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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 50.1925

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Dörpfeld, Wilhelm: Die altgriechische Kunst und Homer
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https://doi.org/10.11588/diglit.29494#0088
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WILHELM DÖRPFELD

für das I. Jahrtausend leugne. Was ich ablehne, ist ihre Ent-
stehung erst in nachmykenischer Zeit und namentlich ihre neuer-
dings von B. Schweitzer wieder behauptete Ableitung aus der
mykenischen Kunst.

4. Bei der orientalisierenden Kunst des I. Jahrtausends
besteht eine Meinungsverschiedenheit zwischen uns über die
Zeit und den Ort ihres Ursprungs. Ich schreibe die proto-
korinthische Kunst den ersten Jahrhunderten des I. Jahrtausends
zu und erkenne in ihr den jiingeren phönikischen Stil als Nach-
folger der mykenisch-phönikischen Kunst des II. Jahrtausends,
während Watzinger sie mit Furtwängler und anderen für griechisch
erklärt und erst dem VII. Jh. oder höchstens dem Ende des VIII.
zuteilt. In dieser Frage habe ich mich namentlich mit Georg Karo
auseinanderzusetzen, auf den sich Watzinger beruft, weil er in
dem schon oben angeführten Aufsatz die Ansichten von Mon-
telius und mir als unrichtig nachweisen zu können glaubt.

Diese vier verschiedenen Arten der Kunst werden ferner
von Watzinger mit den meisten Archäologen nach dem Vorgange
von Furtwängler für zeitliche Perioden gehalten, die sich gegen-
seitig abgelöst und zum Teil auseinander entwickelt haben sollen.
Ich bin dagegen überzeugt, daß es sich bei ihnen nur um zwei
ganz verschiedene Hauptrichtungen der Kunst handelt, die aus
verschiedenen Erdteilen kamen, sich in Griechenland vereinigt
und die klassisch griechische Kunst erzeugt haben. Einheimisch
war in Griechenland und in ganz Europa nur die geometrische
Kunst, die seit sehr alter Zeit und während des ganzen II. Jahr-
tausends in verschiedenen Arten sowohl bei den vorgriechischen
Völkerschaften als auch bei den aus dem Norden eingewanderten
Griechen, den Achäern Homers, im Gebrauch war. Als Import
aus dem Orient kam dazu um die Mitte des II. Jahrtausends
die naturalistische mykenische Kunst, die von den Phönikiern
(Sidoniern) und anderen Orientalen nach Griechenland gebracht
wurde und besonders an den Königshöfen Eingang fand. Sie
paßte sich der einheimischen geometrischen Kunst allmählich
immer mehr an und beeinflußte diese zugleich. Als dann am
Anfang des I. Jahrtausends eine jüngere phönikische Kunst, die
ich in der protokorinthischen wiedererkenne, von Tyros und
anderen Orten aus die Länder des Mittelmeeres eroberte, unterlag
 
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