Heft 24.
Das Buch für Alle.
591
gering gegen die unerschöpflich scheinenden Quellen von
Pennsylvanien und Baku.
Es mußte daher für die amerikanischen Großspeku-
lanten sehr verlockend sein, einen Petroleumring in's
Leben zu rufen. Den ersten Schritt dazu thaten sie
vor einer ganzen Reihe von Jahren durch die Grün-
dung der „Standard Oil Company". Schon bei der
Begründung dieser riesenhaften Gesellschaft, die mit
Milliarden arbeitet, wurde von Einsichtigen behauptet,
sie sei nur in's Leben gerufen, um den Petroleumhandel
vollständig zu monopolisiren und zu gelegener Zeit durch
eine kolossale Preissteigerung das Publikum auszu-
beuten. Systematisch hat auch die Gesellschaft durch
ihr riesiges Kapital nicht nur sich ein Monopol für den
Verkauf des amerikanischen Petroleums geschaffen, son-
dern auch die Konkurrenten gezwungen, sich mit ihr in's
Einvernehmen zu setzen und nach ihren Wünschen zu
produziren und die Preise festzusetzen. Wer nicht wollte,
wurde durch Unterbietung planmäßig und kaltblütig
ruinirt.
Nachdem die Standard Oil Company soweit ge-
kommen war, daß sie den Weltmarkt in Petroleum
vollständig beherrschte, hielt sie in Amerika wochenlang
das Petroleum zurück, und da der Konsum unterdeß
seinen stetigen Fortgang nahm, war plötzlich allenthalben
in der Welt Mangel an Petroleum. Das führte zu
der Erhöhung des Preises, und dieser wird noch viel
höher gehen, wenn es den Amerikanern gelingt, sich
mit den russischen Petroleumgesellschaften zu vereinigen.
Man behauptet, der russische Finanzminister würde
diese Vereinigung nicht gestatten. Aber auch wenn
dieser „Weltring" nicht zu Stande kommt, verdienen
die Häuptlinge dieser „Schwänze" Millionen, und das
Publikum, besonders der kleine Mann, muß „bluten".
Machen läßt sich gesetzlich gegen diese Art der räu-
berischen Ausbeutung absolut nichts. Es ist nur zu
hoffen, daß die künstliche Preissteigerung nicht allzu-
lange dauert, indem unsere hochentwickelte Industrie
uns zu Hilfe kommt. Schon jetzt, nach der ersten
Steigerung des Petroleumpreises, kommen von allen
Seiten Nachrichten, daß Erfindungen gemacht sind, welche
Ersatzmittel für das Petroleum gewähren. Steigt der
Preis noch weiter, so werden die Aussichten auf Ge-
winn die Industrie wie die Erfinder veranlassen, Mittel
und Wege zu finden, um nicht nur den Verbrauch des
Petroleums zu verringern, sondern dasselbe vielleicht
ganz entbehrlich zu machen. Gelingt dies, so wird der
Rückschlag bei den Besitzern der großen Petroleum-
minen eintreten. Sie heimsen jetzt ungeheuerliche Sum-
men ein; wenn aber dauernd der Konsum von Petroleum
abnimmt, werden sie im Laufe der Jahre Verluste zu
erleiden haben, die den augenblicklichen Gewinn bedeu-
tend beschneiden dürften.
Allerdings dem kleinen Mann, der jetzt anstatt 18
Pfennig das Doppelte und vielleicht noch mehr für
das Liter Petroleum bezahlen muß, ist mit dieser
Aussicht aus die Zukunft wenig geholfen, und der
Gedanke, daß Millionen von Menschen hilflos der
Ausbeutung einer Gruppe habgieriger Spekulanten
preisgegeben find, dürfte viel berechtigte Erbitterung
erzeugen. Es wäre dringend zu wünschen, daß Staat
und Gesellschaft Mittel und Wege fänden, um solchen
Beutezügen gegen die große Masse der Unbemittelten
ein Ende zu bereiten.
Hin glückticher Kinder. — Zwei Jahre schon war ich
in dem gelobten Lande, zwei lange Jahre voll harter Arbeit
und bitterer Enttäuschung in der Weltstadt New-Jork.
