Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Hcst 5. ARufftvrrte «Famrkren-Dertung. Iahrg. ms.


In Ewigkeit.
Roman
von
Woldemar Urban.
(Fortsetzung.)
ls Severo mit seiner Mutter wieder im
Wachen saß, fragte die Letztere: „Nun,
ich denke, Du bist mit mir zufrieden?"
„Ich kann Dir nicht ge-
nug danken, Mutter, für
das, was Du an Afsunta
gethan und schon jetzt aus
ihr gemacht hast."
„Das kannst Du mit
der Zeit schon, wenn Du nur willst.
Nur fürchte ich sehr, wir Alle und be-
sonders Assunta werden herben Enttäu-
schungen ausgesetzt sein durch Deinen
Vater, der wohl nie seine Einwilligung
zu einer solchen Hochzeit geben wird."
„Er wird sie geben, Mutter. Verlaß
Dich darauf."
„Fällt mir gar nicht ein, mich daraus
zu verlassen, denn ich weiß, daß er es nicht
thut, wenn nicht-"
Sie brach ab und sah Severo von
der Seite an. Sie fürchtete sich offen-
bar, das auszusprechen, was sie dachte.
„Was macht Dein Bruder, Severo?"
fragte sie, plötzlich das Gesprächsthema
ändernd.
„Es geht besser. Er wird wohl in
den nächsten Tagen wieder ausgehen
können."
Sie trommelte ungeduldig mit den
Fingern an die Wagenthür. Erst nach
einer Pause sagte sie rasch und barsch:
„Und wenn nun Dein Vater nicht einivil-
ligt? Und ich sage Dir, er wird es nie,
nie thun! WaS gedenkst Du in solchem
Falle anzusangen?"
„Ich habe daran noch nicht gedacht."
„Zum Henker, Severo, so wird es
hohe Zeit, daß Du daran denkst," fuhr
sie hastig und hitzig auf. Und als er
etwas betroffen schwieg, sagte sie wieder
in milderem, freundlicherem Ton: „Und
wann besuchst Du mich wieder, Severo?"
„Wann Du erlaubst, Mutter."
„Also morgen?"
„Gut, morgen Abend."
Damit trennten sie sich wieder. An
der Piazza Pia, wo sie den Wagen ge-
nommen, verließen sie ihn auch. Frau
Maria ging von hier allein die kurze
Strecke bis zu ihrer Wohnung zurück,
während Severo sich der Engelsbrücke

zuwandte, um auf das andere Ufer des Flusses und
nach dem Palazzo d'Artignano zurückzukehren.

JeHnte^ KclpiLok.
Für Viele war die Existenz des Cavaliere Giuseppe
Alfosfi eine dunkle, besonders für die, welche wußten,
daß er kein Vermögen besaß. Wovon lebte der Mann
jahraus, jahrein? Wovon bestritt er feinen Aufwand?
Er ging immer tadellos gekleidet, vornehm vom Scheitel
bis zur Sohle, und verkehrte häufig in den eleganteren
Restaurants. Das kostete doch im Laufe des Jahres
Geld, wenn er auch sonst, wie viele feiner Leidens-
gefährten, die auch den großen Herrn in der Öffent-

lichkeit spielten, ohne die entsprechenden Mittel zu be-
sitzen, zu Hause in einer trübseligen Dürftigkeit und
geradezu erstaunlich primitiven Armseligkeit lebte. Er
war natürlich nicht verheirathet und lebte als Junggeselle
in einer dürftigen Miethwohnung. Er hatte darin auch
eine kleine Bratpfanne und eine Spirituslampe, und
wenn diese beiden Gegenstände hätten reden können, so
würden sie von vielen trüben und traurigen Tagen er-
zählt haben, an denen der vornehme Herr Cavaliere
gänzlich auf dem Trockenen faß, um mit knurrendem
Magen sich einige Eier zu sieden, oder übel nussehende
Fleischabfälle, die er verstohlen auf der Straße für-
einige wenige Soldi gekauft, zu braten. Aber Brat-
pfanne und Spirituslampe waren verschwiegene Freunde
des Cavaliere, und so blieb er in der
Oeffentlichkeit immer der feine, vornehme
Mann.
Schon oft hatte Alfosfi in seiner Eitel-
keit sein Abendbrod geopfert, um eine
neue Kravatte, ein paar neue Handschuhe
oder frisches Parfüm zu kaufen. Er hatte
darin Recht, denn das war fein Hand-
werkszeug, das verschaffte ihm Respekt
unter den Leuten und Eintritt in den
Circolo Capitolino.
Dieses letztere war sein eigentliches
Arbeitsfeld, und fast kein Abend verging,
ivo Alfosfi nicht im Eingangszimmer des
eleganten Klublokals auf dem Sopha faß
und, behaglich wie ein Millionär, eine
Cigarette oder eine Virginia oder gar
eine Minghetti rauchte.
Der Circolo Capitolino war nämlich
ein Klub, in dem die jungen und reichen
Leute der Stadt an manchen Abenden
ein kleines Spielchen machten, wobei es
bekanntlich manchmal vorkommt, daß
Dem oder Jenem unversehens das Geld
ausgeht. Dann trat der betreffende Herr-
Graf, oder der Herr Commendatore oder
Senatore in das Eingangszimmer heraus,
und es entspann sich zwischen ihm und
Alfosfi etwa folgendes Gespräch:
,Cavaliere?"
„Ah, Excellenz! Wie gehts? Außer-
ordentlich erfreut, Sie wohl und munter
zu sehen. Kann ich Ihnen gefällig sein in
irgend einer Weise? Pech gehabt, wie?
Sie wissen, Excellenz, ich bin verschwiegen
wie das Grab. Sie dürfen mir ver-
trauen."
„Ich brauche rasch ein paar hun-
dert (oder — je nachdem — ein paar
tausend) Lire, Cavaliere."
„Ich bin untröstlich, Excellenz, nicht
auf der Stelle aus eigenen Mitteln zu
Ihrer Verfügung sein zu können, aber
wenn Sie die Summe und Ihren Na-
men auf eine Visitenkarte schreiben, so
erbiete ich mich, sie bei Ihrem Bankier
(oder — je nachdem — bei Ihrer Mut-
ter, Ihrem Onkel, Ihrem Hausverwalter
oder bei dem oder jenem Wucherer) zu

Kmmnretta. Nach einem Gemälde von H. Knöchl. (S. 115)
 
Annotationen