Notizen in den Kirchenchro-
niken und in den Akten des Provinzialkonservators
hervor. Über die einzelnen Maßnahmen ist hieraus
selten etwas zu entnehmen.
Anders als schriftliche Berichte wurden Pläne und
Fotografien durch Ministerialerlasse eingefordert. Mit
den Vorentwürfen und Kostenvoranschlägen waren
fotografische Aufnahmen oder ersatzweise Aufnah-
mezeichnungen des Kirchenraums und der Ausstat-
tungsstücke einzureichen. Ein Runderlass vom 6. Mai
1904 besagt: „Kostenvoranschläge und Entwürfe für
Bauausführungen, in denen es sich um Aufgaben der
Denkmalpflege handelt, sind mit allen zum Verständ-
nisse dieser Vorarbeiten notwendigen Aktenstücken,
Lageplänen und Aufnahmezeichnungen dem Provin-
zial-Konservator zur Begutachtung ... vorzulegen."464
Zeichnungen und Fotografien, die den Zustand vor
und nach einer Restaurierung dokumentierten, sollten
im Denkmalarchiv gesammelt werden.465
Diese Forderungen, die auch für die Freilegung und
Restaurierung von Wandmalereien galt, waren offen-
bar nicht allgemein bekannt oder wurden gar be-
wusst umgangen. Nach der Restaurierung der Chor-
ausmalung in der Kirche zu Neustadt-Mandelsloh
1907 kritisierte der hannoversche Provinzialkonser-
vator Jacobus Reimers in seinem abschließenden Gut-
achten das Versäumnis, von der freigelegten Malerei
Fotografien herzustellen. Damit sei eine wertvolle
kunsthistorische Urkunde verloren gegangen. Er
betonte den denkmalpflegerischen Grundsatz,