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Heft 24.

kochherd (S. 589 oben) ist 5sts Meter lang, Ist? Meter
breit, der Wasserkessel faßt 100 Liter. 14 Töpfe und Pfannen
können auf diesem Herde gleichzeitig in Thätigkeit gesetzt wer-
den. Unter der Herdplatte liegen zwei durchgehende Brat-
röhren und mehrere Wärmeschränke. Jede Ningöffnung hat
ihre besondere Zündflamme. An der Rückwand erhebt sich
ein Back- und Bratofen (S. 588 oben), dessen Bratspieß-
apparat, 2'/s Meter hoch und breit, durch eine vernickelte
Rolljalousie verschließbar, von zwei selbstthätigen Drehwerken
getrieben wird. Er vermag den größten Ochsenrücken oder
acht Puter zu gleicher Zeit zu braten; viele hundert Gas-
flümmchen umgeben den Apparat von allen Seiten, so daß
eine beispiellose Gleichmäßigkeit im Durchbraten erzielt wird.
An ihn reihen sich ein riesiger Wärmeschrank, sowie vier Grill-,
Brat- und Backöfen mit Ober- und Unterfeuerung. Außer-
dem Hauptherd sind noch verschiedene kleinere da, einer mit
zwei Bouillonkesseln, die 320 Liter fassen. Ueberall flammen
durch eine Drehung am Hahn zahlreiche Flämmchen auf und
verlöschen ebenso schnell wieder. In einem vor der Haupt-
küche gelegenen Raume befindet sich das Ausgabefenster
(S. 588 unten), wo alle Speisen an die Kellnerschaar ver-
abfolgt werden. In einem anderen Raume find die Fisch-
behälter mit fließendem Wasser und lebenden Fischen, ge-
waltige Anrichtetische und ein 5 Meter breiter und 2'/s Meter-
hoher Eisschrank, der 12 Centner Eis birgt. Die Spülein-
richtung ist mit Majolikafliesen ausgelegt. Wieder ein an-
derer Raum birgt die gewaltigen Schränke mit Glas, Por-
zellan u. s. w., hier werden auch Kartoffeln geschält, Gemüse
geputzt u. s. w. Das oberste Regiment in all' diesen Räumen
führt Meister Wunder, der Oberkoch; unter ihm walten sieben
Köche und drei Küchendiener und fünf Küchemnädchen ihres
Amtes, während ein Direktor und ein Buchhalter den admini-
strativen Theil versehen.

„Schwänzen?
Zeitgemäße Betrachtung
von
Nlr. Myers.
(Nachdruck verboten.)
m die Mitte April dieses Jahres ist unseren
Hausfrauen eine gewaltige Ueberraschung
bereitet worden: einer der nothwendigsten
Bedürfnißartikel, das Petroleum, hat plötz-
lich eine Vertheuerung erfahren; der Preis
ist von 18 Pfennig auf 30 Pfennig für
das Liter in wenigen Tagen gestiegen.
Während diese Zeilen geschrieben werden, beträgt der
Preis schon 35 Pfennig, und Eingeweihte behaupten,
daß er auf 50 und 55 Pfennig steigen würde. Vielleicht
ist diese traurige Prophezeiung schon in Erfüllung ge-
gangen, wenn diese Zeilen dem Publikum gedruckt
vorliegen. Eingeweihte behaupten ferner, das Petro-
leum werde sich ziemlich lange in so hoher Preislage
erhalten, und wenn später auch wieder ein Sinken des
Preises eintrete, würde derselbe kaum wieder aus 18
Pfennig heruntergehen.
Diese Vertheuerung eines so nothwendigen Artikels
ist höchst bedauerlich, und unwillkürlich fragt sich Jeder,
wie denn die plötzliche Preisheraufsetzung entstanden ist.
Die Antwort auf diese Frage lautet einfach, die Preis-
steigerung ist ein Spekulationsmanöver, ist durch eine
„Schwänze" verursacht worden. Leute, welche mit dem
Welthandel Fühlung haben, wußten schon lange, daß
diese „Schwänze" eintreten würde, und deutlich ließ sich
die Absicht einiger amerikanischer Großkapitalisten ver-
folgen, dem Petroleum einen riesenhaften Preisauf-
schwung zu geben, um sich die Taschen zu füllen.
Eine solche künstliche Vertheuerung von nothwendigen
Dingen ist ja auf dem Weltmärkte nichts Neues. Wir
werden weiter unten sehen, daß vor Jahrtausenden schon
„Schwänzen" selbst im klassischen Griechenland in Scene
gesetzt worden sind. Den Amerikanern, den rücksichts-
losesten Geschäftsleuten der Gegenwart, war es Vor-
behalten, dem ganzen Erdkreis in wucherischer Weise
einen der nothwendigsten Verbrauchsgegenstände zu ver-
theuern.
