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Bernoulli, Johann Jacob
Römische Ikonographie (Band 2,1): Die Bildnisse der römischen Kaiser: Das julisch-claudische Kaiserhaus — Berlin, 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.663#0375
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3G2 Messalina.

kommen keine Knaben in Betracht. Der einzige claudische Kaiser-
solm aber, der in solchem Alter schon eine bestimmte Anwartschaft
auf den Thron und damit auf heroische oder göttliche Darstellung
hatte, sei Britannicus, die ihn tragende Römerin also Messalina.

Hiegegen ist Folgendes zu bemerken. Dass die teilweise Nacktheit
des Knaben mit dem über die rechte Schulter hängenden Mantelzipfel
auf Vergöttlichung deute, ist höchst zweifelhaft. Die Bekleidungs-
motive haben bei Kindern und bei Erwachsenen einen ganz ver-
schiedenen Sinn. Und im vorliegenden Falle ist die Drapierung zu
ungesucht und natürlich, tritt eine absichtliche Nachahmung der
thronenden Jupiter- oder Kaiserstatuen, bei denen der Mantel
immer auf der linken Schulter ruht, zu wenig hervor, als dass man
die Aehnlichkeit nicht für zufällig halten sollte. Wenn man nach
analogen Darstellungen sucht, so entspricht der Knabe am genauesten
dem Plutos in der Irenegruppe zu München, und es kann ja sein,
dass der Verfertiger unserer Porträtstatue sich für das Kind und für
die Gruppierung grade an dieses Vorbild gehalten hat. Aber gewiss
durfte er dies überall und unter allen Umständen thun, auch wenn
er bloss eine gewöhnliche Mutter mit ihrem Kinde darstellen wollte.
An und für sich spricht nichts zu Gunsten der Messalina: kein Ab-
zeichen kaiserlicher Würde, keine besondere Jugend und Schönheit,
kein sinnlich üppiger oder gar schamloser Charakter. Sie hat im
Gegenteil etwas durchaus Würdiges, Matronales, wie ja sonst nur die
Matronen und Priesterinnen den Schleier züchtig übers Haupt gezogen
haben. Zwar, wenn Messalina einmal als Mutter dargestellt werden
sollte, so durfte man ihr auch den Schleier geben. Aber wer möchte
so leicht an eine derartige Ironie des Schicksals glauben, dass das
einzige statuarische Bildnis, das uns von ihr erhalten — denn es
sind Züge, die sonst nicht wieder vorkommen — uns dieses dirnen-
hafte Weib im Gewände holdester Mütterlichkeit vorführte? Während
wir daher den Gemmentypus, sachlich genommen, immerhin einer ge-
wissen Berücksichtigung wert halten, sind wir der Ansicht, dass die
Statue des Louvre nichts mit der berüchtigten Buhlerin zu thun hat.

Noch haltloser freilich sind die meisten anderen Messalina be-
treffenden Aufstellungen, wie sie namentlich in Museen, die auf mög-
lichste Vollständigkeit der Kaiserporträts ausgehen, beliebt sind, z. B.
im Capitol, im Museo Torlonia, in den Uffizien, aber auch in Villa
Albani, im Cabinet des medailles und anderswo.

Die capitolinische Büste, Kaiserzimmer Nr. 13 (abg. Bottari IL
14)l, von welcher die auf dem Esquilin gefundene im britischen

» Duruy Hist. des Bom. IT. p. 434.
 
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