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DIE GRIECHISCHE BÜHNE

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werden. Aus diesem Grunde nehmen auch alle Forscher, die
über das griechische Theater geschrieben haben, wie z. B.
F. Wieseler, A. Müller, C. Robert, E. Bethe, A. Haigh und
J. W. White, für die ältere Zeit ein von dem vitruvischen Typus
mehr oder minder abweichendes Theater an. Der Eine von
ihnen macht die Bühne niedriger als Vitruv vorschreibt, ein
Anderer erbaut ein Gerüst (Thymele) in der Orchestra und
vermindert so die - Flöhe der Bühne, ein Dritter streicht die
Bühne ganz. Puchstein ist meines Wissens der Einzige, der
das durch die alten Dramen gesicherte Zusammenspielen von
Schauspieler und Chor für bedeutungslos erklärt und alle grie-
chischen Theater grundsätzlich nach den Vorschriften Vitruvs
ergänzt.
Die Missachtung der älteren Literatur und die Überschät-
zung der Angaben Vitruvs wird verschlimmert durch eine un-
richtige Ergänzung und Deutung der erhaltenen Ruinen. Puch-
stein ergänzt die Theatergebäude nicht so wie es die vorhan-
denen Mauern und Bauglieder verlangen, sondern er setzt die
griechische Skene Vitruvs einfach oben auf die erhaltenen Teile
der griechischen Theater hinauf, unbekümmert darum, ob die
Ruinen einen solchen Aufbau vertragen oder sogar laut dage-
gen protestieren. Was von den griechischen Skenengebäuden
erhalten ist, soll nur den Unterbau für einen überall verschwun-
denen Skenenbau vitruvischer Art gebildet haben. Auf diese
Weise.schafft er einen neuen Theatertypus, von dessen beiden
Obergeschossen, wie ich aufs bestimmteste versichern kann, in
keiner der zahlreichen hellenistischen Theaterruinen auch nur
ein einziger der charakteristischen Steine wirklich gefunden ist.
Im Gegenteil sind in mehreren dieser Theater antike Mauern
und Steine erhalten, welche die vorgeschlagene Rekonstruktion
direkt verbieten ! Wir werden sie später kennen lernen.
Die richtige Methode, die Theaterruinen zu ergänzen, ist
nach meinem Dafürhalten eine andere. Wir müssen die Bau-
werke nehmen, wie sie tatsächlich sind, und dürfen an ihnen
nur diejenigen Teile ergänzen, deren charakteristische Steine
mindestens in einem der Theater wirklich gefunden sind. Erhal-
ten wir so für die verschiedenen Zeiten Theater von abweichen-
der Gestalt, so haben wir ihre Unterschiede möglichst genau
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ATHEN. MITTEILUNGEN XXVIII.
 
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