Überregionale Einordnung der niedersächsischen Restaurierungspraxis
83
Wandmalereien kopiert. Clemen betrachtete beson-
ders Wandmalereien als „vom Untergang geweiht"
und wollte sie auf diese Weise bewahrt und doku-
mentiert wissen.538
Ob über dieses persönliche Engagement hinaus der
ministerielle Erlass in den preußischen Ländern
befolgt wurde, ist fraglich. Während beispielsweise in
Sachsen-Anhalt,539 Rheinhessen und Westfalen zahl-
reiche Kopien vorliegen, findet man in der Pfalz, ähn-
lich wie in Niedersachsen, wenig derartige Arbeiten.540
Leider lässt sich anhand der Schriftquellen nicht nach-
weisen, ob solche Arbeiten in Niedersachsen angefer-
tigt wurden, da darüber nur selten Rechnungen oder
anderer Schriftverkehr vorliegen. Im Planarchiv des
Denkmalamtes liegen für einen kleinen Teil der ausge-
wählten Wandmalereien sehr umfangreiche Skizzen,
Pläne und Pausen vor, in den meisten Fällen fiel die
Suche jedoch negativ aus. Denkbar ist jedoch, dass
ehemals vorhandene Pausen heute nicht mehr existie-
ren. Da das Planarchiv des Denkmalamtes einige
Pläne, Zeichnungen und Pausen aus dem bearbeite-
ten Zeitraum beinhaltet, können großflächige Zerstö-
rungen wie Wasserschäden oder Brände aber ausge-
schlossen werden. Vielmehr erscheint die Annahme,
dass die Konservatoren es versäumten, diese Arbeiten
nachdrücklich einzufordern, plausibel. Dafür spricht
auch, dass Provinzialkonservator Reimers 1906
gegenüber dem Landesdirektorium darauf aufmerk-
sam machte, dass entgegen dem Runderlass von
1904 noch keine Zeichnungen und Fotos im Denk-
malarchiv eingegangen seien, während dies in ande-
ren Provinzen schon zahlreich geschehen sei.541
Am Beispiel des Kirchenmalers Ebeling, dessen restau-
ratorische Arbeiten in Niedersachsen die größte
Quantität aufweisen, lässt sich belegen, dass er in
anderen Regionen seiner Pflicht, von den freigelegten
Malereien Pausen anzufertigen und diese beim Pro-
vinzialkonservator abzuliefern, ausgesprochen regel-
mäßig nachkam. In Sachsen-Anhalt hat er Pausen von
freigelegten Malereien in der Quedlinburger Krypta
angefertigt542 und in Westfalen, wo seine Tätigkeit
ebenfalls zahlreich nachzuweisen ist, gibt es kaum
eine Malerei, die er nach der Freilegung nicht kopier-
te.543 Zu den in dieser Arbeit erwähnten, von Ebeling
bearbeiteten Malereien in Niedersachsen liegen hin-
gegen keine Pausen vor.
Der Oldenburger Kirchenmaler Wilhelm Morisse fer-
tigte nach erfolgter Freilegung von Wandmalereien
Aquarellkopien an. Diese Kopien finden sich in Aus-
zügen in den Denkmalinventarbänden des Herzog-
tums Oldenburg. Einige wurden auch durch Borr-
mann veröffentlicht.544 Diese Pausen liegen jedoch
nicht in den kirchlichen und staatlichen Archiven vor,
sondern verblieben offenbar im Privatbesitz Morisses
und sind heute in seinem Nachlass erhalten.545
Reinigung
Über Reinigungsmaßnahmen sind in den Quellen sel-
ten genauere Angaben zu finden. Zwar gibt es einige
Anleitungen über die trockene Reinigung mit Brot, die
schon von Berger 1909 und auch noch von Doerner
seit 1921 und Wehlte 1967 empfohlen wurde, von der
feuchten Reinigung wurde hingegen abgeraten,
wenn es sich nicht um Freskomalereien handelte.546
Dennoch kam es auch bei Kalkmalereien zum Ab-
waschen von Wänden nach der Freilegung. Archi-
valisch belegt ist eine solche Maßnahme für die
Restaurierung im Chorraum der Kirche in Hanno-
versch Münden-Lippoldshausen. Auch in Quellen an-
derer Bundesländer sind keine Auskünfte über die
Reinigungsmethoden zu finden. Einstimmig abge-
lehnt wird die Verwendung von verdünnter Salzsäure,
um aufliegende Kalkschleier zu entfernen (vgl. S. 38 ff.).