Meine einzige Freude war, wenn ich am Sonnabend, den
sauer verdienten Wochenlohn in der Tasche, in unsere deutsche
Stammkneipe gehen konnte, wo ich Landsleute traf — ehe-
malige Studenten, Offiziere, Kaufleute, Schauspieler u. s. w.,
die gleich mir einst mit großen Hoffnungen herübergekommen
waren, und jetzt froh sein mußten, wenn sie als Kellner,
Hausirer u. dergl. ihr Leben fristeten.
Eine der originellsten Figuren unserer Tafelrunde war ein
Berliner Kaufmann, der dem Schah von Persien so ähnlich
sah, daß wir ihm den Spitznamen Schah gaben. Er plante
stets die großartigsten Unternehmungen und saß doch stets in
der größten Dürftigkeit.
Seine Werthsachen und überflüssigen Kleidungsstücke waren
schon den bekannten Weg zum Trödler gewandert, nur noch
einen Winterüberzieher besaß er, der ihn gegen die empfind-
liche Kälte des Januar schützte.
Wieder saßen wir eines Abends zur gewohnten Stunde
in fröhlicher Laune beisammen, als plötzlich die Thür auf-
gerissen wurde und schneebedeckt, jedoch freudestrahlend, unser
Freund Schah hereinstürmte.
Es fiel mir auf, daß er bei dem fürchterlichen Wetter ohne
Ueberzieher war, doch sollte ich gleich die Ursache erfahren.
„Meine Herren," begann er, „denken Sie nur, welches
Glück ich gehabt habe! Ich gehe heute Nachmittag die Bowery
hinunter und sehe einen Handschuh, der vor mir mitten auf
dem Trottoir liegt. Ich beuge mich nieder, um ihn aufzu-
heben, jedoch in demselben Augenblick hat auch ein anderer Herr
ihn schon erfaßt. Dieser nimmt ihn an sich und ruft plötz-
lich, nachdem er ihn befühlt hat: ,HMloh, was ist das, da ist
etwas Hartes d'rin ü
Er dreht ihn um, und heraus kommt — was glauben
Sie wohl? Ein goldener Ning. Es fand sich, daß es ein
schwerer goldener Trauring war, auf der Innenseite mit
achtzehn Karat gestempelt.
,Was nun?- sagte der Herr, ,das ist ein Ning, der min-
destens zehn Dollars werth ist. Sie haben ihn mitgefunden,
und da Sie ebenfalls nicht in den besten Verhältnissen zu sein
scheinen, so mache ich Ihnen den Vorschlag, daß wir die Beute
theilen. Ich habe leider nur wenig Geld bei mir, da ich einige
Einkäufe gemacht habe, aber geben Sie mir zwei Dollars,
und der Ring gehört Ihnen. Sie machen dadurch ein gutes
Geschäft?
Zu meinem größten Bedauern mußte ich ihm die traurige
Mittheilung machen, daß ich nur der glückliche Besitzer von
zehn Cents sei, die meine ganzen irdischen Reichthümer dar-
stellten. Der Mann, der es sehr eilig zu haben schien, sann
einen Augenblick nach, dann wußte er auch hier Rath.
,Sie haben ja noch einen guten Paletot/ sagte er, ,diesen
versetzen Sie und geben mir von dem Erlös zwei Dollars,
dann gehen Sie zu einem Juwelier, verkaufen den Ring und
holen Ihren Rock zurück?
Dies war Rettung in der Noth. Gesagt, gethan! Wir
gingen zum Onkel Simpson in der Bowery, und ich erhielt
gerade zwei Dollars für den Nock, die ich natürlich meinem
Partner einhändigte. Wir verabschiedeten uns in der freund-
schaftlichsten Weise von eina der, und hier, meine Herren —
hier ist der Ring!"
Neugierig sprangen wir von unseren Sitzen auf und be-
sahen den Ring. Er war augenscheinlich von schwerem Gold
und zeigte deutlich auf der Innenseite die „18 IO"
Da rief einer unserer Genossen, der früher in einem
Juweliergeschäft angestellt gewesen war: „Der Ring ist unecht!"
„Unmöglich!" hieß es von allen Seiten.
Es wurde vorgeschlagen, sofort zum nächsten Juwelier zu
gehen, um dort den Ning untersuchen zu lassen. Gesagt —
gethan! Nur eine Sekunde besah der Fachmann den Ring,
um ihn schnell mit den Worten: „Werth dreißig Cents, meine
Herren," zurückzugeben.
