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Die Bewegung: Zeitung d. dt. Studenten — 4.1936

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Nr. 49 (2. Dezember 1936)
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https://doi.org/10.11588/diglit.6183#0584
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Sekte 4

Die Vewegung

Nummer 4-

Mreü Nobel un- -er Zrie-en

Am 10. Dezember 1896, also vor vierzig
Jahren, ftarb Alfred Nobel, der Entdecker
des Nitroglyzerins und Schöpfer einer Welt-
iitdustrie. Aber nicht aus Pietät wid-
men wir ihm diese Zeilen. Wir nehmen die
kürzlich erfolgte Verleihung des Friedens-
nobelpreises zum Anlaß, einmal die Auf-
merksamkeit auf diese merkwürdige Persön-
lichkeit, ihre Ideen und ihr Vermächtnis zu
lenken, deren Name jährlich einmal in Ver-
bindung mit der Nachricht von einer hohen
Auszeichnung durch die Presse geht. Eanz
Lesonders notrvendig erscheint uns das, weil
wir vor wenigen Tagen durch die' Tages-
presse erfuhren, daß der Friedensnobelpreis
für 1935 keinem geringeren als dem berüch-
tigten Landesverräter Karl von Ossietzki
zugefallen ist.

Nachdem es Nobel in den Jahren 1863 bis
1867 gelungen war, das Dynamit zu erfin-
den, wurde er einer der größten Jndustriel-
len Europas. Nicht nur in Schweden, auch
in Deutschland, Österreich, den Vereinigten
Staaten von Amerika, Frankreich und Eng-
land grllndete er Sprengstoff-Fabriken mit
dem Erfolg, daß er bei seinem Tode ein Ver-
mögen von 32 Millionen Schweden-Kronen
hinterließ. Kurz bevor er starb, hat er zum
Ausdruck gebracht, daß er große ererbte
Vermögen sür ein Unglück halte, das nur
dazu angetan sei, den Menschen noch stumpf-
sinniger zu machen. Tatsächlich hat er, da er
als Junggeselle ohne Nachkommen starb,
über fast sein ganzes Vermögen derart ver-
fügt, daß es einen Fonds bilden sollte, des-
sen Zinsen jährlich denen zufließen sollten,
die im vergangenen Iahr der Menschheit
den größten Dienst geleistet haben. Und

Dpnamit uni

Es liegt eine gewisse Ironie darin, datz
gerade der Mann, der sich sein ganzes Le-
ben lang mit der Fortentwicklung der
Kriegstechnik beschäftigt hat, sich die För-
derung des Weltfriedens ganz besonders
angelegen sein läßt und jährlich die Summe
von ungefähr 170 000 Schweden-Kronen für
den tatkräftigsten Friedensförderer aussetzt.
Es ist ganz gleichgültig, auf welchem Wege
Nobel der entschiedene Pazifist wurde, ob
es noch auf den Einfluß zurückzuführen ist,
den der englische Dichter Shelly in seiner
Jugend auf ihn ausgeübt hat, oder ob es
die österreichische Pazifistin Berta von Sutt-
ner war, die ihn in den letzten zwanzig
Iahren seines Lebens für die Friedensidee
zu interessieren verstand. Jedenfalls ist be-
merkenswert, daß, je mehr er seine kriegs-
technischen Forschungen vorwärtstrieb, auch
er sich intensiver Eedanken über die dauer-
hafte Organisation des Weltfriedens machte.
Wenn er auch die Erfindung des Dynamits
nicht im Hinblick auf militärische Zwecke ge-
macht haben soll, wie in der Biographie des
Nobelinstituts behauptet wird, so hat er doch
wirtschaftlich genug gedacht, seine Erfindung
auch nach dieser praktischeren Seite hin aus-
zuwerten. Diese Erwägungen haben ihn viel-
leicht auch verhindert, sich phantastischen und
utopischen Eedankengängen über die Mög-
lichkeiten für eine Organisierung des Frie-
dens hinzugeben. Den Friedenskongreß von
Bern des Jahres 1893 hat er sich nur von
fern angesehen. Kurze Zeit später hat er der
schon genannten Berta von Suttner gegen-
über geäußert, daß seine Fabriken dem Krieg
vielleicht noch früher ein Ende machen wür-
den als ihre Kongresse. An dem Tage, da
zwei Armeekorps sich gegenseitig in einer
Sekunde vernichten könnten, wllrden wohl
alle zivilisierten Nationen vor einem Kriege
zurückschaudern und ihre Truppen verabschie-
den. Daß diese Rechnung nicht ganz stimmt,
beweist die Gegenwart nur zu deutlich. Trotz-
dem unterscheidet sich Nobels Meinung er-

