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LEONHARD HELTEN
werden, ob über diesem eine Basilika oder Halle errichtet worden ist”14.
Auf dieser Grundlage erstellte der junge Doktorand Kunst mit stupen-
der Objektkenntnis in den frühen 60er Jahren eine bis heute gültige
systematisch vergleichende Untersuchung der verschiedenen Scheidbo-
gen-Gurt-Systeme zusammen, die er in drei Gruppen unterschied: Hal-
lenkirchen mit sehr breiten Scheidbögen, Hallenkirchen in denen die
Scheidbögen den Gurten angeglichen sind und schließlich Hallenkirchen,
in denen Gurte und Scheidbögen den Rippen angeglichen sind15. Sein
nachrechenbarer Befund: „Die Zahl der Hallenkirchen, in denen die
Scheidbögen sehr breit sind, übertrifft im späten 13. und 14. Jahrhun-
dert die, in welchen der Verschleifung der Jochgrenzen die der Schiffs-
grenzen entspricht”16.
Zum gleichen Ergebnis kommt später Norbert Nußbaum 1999 in sei-
ner umfassenden Untersuchung über die Geschichte und Form des goti-
schen Gewölbes: „Angesichts der weitaus überwiegenden Zahl deutscher
Hallen mit kräftig ausgebildeten, schiffstrennenden Scheidbögen muß
betont werden, daß die Halle sich im Reich keineswegs zum richtungslo-
sen Einheitsraum entwickelte, wie es eine nationale Kunstgeschichts-
schreibung propagierte. Tatsächlich scheint die Halle in Mitteleuropa
von zahlreichen Bauherren ganz unterschiedlichen Standes als kosten-
günstiger Bautyp favorisiert worden zu sein, in dem der gotische Ober-
gaden mit seinen kostspieligen Wandgliederungen und Maßwerkfenstern
durch raumhohe Stützenstellungen ersetzt wurde”17.
Nußbaums These einer ökonomischen Abwägung bei der Wahl eines
bestimmten Bautyps wird man sich gern anschließen wollen, seiner Be-
gründung sicher nicht18. Wandgliederung und Maßwerkfenster bleiben in
ihrem ökonomischen wie baukonstruktivem Aufwand unabhängig von
der gewählten Querschnittslösung. Ganz anders das Strebewerk, insbe-
sondere der Strebebogenkranz, der über seine baustatische Notwendig-
keit hinaus schon mit den ersten hochgotischen Kathedralen des frühen
13. Jahrhunderts in der Île-de-France in Chartres, Reims und Amiens als
besondere Würdeform erkannt wurde, so in der statisch sinnfreien App-
14 Kunst 1969 [1], S. 56
15 Kunst 1969 [1], S. 77-79, Anm. 297
16 Kunst 1969 [1], S. 77, Anm. 297.
11 N. Nußbaum und S. Lepsky, Das gotische Gewölbe. Eine Geschichte seiner Form
und Konstruktion, Darmstadt 1999, S. 159.
i® Zur Ökonomisierung des Bauens im Mittelalter zuletzt grundlegend Norbert Nuß-
baum, Die Raumentwürfe des Hans von Burghausen und die Ökonomisierung des Bauens,
(in:) S. Bürger und B. Klein (Hg.), 'Werkmeister der Spätgotik. Position und Rolle der
Architekten im Bauwesen des 14. bis 16. Jahrhunderts, Darmstadt 2009, S. 92-107.
LEONHARD HELTEN
werden, ob über diesem eine Basilika oder Halle errichtet worden ist”14.
Auf dieser Grundlage erstellte der junge Doktorand Kunst mit stupen-
der Objektkenntnis in den frühen 60er Jahren eine bis heute gültige
systematisch vergleichende Untersuchung der verschiedenen Scheidbo-
gen-Gurt-Systeme zusammen, die er in drei Gruppen unterschied: Hal-
lenkirchen mit sehr breiten Scheidbögen, Hallenkirchen in denen die
Scheidbögen den Gurten angeglichen sind und schließlich Hallenkirchen,
in denen Gurte und Scheidbögen den Rippen angeglichen sind15. Sein
nachrechenbarer Befund: „Die Zahl der Hallenkirchen, in denen die
Scheidbögen sehr breit sind, übertrifft im späten 13. und 14. Jahrhun-
dert die, in welchen der Verschleifung der Jochgrenzen die der Schiffs-
grenzen entspricht”16.
Zum gleichen Ergebnis kommt später Norbert Nußbaum 1999 in sei-
ner umfassenden Untersuchung über die Geschichte und Form des goti-
schen Gewölbes: „Angesichts der weitaus überwiegenden Zahl deutscher
Hallen mit kräftig ausgebildeten, schiffstrennenden Scheidbögen muß
betont werden, daß die Halle sich im Reich keineswegs zum richtungslo-
sen Einheitsraum entwickelte, wie es eine nationale Kunstgeschichts-
schreibung propagierte. Tatsächlich scheint die Halle in Mitteleuropa
von zahlreichen Bauherren ganz unterschiedlichen Standes als kosten-
günstiger Bautyp favorisiert worden zu sein, in dem der gotische Ober-
gaden mit seinen kostspieligen Wandgliederungen und Maßwerkfenstern
durch raumhohe Stützenstellungen ersetzt wurde”17.
Nußbaums These einer ökonomischen Abwägung bei der Wahl eines
bestimmten Bautyps wird man sich gern anschließen wollen, seiner Be-
gründung sicher nicht18. Wandgliederung und Maßwerkfenster bleiben in
ihrem ökonomischen wie baukonstruktivem Aufwand unabhängig von
der gewählten Querschnittslösung. Ganz anders das Strebewerk, insbe-
sondere der Strebebogenkranz, der über seine baustatische Notwendig-
keit hinaus schon mit den ersten hochgotischen Kathedralen des frühen
13. Jahrhunderts in der Île-de-France in Chartres, Reims und Amiens als
besondere Würdeform erkannt wurde, so in der statisch sinnfreien App-
14 Kunst 1969 [1], S. 56
15 Kunst 1969 [1], S. 77-79, Anm. 297
16 Kunst 1969 [1], S. 77, Anm. 297.
11 N. Nußbaum und S. Lepsky, Das gotische Gewölbe. Eine Geschichte seiner Form
und Konstruktion, Darmstadt 1999, S. 159.
i® Zur Ökonomisierung des Bauens im Mittelalter zuletzt grundlegend Norbert Nuß-
baum, Die Raumentwürfe des Hans von Burghausen und die Ökonomisierung des Bauens,
(in:) S. Bürger und B. Klein (Hg.), 'Werkmeister der Spätgotik. Position und Rolle der
Architekten im Bauwesen des 14. bis 16. Jahrhunderts, Darmstadt 2009, S. 92-107.