Unser guter „Schah" war einem geriebenen Gauner zum
Opfer gefallen, der das Manöver mit dem von ihm selbst auf
die Straße geworfenen Handschuh und Ning gewerbsmäßig
ausführle. Der Deutsche in Amerika hat eben nicht nur mit
der Ungunst der Verhältnisse, dem Vorurtheil u. s. w. zu
kämpfen, sondern auch mit den zahlreichen Gaunern, die be-
sonders dem im Lande noch neuen und daher harmlosen
Deutschen nachstellen. H. Winter.
Jer Eindruck des Hodes bei den Hyieren. — Der
Tod, dieses große Geheimnis; des Lebens, erzeugt auch bei
vielen Thierarten einen gewissen Schrecken. Er reizt ihre
Einbildung und vermag in ihnen sogar Hallucinationen her-
vorzurufen. Bei vielen in Gesellschaft lebenden Arten bemerkt
man bei dem Tode eines Kameraden eine allgemeine Ver-
zagtheit, sie drängen sich zusammen und geben dabei das
Schauspiel einer großen Aufregung, wie man dies besonders
bei Papageien, Meisen, Wasserschwalben, Gazellen u. a. be-
obachtet, wenn sie ängstlich klagend um ihren todten Kamera-
den Herumlaufen. Manche dieser Trauerscenen gleichen auf-
fallend denen, die bei uns Menschen auf den Tod einer
geliebten Person folgen; denn sie zeigen uns oft denselben
verzweifelten Schmerz und selbst unfruchtbare Versuche, den
entflohenen Lebensfunken wieder zurückzurufen, wie der Mensch,
der ein geliebtes Wesen verloren hat, sich oft noch lange
sträubt, an den Tod desselben zu glauben. So hat man
Krähen einen getödteten Genossen aufsuchen sehen, der als
Vogelscheuche aufgehängt war. Ein Taubenweibchen, dessen
Männchen dasselbe Geschick ereilt hatte, wich nicht von dem
Orte, und lief unaufhörlich um den Pfahl herum, von den;
ihr todtes Männchen herabhing, so daß ihre Schritte nach
Verlauf von einigen Tagen einen Pfad um denselben ge-
treten hatten. Ein Aras, dessen Weibchen man getödlet
hatte, verfolgte den Jäger bis in sein Haus in der Stadt,
wo er sich auf fein todtes Weibchen herabstürzte, so daß man
ihn mit Händen greisen konnte.
Die Ameisen beseitigen die todten Fremdlinge und scharren
die Leichen ihrer Kameraden unter die Erde. Mac Cook be-
schreibt ausführlich die Gewohnheiten, welche die Ameisen
bei ihren Begräbnissen beobachten. Er sah einmal geflügelte
Ameisen acht fremde Ameisen umbringen, die in eine neue
Kolonie eingedrungen waren. Die Kolonisten schleppten die
Leichen in; ganzen Bau herum, als ob sie einen geeigneten
Ort suchten, wo sie dieselben niederlegen könnten. Darauf
machten sie einen kleinen Graben, in den sie einige Leichen
einscharrten. Doch schien ihnen der Platz nicht recht passend,
weshalb sie für die übrigen ein anderes Terrain wählten.
Frau Treat hat ähnliche Thatsachen beobachtet. Sie sah
einst, wie Ameisen (Porioiow oanbuiuos.) todte Sklaven aus
ihren Bau hinaustrugen und an der Seite ihrer verstorbenen
Kameraden einscharrten. Auch Frau Hutton, die ihre Beob-
achtungen der Linnö'schen Gesellschaft in London mittheilte,
bemerkte einst, als sie einige Soldaten einer Ameisenkolonie
getödtet hatte, daß die Ameisen die Todten emporhoben und
davontrugen, während eine große Anzahl nachfolgte, von der
die Träger von Zeit zu Zeit abgelöst wurden. Als sie end-
lich an eine sandige Stelle gekommen waren, scharrten sie
für jeden Leichnam eine kleine Vertiefung und bedeckten
schließlich das Ganze mit Sand. Diese Beobachtung wird
vom Prediger Farren White bestätigt.
Forbes erzählt von einem Jäger, der einen Affen getödtet
und mit in sein Zelt genommen hatte, daß sich derselbe bald
von einer ganzen Schaar Affen umgeben sah. Durch einige
Flintenschüsse jagte er zwar die Schaar der Belagerer in die
Flucht; allein der Anführer drang bis an den Eingang des
Zeltes vor und hörte nicht auf zu klagen und zu jammern.
