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Verein für Badische Ortsbeschreibung [Hrsg.]
Badenia oder das badische Land und Volk: eine Zeitschr. zur Verbreitung d. histor., topograph. u. statist. Kenntniß d. Großherzogthums ; eine Zeitschrift des Vereines für Badische Ortsbeschreibung — 2.1860-1862

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Ein Durlacher Hofpoet und eine schwarzwäldische Dorfdichterin
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https://doi.org/10.11588/diglit.22622#0102
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verwunderlich sehen nmßten, wie ihre Mutter, welche in der
Wirtsstube cben noch mit einem Gaste gelacht und gescherzt, in
der Nebenkammer bitterlich weinte, und dann wieder einen
neuen Gast mit der heitersten Miene willkommen hieß!

Es war ein gar unterhaltlicher Aufenthalt bei einem guten
Trunke in der Wirtschaft der Beckin. Das geistig und körper-
lich kerngesnnde, gewandte Weib stach Manchem in die Augen,
und Anderen gefielen ihre Verse und Witzreden, welche oft sehr
schlagend ausfielen.

Als einmal ein aufgeklärter Straßenmeifter das Ge-
spräch etlicker Gäste über die Unsterblichkeit der Seele als „dnm-
mes Zeug" bezeichnete und die Frage von dem großen Un-
terschicde der menschlichen Befähigung dahin beantwortete, daß
„eben dcr Thau von den Gräbern gescheider Leute auf die
Feldfrüchte falle, und wer von diesen genieße, wieder gescheid
werde", bemerkte Katharine: „Da müßten des Meßners seine
Kühe ja Menschenverstand besitzen." Ein schallendes Gelächter
begleitete die Niederlage des naturphilosophischen Straßenmeisters,
welcher sein Gläslein austrank und sich davon machte, um für
lange Zeit bei der Beckin nicht wieder einzukehren.

Das umsichtige, kluge Wirtschaften unsererWittwe belohnte
sich immer mehr. Sie konnte ein besseres Haus erkaufen,
daran cinc S§)euer und Stallung, einen Keller und Tanzboden
erbauen, und ihre Fäfser mit köstlichem Eilfer füllen. Ein
solches Wcib war nicht zu verachten; als daher der Ortsvogt
Rebmann das seinige 1813 dnrch den Tod verloren, heiratete
er die Beckin. Die ncuen Ehcleute brachten nicht wenigcr als
14 Kinder znsammen, wozu später noch drei weitere kamen!

Das dentsche Vaterland wurde damals vom Drucke der
Fremdherrschaft befrcit; aber die Nachwehen des Kriegcs

24) Solche freigeisterische Philosopben „aus dem Volke" sindet man
heutzutage in den Dorfschenken sehr häufig, wobei das Traurigste ist, daß
sie nicht selteu auch empfäugliche Zuhörer fiudeu. Die Seuche der Halb-
bildung (eine charakteristische Erscheinung des modernen Zeitgeistes) hat
sich aus unseren vieleu Städten und Städtlein schon vielfach iu die Dörfer
verbreitet. Sehe man zu, was daraus entstehen wird!
 
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