Das Wort „Schwänze" ist ein Börsenausdruck.
Es bedeutet die Ansammlung und Zurückhaltung von
Dingen, welche auf dem Markte nothwendig gebraucht
werden, um den Preis unverhältnißmäßig zu erhöhen.
Dieses Aufsammeln und künstliche Zurückhalten kann
geschehen bei Metallen, bei Getreide, bei Petroleum, ja
auch bei Börsenpapieren und Gold, und wenn in manchen
Füllen die Spekulation auch fehlschlägt, so glückt sie doch
bei genügender Kapitalkraft der Spekulanten meist der-
artig, daß die Wucherer sich auf Kosten des großen
Publikums in geradezu räuberischer Weise um Millionen
bereichern.
Betrachten wir die geschichtliche Entwickelung dieser
künstlichen Preisheraufsetzung bis auf die jetzige Pe-
troleumkalamitüt, um uns klar zu machen, wie von
Jahrhundert zu Jahrhundert immer dieselbe Sache von
gewissenlosen Spekulanten in Scene gesetzt wird.
Schon im Jahre 600 v. Ehr. verbot der Athenienser
Solon in den Gesetzen, die er dem Staate gab, den

Das Buch für Alle.
privaten Handel mit Getreide, weil schon damals die
Händler es verstanden, in gewissen Augenblicken eine
„Schwänze" zu machen. Sie hielten Getreidevorräthe,
die sie aufgekaust hatten, zurück und erzeugten eine
Theuerung, ja Hungersnoth, um dann die aufgesammelten
Getreidevorräthe mit einem ganz kolossalen Nutzen zu
verkaufen. Auch im alten Rom war man gezwungen,
gegen die Getreidewucherer, auch hin und wieder gegen
die des Weines und des Oeles, gesetzgeberische Maß-
regeln zu ergreifen. Die Chroniken des gesummten
Mittelalters sind ebenfalls erfüllt mit Klagen über den
Kornwucher. Besonders nach Mißernten traten Spe-
kulanten zusammen, und bildeten einen Ring, um das
Publikum auszubeuten. Die Verkehrsmittel waren nicht
derartige, daß binnen kurzer Zeit die fehlenden Brod-
früchte durch Einfuhr ergänzt werden konnten. Die
Wucherer kauften alles Getreide auf und hielten ihre
Magazine versperrt, bis der Preis das Zehnfache, ja in
manchen Jahren das Vierzig- bis Fünfzigfache des ge-
wöhnlichen Preises erreichte. Natürlich waren nur ver-
mögende Menschen im Stande, eine solche Preisherauf-
setzung zu ertragen. Die ärmeren Klassen hatten kein
Brod, sie waren gezwungen, sich von Gras, Baumrinde
und andern unverdaulichen Dingen zu nähren; Hun-
derte, Tausende von Menschen, insbesondere von Kin-
dern starben infolge von Hunger und Entkräftung als
Opfer der Habgier der Spekulanten. Grausame Morde,
die an Kornwucherern begangen wurden, fürchterliche
Volksaufstände, bei denen Schuldige und Nichtschuldige
umkamen, konnte doch den Getreidewucher nicht ver-
hindern. Die Staaten versuchten der Wiederholung
solcher Preiserhöhungen dadurch ein Ziel zu setzen, daß
sie Getreidemagazine anlegten und aus diesen zu bil-
ligen Preisen Getreide abgaben, wenn Theuerung eintrat.
Aber bei wiederholten Mißernten war der Staat selbst
nicht in der Lage, seine Magazine gefüllt zu erhalten,
und so konnte er auch nichts gegen die künstliche Preis-
steigerung thun.
In Deutschland, besonders im Norden, haben die
Jahre 1845 bis 1848, in denen außerordentlich schlechte
Ernten an Getreide zu verzeichnen waren, großes Elend
über die Bevölkerung gebracht, weil die Kornwuchererkünst-
lich die vorhandenen Vorrüthe zurückhielten. Die Einrich-
tung der Eisenbahnen, die bald nach diesen Hungerjahren
folgte, hat wenigstens auf dem Gebiete des Getreide-
handels das „Schwänzen" unmöglich gemacht. Durch den
modernen Weltverkehr kann Deutschland sich stets Getreide
aus dem Innern Rußlands oder aus Nordamerika ver-
schaffen. Die überseeische Dampfschifffahrt ermöglicht
es heute sogar, für verhältnißmäßig billiges Geld
australisches Getreide heranzuschaffen, und ein Korn-
wucher ist endgiltig ausgeschlossen, denn selbst die ameri-
kanischen Kapitalisten würden es kaum fertig bringen,
soviel Geld aufzutreiben, um alle Getreideproduzenten
in allen Welttheilen zum Gehorsam zu zwingen und
von sich abhängig zu machen. Um so üppiger blühen
die „Schwänzen" auf anderen Gebieten.