Um ihn los zu werden, gab ihm der Jäger den Leichnam
zurück, den er zärtlich in seine Arme schloß und eiligst zu
seinen Kameraden zurückbrachte.
Manche Frage wird sich hier dem Leser aufdrängen,
aber die wahre Lösung derselben wird uns wohl immer ein
Geheimnis; bleiben. Was wird aus dem einzeln lebenden
Thier? Niemand weiß es — und dennoch erblickt man im
Freien so selten einmal eine kleine Thierleiche. Von welchem
Gesichtspunkte aus man diese Erscheinungen auch betrachtet,
so sind sie doch interessant genug, durch nüchterne Beobachtungen
darüber mehr Licht zu verbreiten. L. Haschen.
Hakentproöe. — Eines Tages rief der Gymnasialdirektor
Pierson in Paris den kleinen Charles Gounod in sein Arbeits-
zimmer und machte ihm Vorwürfe, daß er sich nur mit der
Musik beschäftige und seine Schulaufgaben vernachlässige.
„Auch Deine Eltern," fügte der Direktor hinzu, „sind darüber
betrübt, und wünschen dringend, daß Du ein vernünftiges
Brodstudium e.greifst."
„Niemals," versetzte der künftige Komponist der ,Marga-
rethe-, „ich werde Musiker und nichts Anderes."
„Aber, Junge!" fuhr der Direktor fort; „das ist leicht gesagt;
es wird doch nicht gleich Jeder ein Beethoven oder Rossini!"
„Nun, ich werde Ihnen beweisen, daß ich auch etwas
leisten kann!" rief der hitzige Charles und entfernte sich.
Drei Tage später erschien er wieder vor dem Direktor,
ein Notenblatt in der Hand, seine erste Komposition. Ohne
ein Wort zu sprechen, setzte er sich an das Klavier und spielte
das Stück mit so rührender Hingabe, daß der Direktor nach
der Beendigung äußerte: „Junge, in Dir steckt Talent! Wenn
Du vielleicht auch nicht gerade ein Rossini wirst."
„Das will ich auch gar nicht!" versetzte der Junge stolz,
„ich will nichts als Charles Gounod werden!" L-n.
ZZeim Wort genommen. — Ein Korporal der englischen
Kavallerie wurde im Aufruhr gegen König Karl I. von den
Rebellen gefangen genommen und zum Tode verurtheilt. Am
Tage vor seiner erwarteten Hinrichtung schrieb er an seine
Frau folgenden Brief, der ihr, wie er erwartete, erst einige
Tage nach seinen; Ableben zukommen sollte:
„Liebe Frau! Ich hoffe, daß Du ebenso gesund bist, wie
ich, während ich dies schreibe, um Dir anzuzeigen, daß ich gestern
zwischen Elf und Zwölf gehängt worden bin. Ich starb sehr
reuevoll, und Jedermann bemitleidete mich. Grüße herzlichst
meine armen vaterlosen Kinder. Dein getreuer William."
Das Schicksal wollte es jedoch anders. Der Korporal
wurde von Cromwell begnadigt aber längere Zeit gefangen
gehalten und erst nach dem Siege der Revolution freigelassen.
Inzwischen hatte seine Frau bereits einen Anderen geheirathet,
und der Korporal konnte nichts dagegen thun, da sie ja die
Nachricht von seinem Tode schwarz auf weiß, von seiner
eigenen Hand geschrieben, vorzeigen konnte. Der arme Mann
wurde darob Zeit seines Lebens ausgelacht. E. K.
Iudiläums-Ausgade der Illustrierten Oefstststste des Krieges 1870/71.
Im unterzeichneten Verlage erscheint:
Illustrierte Geschichte des Krieges 1870/71.
— Jubikäunrs-Ausgade. —
Alls Tags erscheint ein reich illustriertes Pest in größtem (Yuart-Lormat.
Vollständig in 30 Heften zum Preise von je 25 Pfennig.
Die meisten Buch-, Kolportagehandlungen, Journalexpedienten rc. haben das erste Heft auf Lager lind nehmen Bestellungen auf das Werk entgegen.
Anion Deutsche Ae^tcrgsgesettschcrft in Stuttgart, Wertin, Leipzig.
