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Bernoulli, Johann Jacob
Römische Ikonographie (Band 2,1): Die Bildnisse der römischen Kaiser: Das julisch-claudische Kaiserhaus — Berlin, 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.663#0153
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Tiberius.

ebenso thatkräftiger Wahrer der Ordnung und des Friedens, als vor-
trefflicher Verwalter, namentlich der Finanzen. Als Feldherr ohne die
glänzenden Eigenschaften seines Bruders, war er doch ein vorzüg-
licher Militär, bedachtsamer als jener, stets nur von der Zweckmässig-
keit, nie von seinem Ehrgeiz geleitet. Seine Lebensgewohnheiten
trugen den Stempel bürgerlicher Einfachheit. Die Fabeln von seinen
Ausschweifungen auf Capri werden durch die bis ins hohe Alter
andauernde Gesundheit und Kräftigkeit seines Körpers widerlegt.
Ranke fasst die Summe seines Wesens in die Worte zusammen: „Ein
grosser Mann war er nicht, aber ein geborener Herrscher" *,

Aeusseres. — Tiberius, heisst es bei Sueton2, hatte einen
stattlichen und kräftigen Körperbau, der das gewöhnliche Mass über-
ragte. Um Brust und Schultern war er breit; auch die übrigen
Glieder bis zu den Füssen herab waren ebenmässig und in richtigem
Verhältnis. Die linke Hand war beweglicher und stärker, von so
festem Gelenk, dass er einen frischgefallenen und gesunden Apfel
mit dem Finger durchbohren, das Haupt eines Knaben oder auch
eines Jünglings durch einen Schneller verwunden konnte. Er hatte
eine weisse Haut und trug am Hinterkopf längeres Haar, so dass es
auch den Nacken bedeckte, was als Familieneigenheit galt. Seine
Gesichtsformen waren edel, nur oft durch plötzlich ausbrechende
Geschwüre entstellt; mit sehr grossen Augen, welche, was merk-
würdig, auch des Nachts im Finsteren sahen, doch nur auf kurze
Zeit, wenn sie soeben vom Schlaf sich öffneten; nachher verloren
sie ihre Kraft wieder. Er gieng mit steifem Nacken einher, den Kopf
zurückgebogen, mit strenger Miene und meist schweigend. Sprach
er, so geschah es langsam und begleitet von einem gewissen sanften
(molli) Spiel der Finger.

Diese Schilderung kann im Allgemeinen als ziemlich zuverlässig
angesehen werden, da sie nirgends dementiert, in einzelnen Punkten
mehrfach bestätigt wird. Auch Vellejus spricht von der celsitudo
corporis des Tiberius und sagt, dass er mit seinem Bruder Drusus an
Schönheit gewetteifert habe3. Dio* und Plinius5 erwähnen die Eigen-
tümlichkeit seiner Augen, Tacitus6 seine Geschwüre u. a. Wenn
Tacitus, wie auch Dio7, zugleich von seinem kahlen Scheitel reden,

« Bänke Weltgescli. HI. p. 83.

* Suet. Tib. 68.

« Vell. H. 94. 97.

* Dio LVH. 2.

0 Plin. H. N. XI. 143.

* Tac. Aimal. IV. 57.

1 Dio LVni. 19.
 
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