Als sich in den sechziger und vor Allem siebenziger
Jahren das Börsenwesen und das Spielen in Börsen-
papieren auch in Deutschland mehr und mehr entwickelte,
wurden hier die „Schwänzen" in gewissen Papieren
üblich. Zum Börsenspiel gehört es, Papiere „auf Ul-
timo zu kaufen". Die Manipulation, um die es sich
dabei handelt, ist eine ziemlich einfache. A sagt zu B:
ich kaufe von Dir 5000 Stück irgend eines Papiers zum
Preise von 152. Du bist verpflichtet, mir am Ultimo,
wenn ich es verlange, dieses Papier für den Preis
von 152 zu liefern. Wenn hier A der Käufer ist und
von B die 5000 Stück Aktien oder Staatspapiere ge-
kauft hat, so hat er dies gethan, weil er hofft, die
Aktien werden bis dahin steigen. Um sich den Gewinn
zu sichern, verkauft er an C denselben Posten Aktien
zum Preise von 157 und hat dann 5 Prozent verdient.
Ist ein Börsenpapier besonders von der Spekulation
bevorzugt, so kommt es vor, daß viel mehr Engagements
per Ultimo abgeschlossen werden, als überhaupt Aktien
von diesem Papier vorhanden sind. Nehmen wir an,
die Aktiengesellschaft, in deren Papieren man spekulirt,
hat für 30 Millionen Mark Aktien ausgegeben. An
der Börse ist ein großes Engagement, und sollten am
Ultimo die Papiere wirklich den Käufern von den Ver-
käufern übergeben werden, so wäre eine Menge von
90 Millionen Aktien nothwendig. In solchem Falle
setzen große Firmen ost eine „Schwänze" in's Werk.
Sie beeinflussen das Börsengeschäft so, daß in der That,
wenn auch nicht 90 Millionen, so doch vielleicht 60 Mil-
lionen Aktien an einem bestimmten Ultimo thatsächlich
zu liefern sind. Da die Verkäufer dazu natürlich nicht
im Stande sind, so können die großen Firmen, die
Käufer, einen kolossalen „Deport", das heißt eine Ver-
zinsung verlangen, wenn sie dem Verkäufer gestatten,
ihnen die Papiere erst nm nächsten Ultimo zu liefern.
Ist das Papier, das der Spekulant mit 152 gekauft
hat, vielleicht in eine „Schwänze" hineingezogen worden,
so kann der Verkäufer in die Lage kommen, 50 Prozent
Avance, also bis 200 Prozent dafür zahlen zu müssen,
daß er das Papier in Wirklichkeit erst am nächsten Ul-
timo liefert. Es gibt solche „Schwänzen" in Eisenbahn¬


aktien, Aktien von industriellen Unternehmungen, Braue-
reien, Berg- und Hütteilwerken u. s. w. Es vereinigt sich
da zu oft die „goldene Internationale", das heißt große
Bankiers in Paris, Wien, Frankfurt a. M., Berlin u.f. w.
Diese Spekulanten lassen unter der Hand nicht nur die
Aktien auskaufen, sondern verpflichten sich auch, sie zurück-
zubehalten und nicht herauszugeben. Haben sie erst den
größten Theil aller vorhandenen Aktien in ihren Tre-
sors aufgestapelt, dann wird ein großes Geschäft in
diesen Aktien in Scene gesetzt, indem die Bankiers selbst
als Käufer zu hohen Kursen auftreten. Am Lieferungs-
tage können natürlich die Verkäufer die Aktien nicht
auftreiben, und da sie vertragsmäßig liefern müssen,
siird sie gezwungen, die Aktien, die sie billig verkauft
haben, von diesen selben Käufern zu einem horrenden
Preise zu erwerben oder ihnen die Differenz zwischen
dem Verkaufspreise und dem künstlich erhöhten Kurs-
stand am Schluffe der „Schwänze" auszuzahlen. Eins
solche „Schwänze" bringt den großen Bankhäusern
Millionen ein, Hunderte von kleinen Spekulanten aber
sind ruinirt, und das thörichte Publikum, das mit
seinen Ersparnissen an der Börse sich betheiligt, sieht
in wenigen Augenblicken seine sauer erworbenen Groschen
wie Eis in der Sonne verschwinden.