zwar sollten die Zinsen alljährlich in fünf
gleiche Teile geteilt werden, von denen je
ein Teil demjenigen zufallen sollte, der die
wichtigste chemische Entdeckung oder Verbes-
serung gemacht hat, ein Teil für die wich-
tigste Entdeckung oder Erfindung auf dem
Eebiet der Physik, ein Teil für das Eebiet
der Physiologie oder der Medizin, ein Teil
dem, der in der Literatur das Ausgezeich-
netste in idealistischer Richtung hervorge-
bracht hat und schließlich ein Teil für den,
der am meisten oder besten fllr die Ver-
Lrüderung der Völker gewirkt und für
die Abschaffung der stehenden Heere sowie
für die Bildung und Verbreitung von Frie-
denskongressen geleistet hat. Die Vertei-
lung der Preise für Physik und Chemie
wurde der Schwedischen Akademie der Wis-
senschaften, die Verteilung des Preises fllr
physiologische oder medizinische Arbeiten
dem Karolinska-Jnstitut in Stockholm, die
für Literatur der Akademie in Stockholm
und die für die Kämpfer des Friedens
einem Ausschuß übertragen, der aus fünf
Personen bestehen sollte und von dem nor-
wegischen Storting, der Volksvertretung, ge-
wählt werden sollte. Bemerkenswert ist, daß
die Verteilung der Preise nach dem Willen
des Stifters nicht einem Jnstitut allein ob-
liegt. Eine Erklärung mag diese Tatsache viel-
leicht darin finden, daß damals Schweden und
Norwegen noch in Personalunion miteinan-
der verbunden waren und Nobel selbst auch
seine große Bewunderung gegenüber dem
Dichter Björnson zum Ausdruck bringen
wollte, dadurch daß er eine norwegische Jn-
stitution mit der Verteilung des Friedens-
preises betraute.

paMsmus

freulich von den Ansichten dieser pazifisti-
schen Kongreß-Phantasten. Nachdem er sich
jahrelang mit dem Problem der Vrauchbar-
keit bzw. llnbrauchbarkeit von internatio-
nalen Schiedsgerichtshöfen beschäftigt hatte,
entschließt er sich, die Lösung dieser Fragen
gewissermaßen in andere Hände zu legen,
indem er schon 1893 den Plan ins Auge
faßt, einen Teil seines Vermögens dazu zu
verwenden, einen Preis zu stiften, der alle
fünf Jahre verteilt werden soll. Sehr pessi-
mistisch bringt er in einem Brief wiederum
an die Suttner zum Ausdruck, daß der Rück-
fall in die Barbarei unveryreidlich sei, wenn
es nicht in dreißig Jahren gelungen sei, das
gegenwärtige System zu reformieren. Das
Testament, das mit allen Mängeln behaf-
tet ist, die ein Privattestament nur aufwei-
sen kann, enthält auch keine näheren Be-
stimmungen über die Prinzipien, welche ob-
walten sollen bei der Verteilung dieses
Preises.

preis un- preisträger

Seit dem 10. Dezember 1901 wird der No-
belpreis alljährlich verteilt. Besonders was
die Eruppen Physik, Chemie, Medizin an-
geht, so haben viele Forscher durch die Zu-
erkennung des Preises eine verdiente Ehrung
empfangen. Namen, wie Röntgen, Lenard,
Planck, Curie, Wieland, Bergius, Bosch usw.,
haben in der wissenschaftlichen Welt ihren
Ruf. Und wenn wir in der letzten Nummer
der „Vewegung" der Notiz über den jüngsten
Nobelpreisträger den Ausspruch Plancks
hinzufügten, daß niemandem der Nobelpreis
unverdient zukomme, so mllssen wir heute die
Einschränkung machen, daß das nur für die
eben genannten Eruppen zutreffen kann.
Denn es ist schlechterdings unmöglich, das-
selbe auch von den Vertretern der Friedens-
preisgruppe zu behaupten. Wenn man in die-
ser Liste Namen findet, wie Kellogg, Briand,
Stresemann oder gar den des berüchtigten
Quidde, dann verwundert es eigentlich nicht

weiter, daß heute Ossietzky und morgen viel- > es sich heute um einen Landesverräter übel-
leicht Dimitroff dazukommt. Der Unterschied ster Sorte dreht, dem diese Eigenschaft von
besteht nun aber darin, daß es sich damals dem höchsten deutschen Eerichtshof in Ver-
um mehr oder minder offizielle Erößen des bindung mit einer längeren Freiheitsstrafe
öffentlichen Lebens gehandelt hat, während , amtlich bescheinigt worden ist.