Da in der gesamten Literatur bis zu Wehlte 1967 vor
deren Einsatz gewarnt wird, ist jedoch anzunehmen,
dass diese Methode in der Praxis gebräuchlich war.547
Putzergänzungen
Ebenfalls rar sind Angaben über Putzergänzungen
und Schließungen von Rissen. Diese Routinearbeiten
fanden auch in den selten aufgestellten Restaurie-
rungsberichten kaum Erwähnung.548
In Niedersachsen wurde von denkmalpflegerischer
Seite die Nutzung von Kalkmörtel empfohlen, wenn
Putzergänzungen überhaupt zur Sprache kamen.549
Zwar konnte durch die restauratorische Untersuchung
ein Zementzusatz zum Mörtel an den verschiedenen
Objekten nicht ausgeschlossen werden, reine Zement-
mörtel kamen aber demnach nicht zur Anwendung.
In Bayern wurden kleinere Putzergänzungen mit Kalk-
mörtel unter Zusatz von Gips ausgeführt, auch im
Bodenseeraum war der Einsatz von gipshaltigen
Kittmassen üblich.550 Kurz nach 1900 stand diese
Praxis mit den Ansätzen Hagers in Einklang. Dieser riet
für die Verfüllung von größeren Rissen und Ausbrü-
chen sogar zur Verwendung von Zement, wobei dar-
auf geachtet werden müsse, dass dieser nicht bis an
die Oberfläche gelange.551 Das Schadenspotential von
Zement und seine chemischen Wirkungszusammen-
hänge waren demnach noch nicht erkannt.
Die untersuchten Wandmalereien belegen, dass in
Niedersachsen seit den 1930er Jahren Wert darauf
gelegt wurde, Ergänzungen in Zusammensetzung
und Oberfläche dem historischen Material anzupas-
sen. Vorher wurden die Ergänzungen meistens ohne
Anpassung an den mittelalterlichen Mörtel und zum
Teil recht unsauber angetragen. Auch andernorts
scheint die Abstimmung des Mörtels auf den Bestand
eine neuere Entwicklung. Obwohl Hager schon 1903
betonte, dass die Oberfläche des Ergänzungsmörtels
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Wandmalereien kopiert. Clemen betrachtete beson-
ders Wandmalereien als „vom Untergang geweiht"
und wollte sie auf diese Weise bewahrt und doku-
mentiert wissen.538
Ob über dieses persönliche Engagement hinaus der
ministerielle Erlass in den preußischen Ländern
befolgt wurde, ist fraglich. Während beispielsweise in
Sachsen-Anhalt,539 Rheinhessen und Westfalen zahl-
reiche Kopien vorliegen, findet man in der Pfalz, ähn-
lich wie in Niedersachsen, wenig derartige Arbeiten.540
Leider lässt sich anhand der Schriftquellen nicht nach-
weisen, ob solche Arbeiten in Niedersachsen angefer-
tigt wurden, da darüber nur selten Rechnungen oder
anderer Schriftverkehr vorliegen. Im Planarchiv des
Denkmalamtes liegen für einen kleinen Teil der ausge-
wählten Wandmalereien sehr umfangreiche Skizzen,
Pläne und Pausen vor, in den meisten Fällen fiel die
Suche jedoch negativ aus. Denkbar ist jedoch, dass
ehemals vorhandene Pausen heute nicht mehr existie-
ren. Da das Planarchiv des Denkmalamtes einige
Pläne, Zeichnungen und Pausen aus dem bearbeite-
ten Zeitraum beinhaltet, können großflächige Zerstö-
rungen wie Wasserschäden oder Brände aber ausge-
schlossen werden. Vielmehr erscheint die Annahme,
dass die Konservatoren es versäumten, diese Arbeiten
nachdrücklich einzufordern, plausibel. Dafür spricht
auch, dass Provinzialkonservator Reimers 1906
gegenüber dem Landesdirektorium darauf aufmerk-
sam machte, dass entgegen dem Runderlass von
1904 noch keine Zeichnungen und Fotos im Denk-
malarchiv eingegangen seien, während dies in ande-
ren Provinzen schon zahlreich geschehen sei.541
Am Beispiel des Kirchenmalers Ebeling, dessen restau-
ratorische Arbeiten in Niedersachsen die größte
Quantität aufweisen, lässt sich belegen, dass er in
anderen Regionen seiner Pflicht, von den freigelegten
Malereien Pausen anzufertigen und diese beim Pro-
vinzialkonservator abzuliefern, ausgesprochen regel-
mäßig nachkam. In Sachsen-Anhalt hat er Pausen von
freigelegten Malereien in der Quedlinburger Krypta
angefertigt542 und in Westfalen, wo seine Tätigkeit
ebenfalls zahlreich nachzuweisen ist, gibt es kaum
eine Malerei, die er nach der Freilegung nicht kopier-
te.543 Zu den in dieser Arbeit erwähnten, von Ebeling
bearbeiteten Malereien in Niedersachsen liegen hin-
gegen keine Pausen vor.