Das Buch für Alle.
591
gering gegen die unerschöpflich scheinenden Quellen von
Pennsylvanien und Baku.
Es mußte daher für die amerikanischen Großspeku-
lanten sehr verlockend sein, einen Petroleumring in's
Leben zu rufen. Den ersten Schritt dazu thaten sie
vor einer ganzen Reihe von Jahren durch die Grün-
dung der „Standard Oil Company". Schon bei der
Begründung dieser riesenhaften Gesellschaft, die mit
Milliarden arbeitet, wurde von Einsichtigen behauptet,
sie sei nur in's Leben gerufen, um den Petroleumhandel
vollständig zu monopolisiren und zu gelegener Zeit durch
eine kolossale Preissteigerung das Publikum auszu-
beuten. Systematisch hat auch die Gesellschaft durch
ihr riesiges Kapital nicht nur sich ein Monopol für den
Verkauf des amerikanischen Petroleums geschaffen, son-
dern auch die Konkurrenten gezwungen, sich mit ihr in's
Einvernehmen zu setzen und nach ihren Wünschen zu
produziren und die Preise festzusetzen. Wer nicht wollte,
wurde durch Unterbietung planmäßig und kaltblütig
ruinirt.
Nachdem die Standard Oil Company soweit ge-
kommen war, daß sie den Weltmarkt in Petroleum
vollständig beherrschte, hielt sie in Amerika wochenlang
das Petroleum zurück, und da der Konsum unterdeß
seinen stetigen Fortgang nahm, war plötzlich allenthalben
in der Welt Mangel an Petroleum. Das führte zu
der Erhöhung des Preises, und dieser wird noch viel
höher gehen, wenn es den Amerikanern gelingt, sich
mit den russischen Petroleumgesellschaften zu vereinigen.
Man behauptet, der russische Finanzminister würde
diese Vereinigung nicht gestatten. Aber auch wenn
dieser „Weltring" nicht zu Stande kommt, verdienen
die Häuptlinge dieser „Schwänze" Millionen, und das
Publikum, besonders der kleine Mann, muß „bluten".
Machen läßt sich gesetzlich gegen diese Art der räu-
berischen Ausbeutung absolut nichts. Es ist nur zu
hoffen, daß die künstliche Preissteigerung nicht allzu-
lange dauert, indem unsere hochentwickelte Industrie
uns zu Hilfe kommt. Schon jetzt, nach der ersten
Steigerung des Petroleumpreises, kommen von allen
Seiten Nachrichten, daß Erfindungen gemacht sind, welche
Ersatzmittel für das Petroleum gewähren. Steigt der
Preis noch weiter, so werden die Aussichten auf Ge-
winn die Industrie wie die Erfinder veranlassen, Mittel
und Wege zu finden, um nicht nur den Verbrauch des
Petroleums zu verringern, sondern dasselbe vielleicht
ganz entbehrlich zu machen. Gelingt dies, so wird der
Rückschlag bei den Besitzern der großen Petroleum-
minen eintreten. Sie heimsen jetzt ungeheuerliche Sum-
men ein; wenn aber dauernd der Konsum von Petroleum
abnimmt, werden sie im Laufe der Jahre Verluste zu
erleiden haben, die den augenblicklichen Gewinn bedeu-
tend beschneiden dürften.
Allerdings dem kleinen Mann, der jetzt anstatt 18
Pfennig das Doppelte und vielleicht noch mehr für
das Liter Petroleum bezahlen muß, ist mit dieser
Aussicht aus die Zukunft wenig geholfen, und der
Gedanke, daß Millionen von Menschen hilflos der
Ausbeutung einer Gruppe habgieriger Spekulanten
preisgegeben find, dürfte viel berechtigte Erbitterung
erzeugen. Es wäre dringend zu wünschen, daß Staat
und Gesellschaft Mittel und Wege fänden, um solchen
Beutezügen gegen die große Masse der Unbemittelten
ein Ende zu bereiten.
Hin glückticher Kinder. — Zwei Jahre schon war ich
in dem gelobten Lande, zwei lange Jahre voll harter Arbeit
und bitterer Enttäuschung in der Weltstadt New-Jork.