Das Storting-Komitee

welches aus fünf Mitgliedern besteht, wird,
wie oben schon angedeutet, von dem Stor-
ting, dem norwegischen Parlament, gewählt.
Nicht nur, daß es an Bestimmungen über die
Vergebung des Preises fehlt, ermangelt es
auch an Richtlinien über die Auswahl der
Ausschußmitglieder. Auf diese Weise ist es
möglich geworden, daß der nach politischen
Eesichtspunkten gewühlte Ausschuß sich nicht
von dem Willen des Stifters leiten ließ, son-
dern dieses Jnstitut dazu mißbrauchte, um
das Deutsche Reich zu brüskieren. Es will
schon sehr viel sagen, wenn zwei norwegische
Minister, der amtierende Minister Koht und
der frühere Minister Mowinckel, den Aus-
schuß verließen, um nicht unmittelbar mit-
verantwortlich für eine derartige Heraus-
forderung einer fremden Macht zu sein. Das
Storting revidierte nicht etwa in der Folge
seine Haltung — im Gegenteil, es wurde ein
Mitglied des radikalen Flügels der Arbeiter-
partei hinzugewählt, welches wegen seiner
kommunistischen Eesinnung sehr gut bekannt
ist. Dieses Komitee hat also den Friedens-
nobelpreis für 1935 dem Landesverräter

Ossietzki, den fllr 1936 dem argentinischen
Außenminister Saavedra Lamas zuerkannt.

Saave-ra Lamas

hat das Plus für sich, daß er, wie viele der
Friedenspreisträger, so unbekannt ist, daß
man noch gar nicht bemerkt hat, daß er sich
sehr für den Frieden der Welt aufgeopfert
hat. Aber beim näheren Hinsehen kann man
dse Feststellung machen, daß er tatsächlich ver-
antwortlich fllr die Schließung eines Paktes
ist, und zwar des „?aato K.ntibellico" vom
Äahre 1933. 2n diesem Pakt wird der un-
provozierte Angrifs verurteilt und die Nicht-
anerkennung von Eebieten vorgesehen, die
mit Waffengewalt erobert werden. Dieser
Pakt bildet heute die Erundlage für die
Nichtanerkennung des Römischen Imperiums
und wurde in Rio de Janeiro von den Ver-
einigten Staaten von Amerika, fast sämtlichen
lateinamerikanischen Staaten und unter an-
derem auch von England und Frankreich
unterzeichnet. Außerdem hat sich Saavedra
Lamas in der Eran-Chaco-Friedenskonferenz
veMent gemacht.

Karl von

ehemals Redakteur der kommunistischen
„Weltbühne", hat peiylich darllber gewacht,
daß die Militärklauseln des Versmller Ver-
trages von Deutschland genau eingehalten
werden. Wo sich ihm die Möglichkeit bot, hat
er in landesverräterischer Weise gegen Deutsch-
land gehetzt und bekam es tatsächlich sertig,
in einem Artikel „Windiges um die deutsche
Luftfahrt" die Deutsche Lufthansa zu verdäch-
tigen, daß sie mit der Reichswehr in Ver-
bindung gestanden hätte, - um die Militär-
klauseln des Versailler Vertrages zu um-
gehen. Diese Denunziation trug ihm
im November 1931 eine längere Gefängnis-
strafe ein. Das war sein Kampf um den
Frieden, der ihn zum Anwärter auf den
Friedensnobelpreis prädestinierte. Der Reichs-
präsident hatte sein Enadengesuch abgelehnt.
Weihnachten 1932 wurde er auf Erund der

Gffietzki

allgemeinen Amnestis in Freiheit gesetzt,
wurde dann aber bald in Sicherungsverwah-
rung genommen, so daß er keine Gelegenheit
hatte, weiter für den Frieden der Welt zu
kämpfen.

Es war klar, daß das Deutsche Reich sofort
gegen diess Brüskierung Protest eingelegt
hat und sich weitere Schritte vorbehielt. Aber
allein das eindeutige Echo, welches der Ve-
schlutz des Storting in der Presse des Aus-
landes gefunden hat, dürfte das Komitee
davon überzeugen, daß es sich auf einem fal-
schen Wege befunden hat. Die Erklärung,
welche der älteste Nachkomme Alfred Nobels
in der Presse abgegeben hat, zeigt, daß man
noch nicht einmal von dieser Seite eine solche
Verfälschung des Willens des Stifters zu-
lassen will. F.


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