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Heft 25.

eine auf der Welt. „Sie
werden also tue Güte
haben, lieber Herr Feld-
heim, für den Fall mei-
nes Todes meine Frau
in möglichst schonender
Form von dem Vor-
gefallenen zu unterrich-
ten. Und Sie werden
ihr alsdann diesen Brief
übergeben. Bezüglich
meines Testamentes
habe ich die erforder-
lichen Anordnungen be-
reits getroffen. Und
nun, denke ich, könnten
wir aufbrechen."
Aber in dem Mo-
ment, da die drei Herren
sich zum Gehen wand-
ten, wurde die Thür
nach dem Empfangs-
salon aufgerissen, und
in ihrem leichten Mor-
genkleide, mit marmor-
weisiem Gesicht und gro-
ßen, entsetzten Augen
warf sich Hertha ihrem
Manne in den Weg.
„Was hast Du vor,
Richard'-? — Ich lasse
Dich nicht sort, bis Du
es mir gesagt hast. Ich
habe ein Recht darauf,
es zu erfahren."
Die beiden anderen
Herren zogen sich so-
fort diskret aus dem
Zimmer zurück; Richard
Sieveking aber betrach-
tete die leidenschaftlich
erregte junge Frau mit
erstauntem Blick.
„Ich muß zu einer
wichtigen Konferenz,"
sagte er nach einem
Zaudern, das nur we-
nige Sekunden gewährt
hatte. „Es thut mir
leid, daß ich Dir über
ihren Zweck keine nähe-
ren Mittheilungen ma-
chen kann; aber eS han-
delt sich dabei um Dinge,
die nicht mich allein be-
treffen."
„So will ich Dir
sagen, um was es sich
handelt. Du gehst, Dich
mit Bruno Meinardi
zu schlagen! — Nein,
nein, leugne es nicht.
Ich habe ja gehört, was
Du eben gesprochen und
welchen Auftrag Du er-
theilt hast — für den
Fall Deines Todes!
Aber ich will nicht, daß
Du stirbst! Ich bin es
nicht werth, daß Du
meinetwegen in den Tod
gehst, und ich könnte es
auch nicht ertragen."
In Heller Verzweif-
lung stand sie vor ihm,
die demüthig gefalteten
Hände flehend erhoben,
und in ihren Augen
flackerte eine so wilde
Angst, daß es unmög-
lich gewesen wäre, an
der Aufrichtigkeit ihrer
hastig hervorgestoßenen
Worte zu zweifeln.
Sieveking preßte die
Lippen zusammen und
schwieg aber Hertha las
es auf seinem Gesicht,
daß alle ihre Bitten und
Beschwörungen vergeb-
lich bleiben würden; daß
er unwiderruflich ent-
schlossen war, bei seinem
Vorhaben zu beharren.
„Warum antwortest
Du mir nicht?" fragte
sie. „Oder ist Dein
Schweigen eine Ant-

Das Buch für Alle


Kartenjronzert. Nach einein

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Hch 25. Dns V u ch s ü r All e.

Lbersberger. (S. 598)


wort? Willst Du mich
damit glauben machen,
das; es unmöglich ist,
meine Bitte zu erfüllen ?"
„Es ist unmöglich,
Hertha, und ich darf
hier nicht länger säu-
men. Die Angelegen-
heit ist ja bei Weitem
nicht so ernst, als Du
es Dir vorstellen magst,
sie wird vielleicht noch
auf gütliche Weise bei-
gelegt werden, und —"
Aber sie fiel ihm mit
ungestümem Kopfschüt-
teln in die Rede. „Nein,
nein, ich glaube nicht
daran, ich sehe ja, daß
Du nur nach einem Bc-
schwichtigungsmittel
suchst, um mich los zu
werden. Aber ich lasse
Dich nicht, Richard.
Mag doch dieser Elende
über mich sagen, was
ihm gefällt! Mag mich
doch die ganze Welt
verachten! Was liegt
denn jetzt noch an mir!
Ich null gerne Alles er-
tragen, wenn nur diese
schreckliche Angst von
mir genommen wird,
die Angst um Dich,
Richard! Sei nur die-
ses eine Rial noch barm-
herzig! Sieh, auf mei-
nen Knieen flehe ich Dich
an:^zeh' nicht fort!"
Sie wäre wirklich
vor ihm auf den Bo-
den niedergeglitten,
wenn er sie nicht rasch
umfaßt Hütte, um cs
zu verhindern. Einzig
in dieser Absicht hatte
er seinen Arm um sie
gelegt; sie aber duldete
nicht, daß er sie wieder
frei gab, sondern warf
sich stürmisch weinend
an seine Brust.
„Hertha!" stammelte
Sieveking wie in freu-
digem Schrecken, und
ganz leise, fast zaghaft
wiederholte er: „Meine
liebe Hertha!"
JhreThrünen flössen
noch heißer-, aber sie
umschlang mit beiden
Armen seinen Hals und
legte ihren Kopf an seine
Schulter wie ein Kind.
„Geh' nicht fort,
Richard!" schluchzte sie.
„Oder laß mich mit
Dir zugleich sterben!
Ich könnte ja doch
nicht leben ohne Dich."
„Aber ist dies denn
Wahrheit, Hertha? Hast
Du mich denn noch lieb?"
„Mehr als ich's sa-
gen kann. Ach, ich
weiß es ja selber erst,
seitdem Du mich ver-
schmäht hast. Ich mar-
ja so verblendet, so thö-
richt — und so schlecht!"
„Mein Weib!" ju-
belte er. „Mein theu-
res, geliebtes Weib!"
Und leidenschaftlich heiß,
mit einer Gluth, die
er ihr bisher niemals
gezeigt hatte, preßte er
die weiche, biegsame Ge-
stalt an sich, die sich so
hingebend in seine Arme
schmiegte.
Da wurde beschei-
den an die Thür ge-
klopft, und er schob die
Weinende rasch mit
sanfter Gewalt von sich
hinweg.

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