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Bernoulli, Johann Jacob
Römische Ikonographie (Band 2,1): Die Bildnisse der römischen Kaiser: Das julisch-claudische Kaiserhaus — Berlin, 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.663#0177
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164

Tiberius.

Vollkommen und vielfältig verbürgt dagegen ist das Vorkommen
von sitzenden, bloss mit dem Mantel drapierten, also wiederum
heroisch aufgefassten Statuen, und zwar lassen sich dabei besonders
zwei Hauptmotive unterscheiden, je nachdem der Mantel auf der
rechten Schulter geheftet (das Paludamentum der Imperatoren), oder
bloss mit einem Zipfel über die linke Schulter geworfen ist (wie bei
den sitzenden Jupiterfiguren). Jenes ist der Fall bei der Vejenter
Statue des M. Chiaramonti (p. 145) und bei dem Torso von Pae-
stum im Mus. arqueologico zu Madrid (Nr. 43); dieses bei der
privernatischen Statue des Chiaramonti (p. 146), beim cervetrischen
Torso des Lateran (Nr. 8), und, wenn es anders Tiberius, bei der
Halbfigur des Louvre (Nr. 36). Ueberall, wo die Statuen soweit
erhalten (Lateran und 2 Chiaramonti), ist das über die Schenkel ge-
schlagene Gewand so angeordnet, dass das linke Bein entblösst aus
den Faltenmassen heraustritt. Auch der zweifelhafte Tiberius in
Sevilla (Nr. 46) ist mit dem Mantel bekleidet; doch ist mir bei
ihm und bei dem ins Museo Tiberino gekommenen (p. 149
Anm. 2) das genauere Motiv nicht bekannt. — Ganz für sich steht
der thronende Tiberius auf dem grossen Pariser Cameo (f), wo
statt des Mantels die Aegis den Schooss bedeckt.

Obgleich nun im Einzelnen keine Uebereinstimmung zwischen
diesen Statuen herrscht, so wird man doch nicht umhin können, sie
in einen gewissen Zusammenhang zu bringen mit dem uns historisch
überlieferten sitzenden Coloss vor dem Venustempel in Rom (oben
p. 143), von dem uns die auf Taf. XXXIII. 1. abgebildete Münze
noch einen Nachklang gerettet hat; wäre es auch nur insoweit, dass
man annimmt, die Provinzialstädte (Veji, Caere, Privernum, Paestum)
seien durch das hervorragende hauptstädtische Denkmal ebenfalls ver-
anlasst worden, ihn vorzugsweise sitzend darzustellen. Auf der Münze
trägt er allerdings die Tracht des Lebens und bei der engen Beziehung
zwischen ihr und der Colossalstatue muss man dasselbe auch bei
der letzteren voraussetzen. In der Provinz, wo Tiberius populärer
war als in Born, und wo der Schmeichelei grösserer Spielraum ge-
lassen war, gieng man dann einen Schritt weiter und stellte ihn
heroisch dar. Möglich indes, dass die consularische Tracht über-
haupt nur dem Münztypus angehört, und dass auch die Statue vor
dem Venustempel der Tunica entbehrte. Sitzende Kaiserstatuen mit
der Tracht des Lebens sind in Bundwerken ebenso selten, wie es
die vorherrschende Darstellungsweise der Münzen ist.

Endlich muss man aus den vorhandenen Resten schliessen, dass
Tiberius in einem der bekannteren Bildnisse seines reifen Alters, wie
später Caracalla, mit nach links gewandtem Kopf dargestellt war.
 
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