Meine einzige Freude war, wenn ich am Sonnabend, den
sauer verdienten Wochenlohn in der Tasche, in unsere deutsche
Stammkneipe gehen konnte, wo ich Landsleute traf — ehe-
malige Studenten, Offiziere, Kaufleute, Schauspieler u. s. w.,
die gleich mir einst mit großen Hoffnungen herübergekommen
waren, und jetzt froh sein mußten, wenn sie als Kellner,
Hausirer u. dergl. ihr Leben fristeten.
Eine der originellsten Figuren unserer Tafelrunde war ein
Berliner Kaufmann, der dem Schah von Persien so ähnlich
sah, daß wir ihm den Spitznamen Schah gaben. Er plante
stets die großartigsten Unternehmungen und saß doch stets in
der größten Dürftigkeit.
Seine Werthsachen und überflüssigen Kleidungsstücke waren
schon den bekannten Weg zum Trödler gewandert, nur noch
einen Winterüberzieher besaß er, der ihn gegen die empfind-
liche Kälte des Januar schützte.
Wieder saßen wir eines Abends zur gewohnten Stunde
in fröhlicher Laune beisammen, als plötzlich die Thür auf-
gerissen wurde und schneebedeckt, jedoch freudestrahlend, unser
Freund Schah hereinstürmte.
Es fiel mir auf, daß er bei dem fürchterlichen Wetter ohne
Ueberzieher war, doch sollte ich gleich die Ursache erfahren.
„Meine Herren," begann er, „denken Sie nur, welches
Glück ich gehabt habe! Ich gehe heute Nachmittag die Bowery
hinunter und sehe einen Handschuh, der vor mir mitten auf
dem Trottoir liegt. Ich beuge mich nieder, um ihn aufzu-
heben, jedoch in demselben Augenblick hat auch ein anderer Herr
ihn schon erfaßt. Dieser nimmt ihn an sich und ruft plötz-
lich, nachdem er ihn befühlt hat: ,HMloh, was ist das, da ist
etwas Hartes d'rin ü
Er dreht ihn um, und heraus kommt — was glauben
Sie wohl? Ein goldener Ning. Es fand sich, daß es ein
schwerer goldener Trauring war, auf der Innenseite mit
achtzehn Karat gestempelt.
,Was nun?- sagte der Herr, ,das ist ein Ning, der min-
destens zehn Dollars werth ist. Sie haben ihn mitgefunden,
und da Sie ebenfalls nicht in den besten Verhältnissen zu sein
scheinen, so mache ich Ihnen den Vorschlag, daß wir die Beute
theilen. Ich habe leider nur wenig Geld bei mir, da ich einige
Einkäufe gemacht habe, aber geben Sie mir zwei Dollars,
und der Ring gehört Ihnen. Sie machen dadurch ein gutes
Geschäft?
Zu meinem größten Bedauern mußte ich ihm die traurige
Mittheilung machen, daß ich nur der glückliche Besitzer von
zehn Cents sei, die meine ganzen irdischen Reichthümer dar-
stellten. Der Mann, der es sehr eilig zu haben schien, sann
einen Augenblick nach, dann wußte er auch hier Rath.
,Sie haben ja noch einen guten Paletot/ sagte er, ,diesen
versetzen Sie und geben mir von dem Erlös zwei Dollars,
dann gehen Sie zu einem Juwelier, verkaufen den Ring und
holen Ihren Rock zurück?
Dies war Rettung in der Noth. Gesagt, gethan! Wir
gingen zum Onkel Simpson in der Bowery, und ich erhielt
gerade zwei Dollars für den Nock, die ich natürlich meinem
Partner einhändigte. Wir verabschiedeten uns in der freund-
schaftlichsten Weise von eina der, und hier, meine Herren —
hier ist der Ring!"
Neugierig sprangen wir von unseren Sitzen auf und be-
sahen den Ring. Er war augenscheinlich von schwerem Gold
und zeigte deutlich auf der Innenseite die „18 IO"
Da rief einer unserer Genossen, der früher in einem
Juweliergeschäft angestellt gewesen war: „Der Ring ist unecht!"
„Unmöglich!" hieß es von allen Seiten.
Es wurde vorgeschlagen, sofort zum nächsten Juwelier zu
gehen, um dort den Ning untersuchen zu lassen. Gesagt —
gethan! Nur eine Sekunde besah der Fachmann den Ring,
um ihn schnell mit den Worten: „Werth dreißig Cents, meine
Herren," zurückzugeben.
