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DOI Artikel:Fickler, Pr.: Der heilige Jüngling zu Nicklashausen: ein Vorspiel zum Bauernkrieg
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.42306#0482
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Schwelgerei war ein so heilloser Zu st and der Dinge in
Deutschland eingerissen, daß es wirklich den Anschein hatte, als
„wolle das heilige römische Reich darüber in Stücke gehen".
Dazu kam die täglich wachsende Gefahr von Außen. Seit
nahezu einem Vierteljahrhundert hallte umsonst die Türken -
glocke, jetzt das willkommene Zeichen zum Mittagbrod ^); die
Begeisterung, welche der Franziskanermönch Johann Capi-
stran zur Rettung Belgrads erregt, war längst verraucht; Ma-
thias Corvinus, statt den Westen zu schützen, hatte seine
Waffen mit den Streitkräften des Kaisers gegen einen christlichen
Fürsten, Johann von Podiebrad, vereinigt und mochte jetzt
schon den Plan hegen, seinen eigenen Bundesgenossen in dessen
Residenzstadt Wien anzugreisen.
Mittlerweile hatte Sultan Mahmud sich die Krim zins-
pflichtig gemacht und rückte auffs Neue gegen Ungarn und Oester-
reich vor, während an den westlichen Gränzen des Reiches Karl
der Kühne sich zum Vernichtungskampfe gegen die Schweizer
rüstete, deren Namen bellm Volke die „heldenmütigen Retter
von dem Elende der Knechtschaft" bezeichnete.
Rechnet man zu dieser trostlosen Lage der öffentlichen An-
gelegenheiten den tausendfältigen Druck der F e u d a l l a st e n,
welcher in Verbindung mit dem Streben, es in Lustbarkeit und
Kleiderpracht den höhern Ständen, gleich zu thun, den Bau ern-
und Bürger st and völlig zu ruinieren drohte, so werden die
Einzelnheiten der folgenden Erzählung wohl Vieles an ihrer
Rätselhaftigkeit verlieren.
Namentlich müßen wir voraussetzen, daß die drohende Tür-
kengefahr gewiß jetzt nicht nur auf Kanzeln, sondern auch
unter den Dorflinden und in den Schenken das Wort Capi-
strans in Erinnerung brachte, „daß man zum Heiligen sich
kehren, daß man den eigenen Feind im Innern, die Hoffahrt,
Grausamkeit und Fleischeslust zuerst tödten müße, wenn man
hoffen wolle, den Erbfeind der Christenheit zu schlagen".
3) Im Jahre 1455 durch Papst Calirt II l angeordnet. H. Otte Glocken-
kunde, S. 25.
Schwelgerei war ein so heilloser Zu st and der Dinge in
Deutschland eingerissen, daß es wirklich den Anschein hatte, als
„wolle das heilige römische Reich darüber in Stücke gehen".
Dazu kam die täglich wachsende Gefahr von Außen. Seit
nahezu einem Vierteljahrhundert hallte umsonst die Türken -
glocke, jetzt das willkommene Zeichen zum Mittagbrod ^); die
Begeisterung, welche der Franziskanermönch Johann Capi-
stran zur Rettung Belgrads erregt, war längst verraucht; Ma-
thias Corvinus, statt den Westen zu schützen, hatte seine
Waffen mit den Streitkräften des Kaisers gegen einen christlichen
Fürsten, Johann von Podiebrad, vereinigt und mochte jetzt
schon den Plan hegen, seinen eigenen Bundesgenossen in dessen
Residenzstadt Wien anzugreisen.
Mittlerweile hatte Sultan Mahmud sich die Krim zins-
pflichtig gemacht und rückte auffs Neue gegen Ungarn und Oester-
reich vor, während an den westlichen Gränzen des Reiches Karl
der Kühne sich zum Vernichtungskampfe gegen die Schweizer
rüstete, deren Namen bellm Volke die „heldenmütigen Retter
von dem Elende der Knechtschaft" bezeichnete.
Rechnet man zu dieser trostlosen Lage der öffentlichen An-
gelegenheiten den tausendfältigen Druck der F e u d a l l a st e n,
welcher in Verbindung mit dem Streben, es in Lustbarkeit und
Kleiderpracht den höhern Ständen, gleich zu thun, den Bau ern-
und Bürger st and völlig zu ruinieren drohte, so werden die
Einzelnheiten der folgenden Erzählung wohl Vieles an ihrer
Rätselhaftigkeit verlieren.
Namentlich müßen wir voraussetzen, daß die drohende Tür-
kengefahr gewiß jetzt nicht nur auf Kanzeln, sondern auch
unter den Dorflinden und in den Schenken das Wort Capi-
strans in Erinnerung brachte, „daß man zum Heiligen sich
kehren, daß man den eigenen Feind im Innern, die Hoffahrt,
Grausamkeit und Fleischeslust zuerst tödten müße, wenn man
hoffen wolle, den Erbfeind der Christenheit zu schlagen".
3) Im Jahre 1455 durch Papst Calirt II l angeordnet. H. Otte Glocken-
kunde, S. 25.