Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
90

Restaurierungsgeschichte mittelalterlicher Gewölbe- und Wandmalereien im Gebiet des heutigen Niedersachsen

nungen zeigte und daher 1938 wieder entfernt
wurde.533
In der Krypta der Quedlinburger Stiftskirche wurde
1934 eine Darstellung nahe des Eingangs zum Schutz
gegen Feuchtigkeit gefirnisst.634
An den niedersächsischen Beispielen konnten Überzü-
ge kaum nachgewiesen werden. Nur im Braunschwei-
ger Dom arbeitete man 1939 mit einem abschließen-
den Überzug aus Bienenwachslösung.
Was sich heute in Niedersachsen als sehr begrüßens-
werter Verzicht herausgestellt hat, da Verbräunun-
gen, vermehrte Verschmutzungen durch elektrostati-
sche Eigenschaften der Wachse und eine Verminde-
rung der Wasserdampfdurchlässigkeit des Wandge-
füges ausblieben, hatte zwischen 1900 und 1939 ver-
mutlich keinen vorausschauenden und schadensver-
mindernden Charakter. Vielmehr ist davon auszuge-
hen, dass man sich auch in Niedersachsen an allge-
mein übliche und empfohlene Mittel angepasst hätte.
Daher kann man vermuten, dass den Kirchenmalern
die Verwendung von Wachs als Überzug für Wand-
malereien nicht geläufig war, da sie nach traditionel-
len Methoden arbeiteten und daher auch nur die her-
kömmlichen Materialien für Architekturoberflächen
zur Anwendung kamen bzw. dass sie die Notwen-
digkeit für Schutzüberzüge nicht sahen, wenn sich die
Wandmalereien in Innenräumen befanden.

Resümee
Der Vergleich der Restaurierungspraxis Niedersach-
sens mit anderen Regionen kann nur Tendenzen auf-
zeigen, da nicht für alle Gebiete so ausgedehnte
Erfassungen und Vergleiche vorliegen wie mit dieser
Arbeit für Niedersachsen. Die Auswahl der Vergleichs-
beispiele konnte daher nur exemplarisch erfolgen.
Die niedersächsischen Konservatoren zeigten in der
Fachöffentlichkeit eher zurückhaltende Präsenz.
Anders als beispielsweise ihre Kollegen Gurlitt in
Sachsen oder Clemen im Rheinland beschränkten sie
sich weitgehend auf ihre lokalen Aufgaben. Der
Einfluss der Konservatoren auf die Ergebnisse von
Restaurierungen ist hingegen in allen Regionen ähn-
lich. Sie zeigten Engagement, konnten aber aufgrund
unzureichender Kapazitäten nicht die kontinuierliche
Betreuung aller Maßnahmen gewährleisten. Auch
dort, wo sie gezielt Einfluss nahmen, konnten sie sich
mit ihren konservatorisch geprägten Vorstellungen
nicht immer durchsetzen.

Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit der Denkmal-
pfleger mit Naturwissenschaftlern konnte in Nieder-
sachsen bis 1930 nicht beobachtet werden. Damit
hatte Niedersachsen keine Sonderstellung in Preußen,
aber der Vergleich zu Sachsen-Anhalt und Sachsen
zeigt, dass eine solche Zusammenarbeit dort schon
nach dem Ersten Weltkrieg einsetzte. Eine diesbezüg-
liche Vorreiterstellung besaß Bayern, wo die staatliche
Denkmalpflege schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts
naturwissenschaftliche Unterstützung erhielt.
Ein Vergleich der denkmalpflegerischen Theorien mit
der restauratorischen Praxis zeigt Diskrepanzen bzw.
zeitliche Verzögerungen. Bis 1910 hatten sich die
konservatorischen Ansätze noch nicht grundlegend
gegen die vorherrschenden Restaurierungsgepflogen-
heiten durchgesetzt.
Die Betrachtung der Restaurierungsmethoden er-
brachte keine grundlegenden Unterschiede. Die
Freilegungstechniken und die damit einhergehenden
Schäden an den Wandmalereien scheinen identisch
gewesen zu sein. Für Putzergänzungen und Hinter-
füllungen konnte vor allem in Süddeutschland viel-
fach die Verwendung von gipshaltigen Mörteln fest-
gestellt werden, eine Häufung, die andernorts nicht
auftritt. Als Festigungsmittel fanden pflanzliche und
tierische Leime die meiste Verwendung, wobei Kasein
insgesamt das gebräuchlichste Material war. Wasser-
glasanwendungen sind in Bayern häufig nachzuwei-
sen, in anderen Regionen dagegen äußerst selten.
Bei Ergänzungen und Retuschen sind die Tendenzen
in allen Regionen ähnlich ausgeprägt. Klare Wende-
punkte lassen sich nicht fixieren, die verschiedenen
Veränderungen und die durch den Zeitgeschmack
geprägten Moden gingen ineinander über. Ähnlich
wie in Niedersachsen sind auch in Sachsen-Anhalt,
Hessen und Baden-Württemberg schon vor dem Ers-
ten Weltkrieg puristische Ansätze feststellbar, womit
diese Regionen aber vermutlich nicht allein stehen. In
allen Fällen handelte es sich, auch hier übereinstim-
mend mit Niedersachsen, um Restaurierungen von
Wandmalereien in Räumen ohne liturgische Nutzung,
wie Nebenräume von Kirchen oder Kirchen, die nicht
mehr als solche fungierten. In Bayern und Baden-
Württemberg wurden seit den 1920er Jahren puristi-
sche Konzepte konsequenter umgesetzt. Von einem
grundsätzlichen Verzicht auf Übermalungen konnte
aber auch dort nicht die Rede sein.
 
Annotationen