Einleitung
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1982; Grupe 1984; Schmidt 1974), wobei auch Hinweise
aus vorhandenen Schriftquellen wahrscheinlich gemacht
oder bestätigt werden konnten (Jungwirth & Winkler
1979). Dabei stellte sich gelegentlich das Problem, dass
in den Familiengrüften unter den Nebenbestattungen
mögliche illegitime Verwandte auftauchten, die es nach
den historischen Quellen nicht geben durfte (Moers-
Messmer 1983) und die es einzuordnen galt Oder es kam
wegen Umbettungen und Exhumierungen zu Verwechse-
lungen, deren Klärung nur durch Anthropologen erfolgen
kann (Ehrhardt & Czarnetzki 1982). Die benutzten
Methoden bzw. Verfahren waren - äusser bei historischen
Fällen - lediglich begrenzt aussagefähig; entweder, weil
sie sich ausschliesslich auf ein einziges Merkmal stützten,
oder weil sie für den Nachweis genetischer Verwandtschaft
zu wenig beweisfähige Ergebnisse lieferten. So werden
die methodischen und interpretatorischen Ansätze der
Paläoserologie inzwischen äusserst kritisch beurteilt wenn
nicht abgelehnt (Bertozzi-Süßmann et al. 1985,
Piepenbrink 1986). Der weitaus grösste Teil der von den
Bearbeitern gefundenen Hinweise auf eventuelle
Verwandtschaft der untersuchten Individuen beruhte auf
ähnlich unpräzisen, subjektiven Vermutungen, wie sie
auch Ausgräber mitunter äusserten, wenn sie bestimmte
phänotypische Übereinstimmungen bzw. Ähnlichkeiten
zwischen Bestatteten feststellen konnten.
Die ersten systematischen Überlegungen und Ansätze
zur Analyse von Verwandtschaftsstrukturen im Rahmen
der biologischen Rekonstruktion ur- und frühge-
schichtlicher Bevölkerungen (Nemeskéri 1960) zeichnen
sich vor etwas mehr als 30 Jahren ab. Acsâdi & Nemeskéri
(1957) haben erstmals eine solche Möglichkeit in Erwä-
gung gezogen und auf die erweiterte bevölkerungs-
biologische Interpretationsbasis aufmerksam gemacht.
Ullrich (1962) legte mit seiner Dissertation einen ersten
Rekonstruktionsversuch zur Familienstruktur in einem
frühbronzezeitlichen Gräberfeld vor. In der Folgezeit
hat er der neuen Forschungsrichtung eine methodische
Basis gegeben und die Anwendung an Skelettmaterial
demonstriert (Ullrich 1964, 1964/65, 1969a-d, 1972, 1975).
Es ist sein Verdienst, die Verwandtschaftsanalyse in ihrer
elementaren Bedeutung für die prähistorische Forschung
erkannt, und - basierend auf den methodischen Grund-
lagen erbbiologischer Abstammungsgutachten - in die
Anthropologie eingeführt zu haben. Das Prinzip von
H. Ullrich, den bei morphologischen Vaterschafts-
gutachten mit Erfolg angewandten polysymptomatischen
Ähnlichkeitsvergleich auf die Arbeit an Skelettmaterial
zu übertragen, setzte übereinstimmende Arbeitsweisen
und vergleichbare Ergebnisse voraus, was jedoch nicht
zutraf Erhebliche methodische Schwierigkeiten im anthro-
pologischen Anwendungsbereich resultierten aus der
Auswahl und Anzahl der verwendeten Merkmale. Das
Ziel, reale Familienabgrenzungen und Familien-
stammbäume zu rekonstruieren, ging über die Möglich-
keiten einer solchen Analyse hinaus. Die bei human-
genetischen Abstammungsprüfungen am häufigsten
verwendeten Merkmale der Weichteile (Physiognomie,
Haudeistensystem etc.) können am Skelett nicht erhoben
werden und, im Gegensatz zu den serologischen und
pathologischen Merkmalen, sind für viele morphologische
Merkmale noch keine sicheren Erbgänge bekannt.
Letzteres lässt für die morphologischen Charakteristika
in der Paternitätsfrage und analog bei der Verwandt-
schaftsanalyse an Skelettmaterial deshalb keine eigendiche
genetische Analyse zu, sondern nur einen phänotypischen
Ähnlichkeitsvergleich (Knußmann 1988).
