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ERNST PFUHL
verbrannten die Theräer alle ihre Toten1, und zwar auf gros-
sen, offenbar gemeinsamen Verbrennungsplätzen. Während der
Verbrennung spendeten sie und brachten Opfer dar, sicher
unblutige, wahrscheinlich auch blutige; sie sprengten Salböl
über die Gebeine und löschten den Scheiterhaufen vermutlich
mit Wein. Die Knochen wurden sorgfältig gesammelt und in
ein Gewand gehüllt; als Urne diente meist ein Thongefäss, bis-
weilen eine bronzene φιάλη oder eine steinerne λάρναξ; in letz-
teren allein fanden sich stets die Gebeine mehrerer Toten. All
diese Gebräuche ähneln sehr den homerischen, zumal den in
den ältesten Teilen des Epos beschriebenen. Die Urne wurde
wenigstens am Messavuno regelmässig in gemauerten Familien-
gräbern beigesetzt, ausgestattet mit Beigaben alles dessen, was
der Tote brauchen und wünschen konnte, aber vorwiegend
mit dem Nötigsten: mit Speise, Trank und Salben. Schon vor
der Beisetzung wurden nach alter Sitte blutige Opfer darge-
bracht und verbrannt, teils im Grabe selbst, teils in besonderen
Opfergruben2. Opfer unmittelbar nach der Beisetzung sind
ebenfalls beobachtet worden; spätere Brandopfer sind aus den
Funden nicht zu erweisen, können aber sehr wohl stattgefun-
den haben ; denn dass der Cultus am Grabe fortdauerte, lehren
Dragendorffs Funde, zumal die Opfertischchen. Die Opfer um-
fassten Vieh, Wild, Früchte und wohl auch andere Lebens-
mittel wie Gebäck und Käse, dazu kam die Spende und das
Salböl, das man in die Flammen goss; spät und vereinzelt
tritt auch das Räuchern auf. Ferner verbrannte man auch Bei-
gaben aller Art, wie man sie sonst in die Gräber legte ; man
liess sie in den Gruben liegen, während man andererseits gele-
gentlich Opferreste daraus entnahm und zu den Urnen schüt-
1 Mit Recht lehnt Dragendorff ab, aus dem Befunde des Schiffschen Grabes
Schlüsse zu ziehen. Die am Messavuno gewonnenen Erfahrungen ermöglichen,
aus Schiffs sorgfältigem Ausgrabungsberichte zu erkennen, dass das Grab zerstört
und durchwühlt worden ist. Die Urnen hat man fortgenommen und zum Teil
ausgeschüttet; die als klein bezeichneten unverbrannten Knochen werden von
Kindergerippen stammen.
2 Reste solcher Opfer sind anderwärts mehrfach nachgewiesen, so in Samos
(Böhlau S. 25, 33), in Eleusis (Skias Έφ. άρχ. 1898 S.113 f.) und in Italien,
z. B. in Vetulonia (Falchi Vetulonia S. 35).
ERNST PFUHL
verbrannten die Theräer alle ihre Toten1, und zwar auf gros-
sen, offenbar gemeinsamen Verbrennungsplätzen. Während der
Verbrennung spendeten sie und brachten Opfer dar, sicher
unblutige, wahrscheinlich auch blutige; sie sprengten Salböl
über die Gebeine und löschten den Scheiterhaufen vermutlich
mit Wein. Die Knochen wurden sorgfältig gesammelt und in
ein Gewand gehüllt; als Urne diente meist ein Thongefäss, bis-
weilen eine bronzene φιάλη oder eine steinerne λάρναξ; in letz-
teren allein fanden sich stets die Gebeine mehrerer Toten. All
diese Gebräuche ähneln sehr den homerischen, zumal den in
den ältesten Teilen des Epos beschriebenen. Die Urne wurde
wenigstens am Messavuno regelmässig in gemauerten Familien-
gräbern beigesetzt, ausgestattet mit Beigaben alles dessen, was
der Tote brauchen und wünschen konnte, aber vorwiegend
mit dem Nötigsten: mit Speise, Trank und Salben. Schon vor
der Beisetzung wurden nach alter Sitte blutige Opfer darge-
bracht und verbrannt, teils im Grabe selbst, teils in besonderen
Opfergruben2. Opfer unmittelbar nach der Beisetzung sind
ebenfalls beobachtet worden; spätere Brandopfer sind aus den
Funden nicht zu erweisen, können aber sehr wohl stattgefun-
den haben ; denn dass der Cultus am Grabe fortdauerte, lehren
Dragendorffs Funde, zumal die Opfertischchen. Die Opfer um-
fassten Vieh, Wild, Früchte und wohl auch andere Lebens-
mittel wie Gebäck und Käse, dazu kam die Spende und das
Salböl, das man in die Flammen goss; spät und vereinzelt
tritt auch das Räuchern auf. Ferner verbrannte man auch Bei-
gaben aller Art, wie man sie sonst in die Gräber legte ; man
liess sie in den Gruben liegen, während man andererseits gele-
gentlich Opferreste daraus entnahm und zu den Urnen schüt-
1 Mit Recht lehnt Dragendorff ab, aus dem Befunde des Schiffschen Grabes
Schlüsse zu ziehen. Die am Messavuno gewonnenen Erfahrungen ermöglichen,
aus Schiffs sorgfältigem Ausgrabungsberichte zu erkennen, dass das Grab zerstört
und durchwühlt worden ist. Die Urnen hat man fortgenommen und zum Teil
ausgeschüttet; die als klein bezeichneten unverbrannten Knochen werden von
Kindergerippen stammen.
2 Reste solcher Opfer sind anderwärts mehrfach nachgewiesen, so in Samos
(Böhlau S. 25, 33), in Eleusis (Skias Έφ. άρχ. 1898 S.113 f.) und in Italien,
z. B. in Vetulonia (Falchi Vetulonia S. 35).