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Bernoulli, Johann Jacob
Römische Ikonographie (Band 2,1): Die Bildnisse der römischen Kaiser: Das julisch-claudische Kaiserhaus — Berlin, 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.663#0276
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Die Geiuma Augustea in Wien.

263

Der Wiener Cameo, ein Onyx von zwei Lagen, circa 22 Centi-
leter breit und 19 Centimeter hoch, mit doppelter, aus je zehn
Personen bestehender Figurenreihe, ist ein zu Ehren des Augustus
verfertigtes Kunstwerk, das uns mit eigentümlicher, obwohl echt
römischer Verquickung historischer und allegorischer Motive die
Siege des neuen "VVeltherrschers und seine darauf begründete gott-
gleiche Stellung versinnbildlicht. Die historische Grundlage ist höchst
wahrscheinlich der pannonische Triumph seines Adoptivsohnes Tiberius
im Jahr 12 n. Chr. Doch bleibt im Einzelnen Manches unerklärt
oder wenigstens zweifelhaft. — Betrachten wir zunächst die obere
weitaus wichtigere und bedeutsamere Figurenreihe.

In der Mitte sitzen auf einem breiten Throne ein heroisierter
Imperator und eine behelmte weibliche Figur, jener Augustus, diese
die Göttin Roma oder, wie andere wollen, Livia unter der Gestalt
der Koma.

Augustus ist abgesehen von seiner unverkennbaren Bikinisähn-
lichkeit durch das Sternbild des Steinbocks (auf einem Medaillon
zwischen den Köpfen der beiden Figuren), das er sich zu seiner
Constellation gewählt hatte1, bezeichnet. Er ist dargestellt mit nack-
tem Oberleib, in den Händen Augurstab und Scepter als Inhaber der
Auspicien und der Herrschergewalt, unter seinem Thron ein Adler.
Aus letzterem ergiebt sich, dass nicht bloss seine Haltung und Ge-
wandung den Jupiterstatuen entlehnt ist, sondern dass er so gut wie
Tiberius auf dem Pariser Cameo gradezu als Jupiter gefasst ist.
Dem Kaiser als solchem gehört nur der Augurstab. Doch möchte
durch denselben ausgedrückt sein, dass wir es, wie dort bei Tiberius,
mit dem noch lebenden, seines Herrscheramtes waltenden Kaisers zu
thun haben. — Eine der hinter ihm stehenden Figuren setzt ihm einen
Kranz aufs Haupt, wie er denn auch dadurch als Hauptperson kennt-
lich gemacht ist, dass Aller Blicke auf ihn gerichtet sind.

Dem würde es nun entsprechen, dass wir in der (allerdings
rechts) neben ihm sitzenden weiblichen Figur seine Gemahlin Livia,
und zwar ihrem Costüm nach unter dem Bild der Göttin Borna zu
erkennen hätten. Denn sie ist mit Helm, Wehrgehenk, Schild und
Lanze bewaffnet. — In Beziehung auf die Verteilung von rechts und
links scheinen sich die Künstler des Altertums an keine bestimmte

1 Suet. Aug. SM: Tantum mox fiduciam fati Augustus liabiät, ut thema »mim
eetlgaeerit nummumque aiyenteum nota sideris Ccqmcorni. quo natu* ext, per-
emserii. Dasselbe kommt auf Gold- und Silberniünzen seit dem Jahr 11 v. Chr.
vor. S. Eckhel Doct. Num. II. 6. p. 109. Die betreffenden Münzen bei Collen
Med. inip. I. p. 65 Nr. 16 f., p. 99 Nr. 263, p. 146 Nr. 564 (Restitution des
Nerva). Vgl. die unter Tiberius geschlagene Grossbronze, Cohen p. 104 Nr. 302
 
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