Bis auf Ausnahmen im odontologischen Bereich, auf die
Ullrich (1969a) hinweist, standen damals für die meisten
Merkmale, die am Skelett für eine Ähnlichkeitsanalyse
zur Familienrekonstruktion in Frage kamen,
Untersuchungen zur Erblichkeit (Zwillings- und Familien-
untersuchungen) noch aus. Für quantitativ fassbare Merk-
male lagen bereits einige Ergebnisse vor, während sie für
die nur qualitativ beurteilbaren morphognostischen
Merkmale fehlten. Die zu hohe Anzahl der von Ullrich
(1964/65; 1969a) herangezogenen Merkmale (ca.800 am
Schädel), die leicht überzogenen Erwartungen (z.B.
hinsichdich der Feststellbarkeit des Verwandtschaftsgrades
der Bestatteten), und das Fehlen der erforderlichen Kon-
trolluntersuchungen an Material mit gesicherter Ver-
wandtschaft zog erhebliche Kritik nach sich (Bach 1978;
Bach & Dusek 1971; Czarnetzki 1973; Rösing 1990;
Sjovold 1976/77). Wesentliche Teile der Arbeit von Ullrich
wurden unvollständig veröffentlicht oder blieben gar
unpubliziert (Merkmalskatalog, Bewertungssystem,
Auswertungsverfahren). Dies alles liess seine Ähnlichkeits-
Verwandtschaftsanalyse nicht aus der Entwicklungsphase
heraustreten und schliesslich fast in Vergessenheit geraten.
In den achtziger Jahren wandte man sich der Problematik
seitens der Anthropologie erneut zu (Herrmann 1986).
Die am häufigsten benutzten Merkmalsgruppen sind nun-
mehr epigenetische, morphometrische und morpho-
gnostische Merkmale, wobei sich abzeichnet, dass die
epigenetischen Merkmale von der Mehrheit der Bearbeiter
favorisiert werden. Die Bedeutung epigenetischer Merk-
male für die Untersuchung auf Familienverwandtschaft
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1982; Grupe 1984; Schmidt 1974), wobei auch Hinweise
aus vorhandenen Schriftquellen wahrscheinlich gemacht
oder bestätigt werden konnten (Jungwirth & Winkler
1979). Dabei stellte sich gelegentlich das Problem, dass
in den Familiengrüften unter den Nebenbestattungen
mögliche illegitime Verwandte auftauchten, die es nach
den historischen Quellen nicht geben durfte (Moers-
Messmer 1983) und die es einzuordnen galt Oder es kam
wegen Umbettungen und Exhumierungen zu Verwechse-
lungen, deren Klärung nur durch Anthropologen erfolgen
kann (Ehrhardt & Czarnetzki 1982). Die benutzten
Methoden bzw. Verfahren waren - äusser bei historischen
Fällen - lediglich begrenzt aussagefähig; entweder, weil
sie sich ausschliesslich auf ein einziges Merkmal stützten,
oder weil sie für den Nachweis genetischer Verwandtschaft
zu wenig beweisfähige Ergebnisse lieferten. So werden
die methodischen und interpretatorischen Ansätze der
Paläoserologie inzwischen äusserst kritisch beurteilt wenn
nicht abgelehnt (Bertozzi-Süßmann et al. 1985,
Piepenbrink 1986). Der weitaus grösste Teil der von den
Bearbeitern gefundenen Hinweise auf eventuelle
Verwandtschaft der untersuchten Individuen beruhte auf
ähnlich unpräzisen, subjektiven Vermutungen, wie sie
auch Ausgräber mitunter äusserten, wenn sie bestimmte
phänotypische Übereinstimmungen bzw. Ähnlichkeiten
zwischen Bestatteten feststellen konnten.
Die ersten systematischen Überlegungen und Ansätze
zur Analyse von Verwandtschaftsstrukturen im Rahmen
der biologischen Rekonstruktion ur- und frühge-
schichtlicher Bevölkerungen (Nemeskéri 1960) zeichnen
sich vor etwas mehr als 30 Jahren ab. Acsâdi & Nemeskéri
(1957) haben erstmals eine solche Möglichkeit in Erwä-
gung gezogen und auf die erweiterte bevölkerungs-
biologische Interpretationsbasis aufmerksam gemacht.