Unser guter „Schah" war einem geriebenen Gauner zum
Opfer gefallen, der das Manöver mit dem von ihm selbst auf
die Straße geworfenen Handschuh und Ning gewerbsmäßig
ausführle. Der Deutsche in Amerika hat eben nicht nur mit
der Ungunst der Verhältnisse, dem Vorurtheil u. s. w. zu
kämpfen, sondern auch mit den zahlreichen Gaunern, die be-
sonders dem im Lande noch neuen und daher harmlosen
Deutschen nachstellen. H. Winter.
Jer Eindruck des Hodes bei den Hyieren. — Der
Tod, dieses große Geheimnis; des Lebens, erzeugt auch bei
vielen Thierarten einen gewissen Schrecken. Er reizt ihre
Einbildung und vermag in ihnen sogar Hallucinationen her-
vorzurufen. Bei vielen in Gesellschaft lebenden Arten bemerkt
man bei dem Tode eines Kameraden eine allgemeine Ver-
zagtheit, sie drängen sich zusammen und geben dabei das
Schauspiel einer großen Aufregung, wie man dies besonders
bei Papageien, Meisen, Wasserschwalben, Gazellen u. a. be-
obachtet, wenn sie ängstlich klagend um ihren todten Kamera-
den Herumlaufen. Manche dieser Trauerscenen gleichen auf-
fallend denen, die bei uns Menschen auf den Tod einer
geliebten Person folgen; denn sie zeigen uns oft denselben
verzweifelten Schmerz und selbst unfruchtbare Versuche, den
entflohenen Lebensfunken wieder zurückzurufen, wie der Mensch,
der ein geliebtes Wesen verloren hat, sich oft noch lange
sträubt, an den Tod desselben zu glauben. So hat man
Krähen einen getödteten Genossen aufsuchen sehen, der als
Vogelscheuche aufgehängt war. Ein Taubenweibchen, dessen
Männchen dasselbe Geschick ereilt hatte, wich nicht von dem
Orte, und lief unaufhörlich um den Pfahl herum, von den;
ihr todtes Männchen herabhing, so daß ihre Schritte nach
Verlauf von einigen Tagen einen Pfad um denselben ge-
treten hatten. Ein Aras, dessen Weibchen man getödlet
hatte, verfolgte den Jäger bis in sein Haus in der Stadt,
wo er sich auf fein todtes Weibchen herabstürzte, so daß man
ihn mit Händen greisen konnte.
Die Ameisen beseitigen die todten Fremdlinge und scharren
die Leichen ihrer Kameraden unter die Erde. Mac Cook be-
schreibt ausführlich die Gewohnheiten, welche die Ameisen
bei ihren Begräbnissen beobachten. Er sah einmal geflügelte
Ameisen acht fremde Ameisen umbringen, die in eine neue
Kolonie eingedrungen waren. Die Kolonisten schleppten die
Leichen in; ganzen Bau herum, als ob sie einen geeigneten
Ort suchten, wo sie dieselben niederlegen könnten. Darauf
machten sie einen kleinen Graben, in den sie einige Leichen
einscharrten. Doch schien ihnen der Platz nicht recht passend,
weshalb sie für die übrigen ein anderes Terrain wählten.
Frau Treat hat ähnliche Thatsachen beobachtet. Sie sah
einst, wie Ameisen (Porioiow oanbuiuos.) todte Sklaven aus
ihren Bau hinaustrugen und an der Seite ihrer verstorbenen
Kameraden einscharrten. Auch Frau Hutton, die ihre Beob-
achtungen der Linnö'schen Gesellschaft in London mittheilte,
bemerkte einst, als sie einige Soldaten einer Ameisenkolonie
getödtet hatte, daß die Ameisen die Todten emporhoben und
davontrugen, während eine große Anzahl nachfolgte, von der
die Träger von Zeit zu Zeit abgelöst wurden. Als sie end-
lich an eine sandige Stelle gekommen waren, scharrten sie
für jeden Leichnam eine kleine Vertiefung und bedeckten
schließlich das Ganze mit Sand. Diese Beobachtung wird
vom Prediger Farren White bestätigt.
Forbes erzählt von einem Jäger, der einen Affen getödtet
und mit in sein Zelt genommen hatte, daß sich derselbe bald
von einer ganzen Schaar Affen umgeben sah. Durch einige
Flintenschüsse jagte er zwar die Schaar der Belagerer in die
Flucht; allein der Anführer drang bis an den Eingang des
Zeltes vor und hörte nicht auf zu klagen und zu jammern.
