Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Badische Ortsbeschreibung [Hrsg.]
Badenia oder das badische Land und Volk: eine Zeitschr. zur Verbreitung d. histor., topograph. u. statist. Kenntniß d. Großherzogthums ; eine Zeitschrift des Vereines für Badische Ortsbeschreibung — 1.1859

DOI Heft:
Inhalt
DOI Artikel:
Fickler, Pr.: Der heilige Jüngling zu Nicklashausen: ein Vorspiel zum Bauernkrieg
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42306#0481
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
463

Häuser des Neu Franziskanerordens, zu den Altären der Kirchen
und Wallfahrtkapellen trieb, der Curatcaplan Wolfram zu
Nicklashausen an dem Hofe Jnnocens VI die Errichtung einer
Marienwallfahrt an diesem Orte durchgesetzt.
Seine Gründe, welcher Art sie sein mochten, fanden zu
Avignon so williges Gehör, daß die für solche Angelegenheiten
daselbst bestehende Congregation den 3ten März 1354 vierzig -
tägigen Ablaß nicht nur denen ertheilte, welche dorthin ihre
Wallfahrt und ihre Gebete richteten, fondern auch denen, welche
mit Kirchenschmuck und Geld der Kapelle oder dem Pfarrer
durch ihr Gebet beisprangen.
Der an den Ablaßbrief geknüpften Bedingung der bischöf-
lichen Zustimmung wurde sechs Jahre später durch Erzbischof
Gerl ach von Mainz genügt. Doch war im Verlaufe eines Jahr-
hunderts der Ruf dieser Wallfahrt so sehr gesunken, daß der
Bischof von Würzburg glaubte, erst durch das Auftreten des
falschen Propheten habe dieselbe ihren Ursprung erhalten?).
Es war nämlich um das Jahr 1476 ein aus dem Markte
Helmstätt gebürtiger Hirtenknabe Johannes Böhm in diese
Gegend gekommen. Seinem Namen nach zu schließen, stammte
er mittelbar aus Böhmen, vielleicht von einer jener Zigeuner-
horden, deren ursprüngliche Benennung „Tatern", d. h. Tar-
tar en, auch bei uns, wie in Frankreich, um jene Zeit durch die
der „Böhmen" verdrängt wurde.
Durch Musiciren auf der Cimbel (kleinen Pauke) und auf
dem Dudelsack — Nebenbeschäftigungen, durch welche die Ansicht
von seiner Abkunft bestärkt wird, erhielt er die verschiedenen
Namen: der Sackpfeifer, der Pauker, der Pfeife rhänsle,
und wohl auch einigen gesellschaftlichen Ruf in den Dorfschaften
der Main- und Taubergegend.
Es war damals eine unheilvolle Zeit. Durch die Thaten-
losigkeit Friderichs III, die Fehden der Fürsten und des Adels,
durch Rechtlosigkeit, und die Uebergriffe der Vehme, des ein-
zigen Rettungsmittels gegen dieselbe, durch Verschuldung und

2) Auch Vierordt (U->'«) theilt diese Meinung.
 
Annotationen