Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bernoulli, Johann Jacob
Römische Ikonographie (Band 2,1): Die Bildnisse der römischen Kaiser: Das julisch-claudische Kaiserhaus — Berlin, 1886

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.663#0385
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
372 Zwei auf Claudius und seine Familie bez. Cameen.

Antonia oder die ältere Agrippina, zu erkennen sei, ent-
schiedene Beachtung verdienen. Wir gewännen dann zunächst eine
Erklärung dafür, warum die Büste rechts jugendlicher dargestellt ist
als Claudius; ferner dafür, dass nicht sie, sondern Claudius die Aegis
trägt. Dem Drusus oder Germanicus gegenüber, die niemals zum
Principat gelangt sind, durfte Claudius,, zu dessen Ehren oder in
dessen Auftrag allem Anschein nach das Werk ausgeführt wurde,
wohl mit der Aegis abgebildet werden, während es einem verstor-
benen Kaiser gegenüber, der, wenn auch nicht officiell vergöttert,
doch vielfach als Jupiter dargestellt war, weniger passend erscheinen
musste. — Drusus und Antonia, wie Eckhel meinte, halte ich nun
allerdings für unzulässig, weil man sich den Helm auf dem weiblichen
Kopf dann nicht zu erklären weiss. Wohl aber Germanicus und die
ältere Agrippina. Die ältere Agrippina, die matercastrorum1, ist unter
allen Frauen der claudischen Familie diejenige, die am ehesten durch
das Abzeichen des Helmes charakterisiert werden konnte. Ihr kommen
auch eher als der Antonia (und jedenfalls eher als der Livia) die,
wie es scheint, kurz geschnittenen und gekräuselten Stirnhaare zu.
Mit ihr endlich (vgl. z. B. die capitolinische Büste Taf. XV) steht der
Charakter des Profils und der stolze Ausdruck des Gemmenkopfs im
schönsten Einklang. Das Einzige, was hiebei nicht ganz stimmt,
sind die Züge des Germanicus. Aber man mag dieses Bildnis deuten,
wie man will, physiognomiseh befriedigt es nie. Und am Ende fällt
der Widerspruch bei dem doch immer noch etwas schwankenden Ger-
manicustypus weniger ins Gewicht als bei dem sonst wohlbekannten
des Tiberius.

Wir hätten also die beiden Söhne und Schwiegertöchter des
älteren Drusus vor uns, vier eng zusammengehörige Familienglieder,
deren Vereinigung durch die von Claudius zur Schau getragene Pietät
auch historisch wohl motiviert ist. Ob in der Gemahlin des Claudius
Messalina oder die jüngere Agrippina gemeint sei, wird nicht mit
Bestimmtheit auszumachen sein. Indes ist klar, dass der Charakter
des geschlossenen Familienbildes mehr für Agrippina spricht. Messa-
lina wenigstens würde schwerlich grossen Wert darauf gelegt haben,
mit der Mutter ihrer bitter gehassten Feindin zusammengestellt zu
werden.

Diese schon von Visconti2 aufgestellte und meiner Ansicht nach
wahrscheinlichste Deutung ist von den neueren Erklärern fast durch-

1 Vgl. oben p. 242 und 283.

2 Pio Clein. VI. p. 187. Anm.
 
Annotationen