Heft 26.
Das B u ch für Alle.
633
war, so war sie doch auch
Weib und Türkin. Sie
wollte die Liebe ihres Gat-
ten allein haben und
wünschte nicht, seine Nei-
gung mit einer Sklavin zu
theilen.
Zauhra beschenkte Adi-
leh reichlich und befahl ihr,
Kössem zu belauschen.
Schon drei Tage spä-
ter kam Adileh und mel-
dete der Hanum, sie habe
gesehen, wie Kössem sich
dem Efendi, als er in den
Harem trat, direkt in den
Weg gestellt habe, wie die-
ser die Sklavin geküßt, und
wieKössem seine Küsse ruhig
geduldet habe.
Zauhra klatschte drei-
mal in die Hände und be-
fahl dem eintretenden Eu-
nuchen, Köfsem zu rufen.
Zitternd stand das junge
Mädchen vor der Herrin.
„Der Efendi hat Dich
heute geküßt, Kössem?"
Kössem wußte, daß ihr
Leugnen vergeblich sein
würde. Sie nickte.
„Es war nicht zum ersten
Mal?"
Kössem nickte wieder,
aber sie wagte eine Ent-
gegnung.
„Er ist der Herr," sagte
sie, „und ich seine Sklavin;
ich muß ihm gehorchen."
Zauhrn-Hanum klatschte
wieder in die Hände und
befahl dem Eunuchen:
„Rufe den Efendi!"
Kurze Zeit darauf er-
schien Iskender-Efendi und
sah etwas verlegen die
Gruppe der drei Frauen an.
„Du liebst diese Skla-
vin?" fragte Zauhra mit
funkelnden Augen.
Iskender-Efendi wußte,
daß ein Geständniß für
ihn, als den Gatten einer
Prinzessin, verhängnißvoll
werden könne und leugnete
entschieden.
„Niemals! Beim Barte
des Propheten!" schwur
Iskender.
„Du hast sie niemals
geküßt?"
„Niemals! Ich schwöre
es!"
Zauhra wußte, daß ihr
Gatte falsch schwor, und sie
beschloß, ihn und die Ne-
benbuhlerin zu bestrafen.
„Neige Dich zu mir,
Kössem!" sagte sie, und als
das junge Mädchen ge-
horchte, schlug sie die Un-
glückliche wiederholt in das
Gesicht.
„Das ist die strafe
dafür," sagte sie, „daß Du
den Efendi bei mir ver-
leumdet hast. Du hast ge-
sagt, daß er Dich wieder-
holt geküßt habe. Er sagt,
das sei nicht wahr; ich muß
ihm mehr glauben, als Dir.
Du hast nun Deine Strafe;
nimm Deine Sachen, Du
bist verkauft. Ich habe
Dich an Nasirah-Hanum,
die Gattin des Offiziers
derPalastwache, verkauft.—
So bestrafe ich die Ver-
leumdung gegen Dich,"
sagte sie zu Iskender, der
nicht wagte, Protest gegen
die Maßnahmen seiner
Frau zu erheben.
Kössem ist fünfzehn Jahre alt und Sklavin im
Harem des Sultans. Ihr Lautenspiel, ihre Kunst-
fertigkeit im Tanz, die vollendete Anmuth ihrer
Bewegungen haben die Augen der Sultanin Wali-
deh, der Mutter des regierenden Sultans, auf sich
gezogen.
Auf dem Thron der Osmanen sitzt in diesem Augen-
blick, im Jahre 1614, Achmed I., der Vierzehnte seines
Stammes, der im vierzehnten Jahre den Thron bestieg
und vierzehn Jahre lang regierte. Im achtundzwanzigsten
Jahre schon starb er. Als Kössem in den Harem als
Dienerin seiner Mutter kam, war der Sultan indeß
Ire französische Expedition nach Madagaskar: Lager der Genietruppen öei Wajunga. (S. 635)
Das B u ch für Alle.
