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Bernoulli, Johann Jacob
Römische Ikonographie (Band 2,1): Die Bildnisse der römischen Kaiser: Das julisch-claudische Kaiserhaus — Berlin, 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.663#0429
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416 Die Gemahlinnen des Nero.

übermenschlichen Freude" eine Tochter Claudia, bei welcher Ge-
legenheit Mutter und Kind den Beinamen Augusta erhielten1. Doch
starb die Tochter schon im vierten Monat und auch Poppaea genoss
ihr Glück verhältnismässig nicht lange. Nero versetzte ihr in zu-
fälliger Aufwallung einen Fusstritt, worauf eine verfrühte Niederkunft
eintrat, die ihren Tod herbeiführte (65 n. Chr.), zur Verzweiflung des
Kaisers, der in heftigster Liebe zu ihr entbrannt war. Der Leich-
nam wurde nach morgenländischer Sitte mit Wohlgerüchen ein-
balsamiert und in die Grabstätte der Julier gebracht; zugleich wurden
ihr göttliche Ehren zuerkannt2, später sogar Tempel errichtet3. Nach
Nero's Tode werden ihre Standbilder zwar ohne Zweifel dasselbe
Schicksal erfahren haben wie die ihres Gemahls; waren sie doch
schon zu ihren Lebzeiten einmal umgestürzt worden bei Anlass von
Octavia's Rückkehr aus der Verbannung 4. Allein es wird ausdrück-
lich bemerkt, dass ihr früherer Liebhaber Otho, als er zum Kaiser-
thron gelangte, mittelst Senatsbeschluss dieselben wiederherstellen
Hess5.

Ueber die Persönlichkeit der Poppaea spricht sich Tacitus
folgendermassen aus6: „Dieses Weib besass Alles, nur keinen Sinn
für das Gute und Edle. Von ihrer Mutter, die an Schönheit alle
Frauen ihrer Zeit übertraf, hatte sie Glanz und Wohlgestalt geerbt.
Ihr Reichtum entsprach der Vornehmheit ihres Geschlechts. Ihre Rede
war einnehmend, ihr Geist nicht unbedeutend. Sie trug Sittsamkeit
zur Schau, während sie einen zügellosen Wandel führte. Sie gieng
selten aus und nur mit halbverhülltem Gesicht, um die Blicke nicht
zu sättigen oder weil es so anständig war." — Auch aus den
übrigen Nachrichten geht hervor, dass sie ein Weib von ebenso
seltener Schönheit7 als ausgesuchter Ueppigkeit und Koketterie war 8.
Und sehr bezeichnend lässt Dio sie sagen, dass sie lieber sterben,
als das Verwelken ihrer Schönheit erleben möchte9. Dieses Los ist
ihr denn auch erspart worden. Wir kennen ihr Alter nicht genauer,
aber selbst wenn sie gleich alt wie ihr Gemahl gewesen wäre, würde
sie doch nicht über 28 Jahre alt geworden sein.

1 Tac. Ann. XV. 23.

2 Tac. Ann. XVI. 21; Henzen Acta fratr. an-, p. 79 u. 83.

3 Dio LXin. 26.

* Tac. Ann. XIV. 61.

5 Tac. Hist, I. 78.

6 Tac. Ann. XHX 45.

7 Vota omniwm, gaitdia felicium. Tac. Ann. XIII. 4. 6.

8 Tac. a. a. O. XIV. princ.

9 Dio LXH. 28.
 
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