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W. DÖRPFELD

Alten werden von Puchstein bei der Rekonstruktion des griechi-
schen Theaters ungenügend beachtet, auch die wertvollen Auf-
schlüsse, welche eine philologische Untersuchung der Namen
der einzelner Theaterteile für die Bedeutung und den Zweck
dieser Bauteile zu liefern vermag, bleiben grundsätzlich un-
berücksichtigt.
Ohne jedes Bedenken nennt Puchstein seine griechische und
römische Bühne immer «Proskenion», obwohl dieses Wort nach
seiner Zusammensetzung und nach dem wirklichen Sprachge-
brauch der griechischen Zeit nicht den Spielplatz der Schau-
spieler, sondern eine Vorskene, eine Schmuckwand (Dekoration)
bedeutet, die sich vor der eigentlichen Skene als Hintergrund
des Spiels erhob, und obwohl das Wort selbst in römischer
Zeit noch als gewöhnlicher Name der den Hintergrund und
den seitlichen Abschluss des Spielplatzes bildenden Säulenstel-
lung durch Inschriften und Schriftstellernachrichem gesichert
ist (vgl. Dörpfeld-Reisch, Das griech. Theater, S. 290). Selbst
bei Vitruv, dessen Sprachgebrauch Puchstein zu folgen meint,
heisst die Bühne nicht Proskenion, sondern pulpitum oder
proscaenii pulpitum oder logeion. Unter proscaenium versteht
Vitruv, wie die Worte finitio proscaenii und dextra et sinistra
pars proscaenii zeigen, die säulengeschmückte Dekorationswand
mit ihren rechts und links vorspringenden Flügeln. An den
vorderen Enden dieser Flügel liegt die Linie, welche die Orche-
stra und die Bühne scheidet; zwischen den Flügeln und der
Rückwand, also in dem von den drei Dekorationswänden umge-
benen Platze, in proscaenio oder in scaena, «innerhalb der Deko-
ration» findet die Aufführung statt. Proscaenium und scaena
bedeuten also selbst in diesen Ausdrücken durchaus nicht
«Bühne», sondern «Dekorationswand» oder «Spielhaus». Aller-
dings ist das Wort Proskenion in römischer Zeit zuweilen irr-
tümlich für die Bühne benutzt worden, vermutlich weil das
griechische Proskenion in einigen Theatern wirklich in eine
Bühne umgebaut war; ebenso ist auch die Bühne später
zuweilen Orchestra genannt worden, weil sie ursprünglich in
der Tat ein Teil der Orchestra war. Aber das darf uns nich
veranlassen, heute diese Namen auch in unrichtiger und irre-
führender Weise zu gebrauchen und die ursprüngliche und ge-
 
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