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Heft >8.

Mustrrrte FanriUen-Zertung.

Iahrg. 1895.



sorgniß erregend ist. Er dürfte binnen Kurzem völlig
hergestellt sein."
Löwengaard athmete tief auf wie Jemand, dem eine
schwere Last vom Herzen genommen wird.
„Dem Himmel sei Dank! Ich bitte Sie dringend,
Herr Doktor, hier ganz nach Ihrem Belieben alle An-
ordnungen zu treffen, die Ihnen für das Wohl des
Patienten erforderlich scheinen."
Aber der Arzt beschränkte sich darauf, aus einem
der Fremdenzimmer ein einfaches Bett bringen zu lassen,
das nach seiner Anweisung hergerichtet wurde. Dann
ivar er behilflich, den Verwundeten zu entkleiden und
ihn so zu lagern, wie es die Natur seiner Verletzungen
gebot.
„Dieser Verband, der auf der Sanitätswache an-
gelegt worden ist, reicht für die ersten Tage vollständig
aus," meinte er auf eine Frage des besorgten Oheims.
„An besonderen Verhaltungsmaßregeln wüßte ich Ihnen
nichts weiter zu empfehlen, als daß der Patient auf
eine leichte Diät gesetzt und so viel als
möglich sich selbst überlassen werde. Je
weniger Gesichter er um sich sieht, desto
ersprießlicher wird es für ihn sein. Ist es
Ihnen genehm, so komme ich morgen wie-
der, um nach ihm zu sehen. Aber ich
werde es Ihnen auch keineswegs verübeln,
wenn Sie jetzt einen anderen Arzt zu Rathe
ziehen."
Julius Löwengaard bat ihn auf das
Eindringlichste, dem Verletzten seinen Bei-
stand nicht zu entziehen, und als sie dann
gemeinsam das Krankenzimmer verlassen
hatten, sagte er: „Ich kann mich von meiner
Bestürzung noch gar nicht erholen. Mein
Nesse ist ein so ausgezeichneter Reiter, und
das Pferd war mir als völlig fehlerfrei
verkauft worden. Gewiß ist irgend ein un-
glückseliger Zufall dabei im Spiele ge-
wesen."
„Wenn man Ihnen den Gaul als fehler-
frei verkauft hat, so wurden Sie eben be-
trogen. Da ich ein Augenzeuge des Un-
falls gewesen bin, kann ich Ihnen bestä-
tigen, daß der junge Mann sich sehr wacker-
gehalten hat. Aber sein Pferd schien mehr
von dem Temperament einer wilden Katze,
als von dem eines Einhufers zu haben.
Die Sache Hütte leicht noch sehr viel schlim-
mer ablaufen können."
Mit großer Wärme schüttelte ihm Lö-
wengaard die Hand. „Sie haben mich
jedenfalls für immer zu Ihrem Schuldner-
gemacht, Herr Doktor! Und noch einmal:
Sie fürchten nichts für sein Leben?"
„Nichts! Die Kontusionen am Kopf
sind ganz unbedeutend. Eine Gehirner-
schütterung liegt nicht vor, und die Schlüssel-
beinfraktur wird voraussichtlich ohne nach-
theilige Folgen zur Heilung kommen."
„Ich kann Ihnen nicht sagen, wie sehr
Sie mich durch diese tröstliche Verheißung
erfreuen. Hätte ich mir doch mein Leben
lang Vorwürfe machen müssen, wenn er

Moderne Freibeuter.

Roman

von
Lothar Brenkrndvrf.
(Fortsetzung.!
- - (Nachdruck verboten.)
Drittes Kelpitet.
s war zwei Tage später um die Vormit-
tagszeit; da hielt eine geschlossene Droschke,
die in langsamer Fahrt die Straße herauf-
gekommen war, vor Julius Löwengaard's
Hause. Ein gut gekleideter Herr stieg aus,
um die Glocke zu ziehen. Wenige Minuten
später wurden die großen Thorflügel von
innen geöffnet, und das unscheinbare Fuhr-
werk rollte in die Einfahrt, die sich sonst
nur für die eleganten Equipagen vornehmer
Besucher erschloß.
Mit bestürztem Gesicht stand der Diener
am Fuß der breiten Marmortreppe.
„Also hat der junge Herr doch Unglück
mit dem abscheulichen Gaul gehabt. Aber
es ist hoffentlich nicht gefährlich?"
Der fremde Herr, der sich der Die-
nerschaft mit einigen kurzen Worten als
Arzt zu erkennen gegeben hatte, schüttelte
den Kopf.
„Er wird nicht daran sterben. Helsen
Sie mir jetzt ein wenig! Nur vorsichtig,
ganz vorsichtig! Stützen Sie die linke
Schulter des Verwundeten! — So, legen
Sie Ihren gesunden Arm um meinen Hals,
Herr Löwengaard! Dann kommen wir die
wenigen Stufen ganz gut hinauf! — Es
gibt doch hier im Parterre ein Zimmer
mit einem bequemen Ruhebett?"
Mit aschfahlem Gesicht, den Kops und
den rechten Oberarm dick verbunden, war
Cäjar Löwengaard aus dem Innern der
Droschke zum Vorschein gekommen. Er-
litt offenbar empfindliche Schmerzen; denn
er ächzte und stöhnte unausgesetzt, wäh-
rend ihn der Arzt und der Diener über
die erste, niedrige Treppe geleiteten. Erst
csis er in einem der nächsten Gemächer
auf den breiten Divan niedergelegt worden
war, schien er sich etwas weniger unbe-
haglich zu fühlen. Wenigstens ermannte
er sich jetzt dazu, einige zusammenhängende
Worte zu sprechen.
„Wenn doch die verdammte Bestie das
Genick gebrochen hätte! Der Teufel mag
mit dieser Kanaille von einem Gaul fertig
werden! — Ach, Doktor, das da oben an
der Brust thut ganz schauderhaft weh."
„Sie haben eben das Schlüsselbein
gebrochen," meinte der Arzt ruhig, „und
es sind da noch ein paar kleine Zerreißungen.
Tas Beste ist, wenn Sie sich ganz still

verhalten. Man muß Ihnen sogleich ein ordentliches
Bett in diesem Zimmer aufstellen, denn es ist noth-
wendig, daß Sie hier unten bleiben."
Der Verwundete begann von Neuem zu ächzen; der
Doktor aber, der den Fall nicht sehr tragisch zu nehmen
schien, ersuchte den Diener, ihn nunmehr bei dem Herrn
des Hauses zu melden. Doch es bedurfte solcher Förm-
lichkeit nicht mehr. Julius Löwengaard, der durch den
Pförtner von dem Vorgefallenen unterrichtet worden
war, trat eben mit allen Anzeichen des Entsetzens in's
Zimmer.
„Ja, ist es denn möglich? Cäsar, mein armer
Junge, was ist mit Dir geschehen?"
Der Verunglückte erhob stöhnend den bandagirten
Kopf; der Arzt aber nahm statt seiner das Wort:
„Erlauben Sie, daß ich mich vorstelle! Doktor Fischer,
praktischer Arzt. Ihr Herr Nesse ist von seinem
Pferde abgeworfen worden und hat einige Verletzungen
davongetragen, von denen glücklicher Weise keine Be-

Kürst Ake^nuder Loöarrorv-Ziostorvski,
der neue russische Botschafter am deutschen Kniserhvfe. (S. 431)
 
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