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war, so war sie doch auch
Weib und Türkin. Sie
wollte die Liebe ihres Gat-
ten allein haben und
wünschte nicht, seine Nei-
gung mit einer Sklavin zu
theilen.
Zauhra beschenkte Adi-
leh reichlich und befahl ihr,
Kössem zu belauschen.
Schon drei Tage spä-
ter kam Adileh und mel-
dete der Hanum, sie habe
gesehen, wie Kössem sich
dem Efendi, als er in den
Harem trat, direkt in den
Weg gestellt habe, wie die-
ser die Sklavin geküßt, und
wieKössem seine Küsse ruhig
geduldet habe.
Zauhra klatschte drei-
mal in die Hände und be-
fahl dem eintretenden Eu-
nuchen, Köfsem zu rufen.
Zitternd stand das junge
Mädchen vor der Herrin.
„Der Efendi hat Dich
heute geküßt, Kössem?"
Kössem wußte, daß ihr
Leugnen vergeblich sein
würde. Sie nickte.
„Es war nicht zum ersten
Mal?"
Kössem nickte wieder,
aber sie wagte eine Ent-
gegnung.
„Er ist der Herr," sagte
sie, „und ich seine Sklavin;
ich muß ihm gehorchen."
Zauhrn-Hanum klatschte
wieder in die Hände und
befahl dem Eunuchen:
„Rufe den Efendi!"
Kurze Zeit darauf er-
schien Iskender-Efendi und
sah etwas verlegen die
Gruppe der drei Frauen an.
„Du liebst diese Skla-
vin?" fragte Zauhra mit
funkelnden Augen.
Iskender-Efendi wußte,
daß ein Geständniß für
ihn, als den Gatten einer
Prinzessin, verhängnißvoll
werden könne und leugnete
entschieden.
„Niemals! Beim Barte
des Propheten!" schwur
Iskender.
„Du hast sie niemals
geküßt?"
„Niemals! Ich schwöre
es!"
Zauhra wußte, daß ihr
Gatte falsch schwor, und sie
beschloß, ihn und die Ne-
benbuhlerin zu bestrafen.
„Neige Dich zu mir,
Kössem!" sagte sie, und als
das junge Mädchen ge-
horchte, schlug sie die Un-
glückliche wiederholt in das
Gesicht.
„Das ist die strafe
dafür," sagte sie, „daß Du
den Efendi bei mir ver-
leumdet hast. Du hast ge-
sagt, daß er Dich wieder-
holt geküßt habe. Er sagt,
das sei nicht wahr; ich muß
ihm mehr glauben, als Dir.
Du hast nun Deine Strafe;
nimm Deine Sachen, Du
bist verkauft. Ich habe
Dich an Nasirah-Hanum,
die Gattin des Offiziers
derPalastwache, verkauft.—
So bestrafe ich die Ver-
leumdung gegen Dich,"
sagte sie zu Iskender, der
nicht wagte, Protest gegen
die Maßnahmen seiner
Frau zu erheben.
Kössem ist fünfzehn Jahre alt und Sklavin im
Harem des Sultans. Ihr Lautenspiel, ihre Kunst-
fertigkeit im Tanz, die vollendete Anmuth ihrer
Bewegungen haben die Augen der Sultanin Wali-
deh, der Mutter des regierenden Sultans, auf sich
gezogen.
Auf dem Thron der Osmanen sitzt in diesem Augen-
blick, im Jahre 1614, Achmed I., der Vierzehnte seines
Stammes, der im vierzehnten Jahre den Thron bestieg
und vierzehn Jahre lang regierte. Im achtundzwanzigsten
Jahre schon starb er. Als Kössem in den Harem als
Dienerin seiner Mutter kam, war der Sultan indeß
Ire französische Expedition nach Madagaskar: Lager der Genietruppen öei Wajunga. (S. 635)