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Verein für Badische Ortsbeschreibung [Hrsg.]
Badenia oder das badische Land und Volk: eine Zeitschr. zur Verbreitung d. histor., topograph. u. statist. Kenntniß d. Großherzogthums ; eine Zeitschrift des Vereines für Badische Ortsbeschreibung — 1.1859

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Bader, Joseph: Eine altbadische Fürstengestalt: nach Bild und Schrift
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https://doi.org/10.11588/diglit.42306#0066
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— 52

Markgraf Christoph lebte in einem Zeitalter von der
größten Ähnlichkeit mit dem unserigen. Nieter den altherkömm-
lichen Einrichtungen, Versaßnngen, Gesetzen, Sitten und An-
schauungen, welche die Wesenheit des Mittelalters bildeten,
hatten sich gar manche überlebt und wurden ihrem Abgänge über-
lassen, während sich eine Menge so bedeutender Neuerungen
in das öffentliche und Privatleben eindrängten und dort geltend
machten, daß man am Schluffe des ätzten Jahrhunderts wohl
glauben konnte, die menschliche Gesellschaft habe den Weg einer
neuen Kultnrp criod e betreten.
Sicherlich waren das Türkenreich zu Byzanz, das Schieß-
pulver, die Buchdruckerei und die neue Welt damals Er-
cigniße von demselben Gewichte für Gegenwart und Zukunft, wie
es heutzutage die Dampfmaschinen, die Eisenbahnen und Tele-
graphenlinien sind.
Denn durch eben sie traten in Wissenschaft und Kunst, in
Kirche und Staat, Politik und Kriegswesen, Handel und Ge-
werbe, solche Veränderungen ein, welche von den Fort-
schritten unserer Tage an verhältnißmäßiger Bedeutung wohl kaum
übertroffen werden.
Deutschland namentlich war damals in einem Ringen
begriffen und gieng Katastrophen entgegen, gerade wie wir, das
lebende Geschlecht, sie erfahren und durchgcmacht haben. Die
Nation rang nach einer kirchlichen, politischen und sozialen Re-
form, und ein dunkles Gefühl durchzitterte sie, daß die Tage
herangekommen, wo sich ihr Geschick auf lange hin entschei-
den müße.
Die deutschen Zustände hatten sich aufs Höchste verschlim-
mert, während ihnen gegenüber außerordentliche Kräfte der Bil-
dung als Heilmittel erschienen. Die Geistlichkeit war durch
ihre Reichthümer vielfach ausgeartet und zum öffentlichen Aerger-
niße geworden; der Adel und die Fürsten steckten großenteils
tief in Schulden und frönten einer landverderblichen Fehdesucht;
die Städte lagen häufig in traurigem Verkommen, und das
Landvolk litt fast überall unter dem Drucke habsüchtiger und
gewalttätiger Herren.
 
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