Ullrich (1962) legte mit seiner Dissertation einen ersten
Rekonstruktionsversuch zur Familienstruktur in einem
frühbronzezeitlichen Gräberfeld vor. In der Folgezeit
hat er der neuen Forschungsrichtung eine methodische
Basis gegeben und die Anwendung an Skelettmaterial
demonstriert (Ullrich 1964, 1964/65, 1969a-d, 1972, 1975).
Es ist sein Verdienst, die Verwandtschaftsanalyse in ihrer
elementaren Bedeutung für die prähistorische Forschung
erkannt, und - basierend auf den methodischen Grund-
lagen erbbiologischer Abstammungsgutachten - in die
Anthropologie eingeführt zu haben. Das Prinzip von
H. Ullrich, den bei morphologischen Vaterschafts-
gutachten mit Erfolg angewandten polysymptomatischen
Ähnlichkeitsvergleich auf die Arbeit an Skelettmaterial
zu übertragen, setzte übereinstimmende Arbeitsweisen
und vergleichbare Ergebnisse voraus, was jedoch nicht
zutraf Erhebliche methodische Schwierigkeiten im anthro-
pologischen Anwendungsbereich resultierten aus der
Auswahl und Anzahl der verwendeten Merkmale. Das
Ziel, reale Familienabgrenzungen und Familien-
stammbäume zu rekonstruieren, ging über die Möglich-
keiten einer solchen Analyse hinaus. Die bei human-
genetischen Abstammungsprüfungen am häufigsten
verwendeten Merkmale der Weichteile (Physiognomie,
Haudeistensystem etc.) können am Skelett nicht erhoben
werden und, im Gegensatz zu den serologischen und
pathologischen Merkmalen, sind für viele morphologische
Merkmale noch keine sicheren Erbgänge bekannt.
Letzteres lässt für die morphologischen Charakteristika
in der Paternitätsfrage und analog bei der Verwandt-
schaftsanalyse an Skelettmaterial deshalb keine eigendiche
genetische Analyse zu, sondern nur einen phänotypischen
Ähnlichkeitsvergleich (Knußmann 1988).
Bis auf Ausnahmen im odontologischen Bereich, auf die
Ullrich (1969a) hinweist, standen damals für die meisten
Merkmale, die am Skelett für eine Ähnlichkeitsanalyse
zur Familienrekonstruktion in Frage kamen,
Untersuchungen zur Erblichkeit (Zwillings- und Familien-
untersuchungen) noch aus. Für quantitativ fassbare Merk-
male lagen bereits einige Ergebnisse vor, während sie für
die nur qualitativ beurteilbaren morphognostischen
Merkmale fehlten. Die zu hohe Anzahl der von Ullrich
(1964/65; 1969a) herangezogenen Merkmale (ca.800 am
Schädel), die leicht überzogenen Erwartungen (z.B.
hinsichdich der Feststellbarkeit des Verwandtschaftsgrades
der Bestatteten), und das Fehlen der erforderlichen Kon-
trolluntersuchungen an Material mit gesicherter Ver-
wandtschaft zog erhebliche Kritik nach sich (Bach 1978;
Bach & Dusek 1971; Czarnetzki 1973; Rösing 1990;
Sjovold 1976/77). Wesentliche Teile der Arbeit von Ullrich
wurden unvollständig veröffentlicht oder blieben gar
unpubliziert (Merkmalskatalog, Bewertungssystem,
Auswertungsverfahren). Dies alles liess seine Ähnlichkeits-
Verwandtschaftsanalyse nicht aus der Entwicklungsphase
heraustreten und schliesslich fast in Vergessenheit geraten.
In den achtziger Jahren wandte man sich der Problematik
seitens der Anthropologie erneut zu (Herrmann 1986).
Die am häufigsten benutzten Merkmalsgruppen sind nun-
mehr epigenetische, morphometrische und morpho-
gnostische Merkmale, wobei sich abzeichnet, dass die
epigenetischen Merkmale von der Mehrheit der Bearbeiter
favorisiert werden. Die Bedeutung epigenetischer Merk-
male für die Untersuchung auf Familienverwandtschaft