Um ihn los zu werden, gab ihm der Jäger den Leichnam
zurück, den er zärtlich in seine Arme schloß und eiligst zu
seinen Kameraden zurückbrachte.
Manche Frage wird sich hier dem Leser aufdrängen,
aber die wahre Lösung derselben wird uns wohl immer ein
Geheimnis; bleiben. Was wird aus dem einzeln lebenden
Thier? Niemand weiß es — und dennoch erblickt man im
Freien so selten einmal eine kleine Thierleiche. Von welchem
Gesichtspunkte aus man diese Erscheinungen auch betrachtet,
so sind sie doch interessant genug, durch nüchterne Beobachtungen
darüber mehr Licht zu verbreiten. L. Haschen.
Hakentproöe. — Eines Tages rief der Gymnasialdirektor
Pierson in Paris den kleinen Charles Gounod in sein Arbeits-
zimmer und machte ihm Vorwürfe, daß er sich nur mit der
Musik beschäftige und seine Schulaufgaben vernachlässige.
„Auch Deine Eltern," fügte der Direktor hinzu, „sind darüber
betrübt, und wünschen dringend, daß Du ein vernünftiges
Brodstudium e.greifst."
„Niemals," versetzte der künftige Komponist der ,Marga-
rethe-, „ich werde Musiker und nichts Anderes."
„Aber, Junge!" fuhr der Direktor fort; „das ist leicht gesagt;
es wird doch nicht gleich Jeder ein Beethoven oder Rossini!"
„Nun, ich werde Ihnen beweisen, daß ich auch etwas
leisten kann!" rief der hitzige Charles und entfernte sich.
Drei Tage später erschien er wieder vor dem Direktor,
ein Notenblatt in der Hand, seine erste Komposition. Ohne
ein Wort zu sprechen, setzte er sich an das Klavier und spielte
das Stück mit so rührender Hingabe, daß der Direktor nach
der Beendigung äußerte: „Junge, in Dir steckt Talent! Wenn
Du vielleicht auch nicht gerade ein Rossini wirst."
„Das will ich auch gar nicht!" versetzte der Junge stolz,
„ich will nichts als Charles Gounod werden!" L-n.
ZZeim Wort genommen. — Ein Korporal der englischen
Kavallerie wurde im Aufruhr gegen König Karl I. von den
Rebellen gefangen genommen und zum Tode verurtheilt. Am
Tage vor seiner erwarteten Hinrichtung schrieb er an seine
Frau folgenden Brief, der ihr, wie er erwartete, erst einige
Tage nach seinen; Ableben zukommen sollte:
„Liebe Frau! Ich hoffe, daß Du ebenso gesund bist, wie
ich, während ich dies schreibe, um Dir anzuzeigen, daß ich gestern
zwischen Elf und Zwölf gehängt worden bin. Ich starb sehr
reuevoll, und Jedermann bemitleidete mich. Grüße herzlichst
meine armen vaterlosen Kinder. Dein getreuer William."
Das Schicksal wollte es jedoch anders. Der Korporal
wurde von Cromwell begnadigt aber längere Zeit gefangen
gehalten und erst nach dem Siege der Revolution freigelassen.
Inzwischen hatte seine Frau bereits einen Anderen geheirathet,
und der Korporal konnte nichts dagegen thun, da sie ja die
Nachricht von seinem Tode schwarz auf weiß, von seiner
eigenen Hand geschrieben, vorzeigen konnte. Der arme Mann
wurde darob Zeit seines Lebens ausgelacht. E. K.
Iudiläums-Ausgade der Illustrierten Oefstststste des Krieges 1870/71.
Im unterzeichneten Verlage erscheint:
Illustrierte Geschichte des Krieges 1870/71.
— Jubikäunrs-Ausgade. —
Alls Tags erscheint ein reich illustriertes Pest in größtem (Yuart-Lormat.
Vollständig in 30 Heften zum Preise von je 25 Pfennig.
Die meisten Buch-, Kolportagehandlungen, Journalexpedienten rc. haben das erste Heft auf Lager lind nehmen Bestellungen auf das Werk entgegen.
Anion Deutsche Ae^tcrgsgesettschcrft in Stuttgart, Wertin, Leipzig.