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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Restaurierungsgeschichte mittelalterlicher Wandmalereien im Gebiet des heutigen Niedersachsen — Petersberg: Imhof, Heft 41.2014

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Überregionale Einordnung der niedersächsischen Restaurierungspraxis
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https://doi.org/10.11588/diglit.51159#0095
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Überregionale Einordnung der niedersächsischen Restaurierungspraxis

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eine vereinfachende Rekonstruktion der Ornamentik
vorgenommen, die aber der ursprünglichen puristi-
schen Zielsetzung Ohles und Leuschs ... nur bedingt
nachkam."615
Durch Leusch selbst wurden aber auch zu dieser Zeit
noch unter „besonderen Umständen, nämlich bei der
Forderung nach der Funktionalität von Kunstobjekten,
unter dem Gesichtspunkt von deren größtmöglichster
Geschlossenheit"515 vervollständigende Maßnahmen
vorgenommen.
Im bayerischen Prüfening wurden Teile der Wandma-
lereien in der Klosterkirche schon 1915/16 rein kon-
servatorisch behandelt.617 Es erfolgten weder Überma-
lungen noch Retuschen. Spätestens seit den 1920er
Jahren wurden Wandmalereirestaurierungen in Bay-
ern konsequenter nach konservatorischen Grundsät-
zen durchgeführt. Die Maßnahmen fanden vermehrt
unter Beteiligung der Konservatoren des Denkmal-
amts statt,618 was die Einhaltung der denkmalpflegeri-
schen Richtlinien einfacher gestaltete. Von Künstlern
der Akademie gab es vielfach Beschwerden gegen
dieses Vorgehen, sie fühlten sich nicht ausreichend
beteiligt. Hager wies diese Beschwerden jedoch
zurück und merkte an, dass „Kirchen und Baudenk-
mäler doch nicht zu Experimenten für noch unfertige,
in Ausbildung begriffene Kunstjünger" da seien.619
In der Weißenburger Karmeliterkirche wurde 1928
unter Haggenmiller eine Darstellung des ,Volto Santo'
freigelegt und konserviert, wobei die denkmalpflege-
rischen Theorien konsequent umgesetzt wurden. Die
Maßnahme führte zu keinerlei Verfälschung des frei-
gelegten Bestands.620
Nach den Beispielen Löfflers aus Baden-Württemberg
zu urteilen, wurden dort im Laufe der 1920er Jahre
Retuschen und damit der Verzicht auf Übermalungen
üblicher. 1923 wurde bei der Restaurierung der
Wandmalereien in der evangelische Filialkirche zu
Weissbach, Kreis Künzelsau, „im Sinne moderner
Denkmalpflege auf jede Ergänzung verzichtet".621
1926-28 erfolgte die Restaurierung einer Christo-
phorusdarstellung in der Alexanderkirche zu Mar-
bach/Neckar, bei der Fehlstellen in der figürlichen
Darstellung im Lokalton retuschiert wurden, während
der Hintergrund lasierend überarbeitet wurde.622
Bezüglich der Restaurierung der Wandmalereien im
Kreuzgang des Klosters Blaubeuren erging 1930 die
Anweisung, „daß die Fehlstellen nur mit dem Lokal-
ton gedeckt werden, daß nirgends eine Ergänzung
durch Zeichnung oder neuen Entwurf erfolgt. Also
auch keine Umrißlinien zeichnen, die nicht da sind.
Alte, fast verwischte Umrisse dürfen nicht nachgezo-
gen werden".523
Diese Maßnahmen weisen auf fortschrittliche Ten-
denzen in der praktischen Restaurierung Baden-
Württembergs. Von einem grundsätzlichen Verzicht
auf Übermalungen konnte aber auch in den 1930er
Jahren noch nicht die Rede sein. Die Ausmalung der

ehemaligen Stiftskirche in Limburg an der Lahn wurde
1934/35, nachdem alte Übermalungen entfernt wor-
den waren, erneut mit Übermalungen versehen.624
Am dortigen Malereibestand waren schon seit dem
18. Jahrhundert wiederholt Übermalungen ausge-
führt und abgenommen worden, so dass sich vermut-
lich nach der Reduzierung der Übermalungen 1934
ein äußerst fragmentarischer Zustand ergeben hatte,
der durch neue Übermalungen optisch eingestimmt
werden musste.
Anhand der aufgeführten Beispiele lässt sich folgern,
dass die Umsetzung der denkmalpflegerischen Theo-
rien in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen-
Anhalt etwas früher erfolgte als in anderen Ländern
und Provinzen. Besonders für Bayern wurde deutlich,
dass die enge Zusammenarbeit von Generalkon-
servatorium und Konservatoren dafür förderlich war.
Abschließende Überzüge
Wandmalereien mit Überzügen zu versehen, hatte
bereits vor dem 20. Jahrhundert Tradition625 und
erfreute sich noch lange Zeit großer Beliebtheit.626
Wolters und Taubert stellten 1957 fest: „Es gibt genü-
gend Beispiele für Fehlbehandlungen aus den letzten
150 Jahren, bei denen versucht wurde, durch Trän-
kungen oder durch Überzüge mit optisch wirksamen
Medien diese Nachteile [Schleier auf der Wandober-
fläche, unter anderem durch Fixierungsmittel hervor-
gerufen, Anm. d. Verf.] zu beheben."627
Abschließende Überzüge wurden im frühen 20. Jahr-
hundert als Schutzmaßnahme vor Umwelteinflüssen
und Verwitterung auch von renommierten Denkmal-
pflegern wie Hager empfohlen,628 hatten aber mindes-
tens ebenso das Ziel, die meist reduzierten Malereien
wieder mit Tiefenwirkung zu versehen und verblasste
Farbtöne zu verstärken.629 Benannt wurde diese Tat-
sache beispielsweise durch den Kunstmaler Rittsche,
der auf die Wandmalereien in der Burg Kriebstein in
Sachsen eine Wachs-Harz-Terpentinlösung auftrug,
welches, wie er selbst sagte, „die aufgedeckten Male-
reien einigermaßen gut sichtbar machen sollte".630
Seit den 1920er Jahren rieten Naturwissenschaftler
und Maltechniker von Oberflächen verdichtenden
und vergilbenden Überzügen ab631, was aber in der
Praxis nicht zum Verzicht führte. Das übliche Material
für Schutzüberzüge war Wachs. Wachsüberzüge
kamen in verschiedenen Regionen über einen langen
Zeitraum zur Anwendung.632 Sie sind jedoch durch
Bindemittelabbau oder spätere Entfernung häufig
nicht mehr nachzuweisen. Einige Beispiele sind den-
noch belegt. Stellvertretend sei eine Maßnahme an
der Ausmalung der Krypta der Andreaskirche in
Fulda-Neuenberg von 1932 angeführt. Sie wurde mit
einem Wachsüberzug versehen, der bereits sechs
Jahre später krepiert war und Vergrauungserschei-
 
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