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Hest ii Juustvirte FamiUen-Dertung. Iahrg. W5.


Der Schatten von LolgersHolnr.
Roman
von
Friedrich Jarobsrn.
(Fortsetzung u Schluß.)
(Nachdruck verboten.)
Zwölftes Kapitel.
Gln Schriftstück aus dem Geheimfach des Dr. I^rätorius.
s ist meines Erachtens die Möglichkeit nicht aus-
geschlossen, das; ich bald sterben werde; und ich
will daher, aus reiner Hochachtung vor der objek-

tiven Wahrheit hier ein Bekenntniß niederlegen, dessen
weiteres Schicksal ich durchaus dem Zufall überlasse,
denn die Wahrheit ist meines Erachtens nach für die
Menschen nichts nütze. Ob daher dieses Schriftstück
jemals von dem Auge eines Sterblichen gelesen werden,
oder ob es mein eigenes Schicksal theilen und un-
beachtet in Staub zerfallen wird, ist mir gleichgiltig.
Ich lege es in das mir allein bekannte Geheimfach
meines Schreibtisches, nicht wissend, ob die Geschicklich-
keit des Schreiners und der wühlende Spürsinn meiner
Erben hinreichend groß sind, um den Spiele des Zu-
falls genügenden Raum zu gewähren.
Ich werde mich bei der Aufzeichnung dessen, was
ich zu berichten habe, der größten Genauigkeit und
Objektivität befleißigen; ich werde mir bei jedem Worte


vergegenwärtigen, daß ich meine eigene Anklage- und
Vertheidigungsrede halte, und daß jenes Tribunal,
welches über mich zu urtheilen berufen ist, vorderhand
einzig und allein seinen Platz unter meiner eigenen
Schädeldecke und zwischen der dritten und vierten Rippe
meiner linken Brustkastenhälfte aufgeschlagen hat.
Und nun zur Sache.
Ich wüßte mich nicht zu entsinnen, daß ich jemals
in meinem Leben blind geliebt hätte. Wohl hat alle
Zärtlichkeit, deren auch mein Herz fähig ist, einem
weiblichen Wesen angehört und wird ihm zu Eigen
bleiben, aber jenen einen Namen möchte ich, wenn es
möglich ist, von diesen Blättern fernhalten.
Dennoch war ich von Zeit zu Zeit, entgegen der
Stimme meines Verstandes, ein lebhafter Bewunderer
 
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