Die Amerikaner waren die Ersten, welche derartige
Spekulationen auch auf dem Produktenmarkte versuchten.
Sie beschränkten sich allerdings in früheren Jahrzehnten
darauf, ihre Landsleute auszubeuten. Heute hat es
die amerikanische Spekulationswuth durchgesetzt, daß
„Schwänzen" für den ganzen Welthandel möglich sind.
Es handelt sich dabei um Produkte, die nicht in allzu
großer Menge vorhanden sind, nur an gewissen Orten
hervorgebracht werden und für Jedermann nothwendig
sind. Der Kupserring, an welchem vor wenigen Jahren
auch das große Publikum, besonders in Frankreich,
Milliarden verloren hat, ist ein Beweis dafür, wie
diese Spekulanten es verstehen, Zeitverhältnisse und
Marktbedürfnisse auszunutzen. Kupfer war auf dem
Weltmärkte außerordentlich im Preise gefallen. Wäh-
rend in früherer Zeit fast sämmtliche Gefäße für die
Küche und viele Dinge für den Haushalt aus Kupfer
angefertigt wurden, hatte Gußeisen und Zink das Kupfer
aus diesen Gebieten zum Theil verdrängt. Da kam
der Aufschwung der Elektrizität. Erfindung auf Er-
findung folgte, und da man entdeckte, daß Kupfer das
beste Material für Leitungsdrähte abgebe, entstand
plötzlich ein außerordentlich großer Bedarf für Kupfer.
Noch im Jahre 1887 hatte das Kupfer einen Preis
von 38 Pfund Sterling für die englische Tonne, und
es war Aussicht vorhanden, daß das Kupfer noch billiger-
werden würde, weil die Kupferminen in Spanien, in
Nord- und Südamerika und Südafrika immer mehr
Kupfer auf den Markt brachten. Hatte man früher
diejenigen Kupfergruben, deren Minen nicht besonders
ergiebig waren, aufgegeben, so sagten sich jetzt die Be-
sitzer dieser Gruben: Die Elektrizität braucht soviel
Kupfer, daß es sich wohl lohnt, unsere Gruben wieder
in Gang zu setzen. So wurde die Produktion von
Kupfer mehr und mehr erhöht, und der Preis drohte
noch unker 38 Pfund Sterling herunterzugehen.
Jetzt schien die Zeit gekommen, einen „Ring", wie
die Amerikaner dies nennen, zu bilden, um den Kupfer-
preis künstlich zu erhöhen. Amerikanische Firmen setzten
sich mit französischen Firmen in Verbindung. Die
kolossalen Kupfervorrüthe, die auf dem Markte waren,
wurden ausgekauft und vorläufig nicht weiter verkauft.
Man ging aber noch weiter. Man kaufte die Aktien
der Kupferminen auf, um die Produktion nach Be-
lieben einzuschränken, und im Jahre 1889 waren die
Mitglieder des Kupferringes so weit, ihre Ernte ein-
heimsen zu können. Auf dem Markte war plötzlich
gar kein Kupfer mehr zu haben. Dabei stieg das Be-
dürfnis; dafür von Tag zu Tag, und mit diesem der
Preis. In wenigen Wochen stieg die Tonne Kupfer
in London, wo sich der Weltmarkt für dieses Metall
befindet, von 38 auf 105 Pfund Sterling. Die Mit-
glieder des Ringes schoben einen ungeheuerlichen Raub
in ihre Taschen, das heißt nur diejenigen, die klug
genug waren, sich zur rechten Zeit zurückzuziehen. Denn
nach einigen Monaten wurde es selbst den Spekulanten
nicht mehr möglich, die Vorräthe noch weiter zurück-
zuhalten. Sie mußten freigegeben werden, der Markt
war auf einmal Mit Kupfer überschwemmt, und der
Preis fiel rasend schnell auf 36 Pfund Sterling. Die
großen Spekulanten, die sich zeitig genug aus der
Affaire gezogen hatten, strichen Milliarden ein, die
kleinen Spekulanten, die in der „Schwänze" sitzen
blieben, waren ruinirt.
Ein noch wichtigeres Produkt auf dem Weltmarkt,
als das Kupfer, ist nun das Petroleum, weil die brei-
testen Schichten aller Völker der Welt an dem Konsum
desselben betheiligt sind. Petroleumlampen brennt man
heute in Europa, in Asien, Afrika, Australien, Nord-
und Südamerika. Dabei gibt es wenig Länder, welche
große Massen von Petroleum produziren; es sind dies
nur Pennsylvanien und Rußland. Wohl produzirt
auch Galizien und Deutschland (in Hannover) Petro-
leum, aber die Quellen, d:e man hier erbohrt hat, sind
 
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