Der Oldenburger Kirchenmaler Wilhelm Morisse fer-
tigte nach erfolgter Freilegung von Wandmalereien
Aquarellkopien an. Diese Kopien finden sich in Aus-
zügen in den Denkmalinventarbänden des Herzog-
tums Oldenburg. Einige wurden auch durch Borr-
mann veröffentlicht.544 Diese Pausen liegen jedoch
nicht in den kirchlichen und staatlichen Archiven vor,
sondern verblieben offenbar im Privatbesitz Morisses
und sind heute in seinem Nachlass erhalten.545
Reinigung
Über Reinigungsmaßnahmen sind in den Quellen sel-
ten genauere Angaben zu finden. Zwar gibt es einige
Anleitungen über die trockene Reinigung mit Brot, die
schon von Berger 1909 und auch noch von Doerner
seit 1921 und Wehlte 1967 empfohlen wurde, von der
feuchten Reinigung wurde hingegen abgeraten,
wenn es sich nicht um Freskomalereien handelte.546
Dennoch kam es auch bei Kalkmalereien zum Ab-
waschen von Wänden nach der Freilegung. Archi-
valisch belegt ist eine solche Maßnahme für die
Restaurierung im Chorraum der Kirche in Hanno-
versch Münden-Lippoldshausen. Auch in Quellen an-
derer Bundesländer sind keine Auskünfte über die
Reinigungsmethoden zu finden. Einstimmig abge-
lehnt wird die Verwendung von verdünnter Salzsäure,
um aufliegende Kalkschleier zu entfernen (vgl. S. 38 ff.).
Da in der gesamten Literatur bis zu Wehlte 1967 vor
deren Einsatz gewarnt wird, ist jedoch anzunehmen,
dass diese Methode in der Praxis gebräuchlich war.547
Putzergänzungen
Ebenfalls rar sind Angaben über Putzergänzungen
und Schließungen von Rissen. Diese Routinearbeiten
fanden auch in den selten aufgestellten Restaurie-
rungsberichten kaum Erwähnung.548
In Niedersachsen wurde von denkmalpflegerischer
Seite die Nutzung von Kalkmörtel empfohlen, wenn
Putzergänzungen überhaupt zur Sprache kamen.549
Zwar konnte durch die restauratorische Untersuchung
ein Zementzusatz zum Mörtel an den verschiedenen
Objekten nicht ausgeschlossen werden, reine Zement-
mörtel kamen aber demnach nicht zur Anwendung.
In Bayern wurden kleinere Putzergänzungen mit Kalk-
mörtel unter Zusatz von Gips ausgeführt, auch im
Bodenseeraum war der Einsatz von gipshaltigen
Kittmassen üblich.550 Kurz nach 1900 stand diese
Praxis mit den Ansätzen Hagers in Einklang. Dieser riet
für die Verfüllung von größeren Rissen und Ausbrü-
chen sogar zur Verwendung von Zement, wobei dar-
auf geachtet werden müsse, dass dieser nicht bis an
die Oberfläche gelange.551 Das Schadenspotential von
Zement und seine chemischen Wirkungszusammen-
hänge waren demnach noch nicht erkannt.
Die untersuchten Wandmalereien belegen, dass in
Niedersachsen seit den 1930er Jahren Wert darauf
gelegt wurde, Ergänzungen in Zusammensetzung
und Oberfläche dem historischen Material anzupas-
sen. Vorher wurden die Ergänzungen meistens ohne
Anpassung an den mittelalterlichen Mörtel und zum
Teil recht unsauber angetragen. Auch andernorts
scheint die Abstimmung des Mörtels auf den Bestand
eine neuere Entwicklung. Obwohl Hager schon 1903
betonte, dass die Oberfläche des Ergänzungsmörtels