Heft 27.
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Ton gedämpft in's Zimmer. Gespannt beobachtete ich
die Mienen der Schlafenden; sie lag wieder ruhig da;
ich schlich von ihrem Lager weg an das Fenster und
spähte hinaus. Ein Trupp Soldaten bog in den Hof,
Ramon in
ihrer Mitte
führend; er¬
schaute for¬
schend zu mir
herüber, jetzt
erkannte er
mich; ein Lä¬
cheln flog über¬
feine Züge, er
winkte Ab¬
schiednehmend
mit der Hand.
Ich stand wie
leblos, meine
Augen starr¬
ten wie ge¬
bannt auf deir
Ausgang des
Hofes.
Da fühlte
ich eine Hand
sich auf meine
Schulter le¬
gen ; ich drehte
mich um. Vor
mir stand El-
zira.
Ihre sonst
so sanften, mil¬
den Augen, die
stets nur in
Liebe und Ver¬
ehrung zu mir
emporgeblickt
hatten, waren
weit geöffnet
und starrten mich mit einem entsetzlichen Ausdruck an;
es lag ein stummer Vorwurf, eine fürchterliche An-
klage darin. Es war, als ob sie sprächen: ,Du, dem
ich vertraut, den ich verehrt, wie nur ein Kind seinen
Vater verehren kann, Du hast mich betrogen!' — Ich
Das Buch f ü r All e.
konnte diesen Blick nicht ertragen, ich fühlte, daß er
nicht von mir weichen würde bis an mein Lebensende.
Ich wollte sprechen, ihr erklären, aber ehe ich dazu
kam, sank sie mit einem Aufschrei bewußtlos zu Boden."
Der alte Mann schwieg erschüttert; er barg sein
Gesicht in den Händen, und Thrünen rannen in seinen
Bart hinab. Ich war heftig erschüttert. Endlich fragte
ich leise: „Kam sie nicht wieder zu sich?"
Belares athmete tief auf. „Doch, doch!" sagte er.
„Wie schwer das Geschick mich auch heimgesucht, diesen
letzten Schmerz hat es mir erspart. Es war ein Nerven-
schlag, der sie getroffen; schon früher hatte der Arzt
befürchtet, daß eine heftige Gemüthsbewegung ihr ver-
derblich wer-
den könne.
Nach einer
Stunde schlug
sie die Lider
aus; ihre
Zunge war ge-
lähmt, aber
ihre Augen
blickten mich
klar an. Ich
beugte mich
über sie und
flüsterte ihr
in's Ohr, daß
Ramonwieein
Held gestorben,
daß nicht ich
schuld an sei-
nem Tode sei,
daß ihm die
Ehre höher ge-
golten habe,
als Glück und
Leben. Sie
sah mich dank-
bar an. Als
wolle sie mir
Abbitte leisten
für jenen
schrecklichen
Blick, führte
sie meine Hand
an ihre Lippen
und drückte
einen innigen
Kuß darauf.
Ihr Gesicht war wie verklärt, es bedurfte nicht der
Worte, um ihre Gedanken zu verstehen: sie war glück-
lich, ihm im Tode Nachfolgen zu können. Allmülig
wurde ihr Puls schwächer, ihre Lippen bewegten sich,
als ob sie mir noch etwas zu sagen hätte; ich legte
Der neue Witteksöacherörunnen auf dem Warimikiansprah in München. (S. 662)
Nach einer Photographie aus dem Architekturverlag von B. Reiffenstcin in München.
Errichtung einer ZSamöusvrücke üöer den Lagun durch die „Schwarzflaggen" auf Aorruosa. (S. 662)
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Ton gedämpft in's Zimmer. Gespannt beobachtete ich
die Mienen der Schlafenden; sie lag wieder ruhig da;
ich schlich von ihrem Lager weg an das Fenster und
spähte hinaus. Ein Trupp Soldaten bog in den Hof,
Ramon in
ihrer Mitte
führend; er¬
schaute for¬
schend zu mir
herüber, jetzt
erkannte er
mich; ein Lä¬
cheln flog über¬
feine Züge, er
winkte Ab¬
schiednehmend
mit der Hand.
Ich stand wie
leblos, meine
Augen starr¬
ten wie ge¬
bannt auf deir
Ausgang des
Hofes.
Da fühlte
ich eine Hand
sich auf meine
Schulter le¬
gen ; ich drehte
mich um. Vor
mir stand El-
zira.
Ihre sonst
so sanften, mil¬
den Augen, die
stets nur in
Liebe und Ver¬
ehrung zu mir
emporgeblickt
hatten, waren
weit geöffnet
und starrten mich mit einem entsetzlichen Ausdruck an;
es lag ein stummer Vorwurf, eine fürchterliche An-
klage darin. Es war, als ob sie sprächen: ,Du, dem
ich vertraut, den ich verehrt, wie nur ein Kind seinen
Vater verehren kann, Du hast mich betrogen!' — Ich
Das Buch f ü r All e.
konnte diesen Blick nicht ertragen, ich fühlte, daß er
nicht von mir weichen würde bis an mein Lebensende.
Ich wollte sprechen, ihr erklären, aber ehe ich dazu
kam, sank sie mit einem Aufschrei bewußtlos zu Boden."
Der alte Mann schwieg erschüttert; er barg sein
Gesicht in den Händen, und Thrünen rannen in seinen
Bart hinab. Ich war heftig erschüttert. Endlich fragte
ich leise: „Kam sie nicht wieder zu sich?"
Belares athmete tief auf. „Doch, doch!" sagte er.
„Wie schwer das Geschick mich auch heimgesucht, diesen
letzten Schmerz hat es mir erspart. Es war ein Nerven-
schlag, der sie getroffen; schon früher hatte der Arzt
befürchtet, daß eine heftige Gemüthsbewegung ihr ver-
derblich wer-
den könne.
Nach einer
Stunde schlug
sie die Lider
aus; ihre
Zunge war ge-
lähmt, aber
ihre Augen
blickten mich
klar an. Ich
beugte mich
über sie und
flüsterte ihr
in's Ohr, daß
Ramonwieein
Held gestorben,
daß nicht ich
schuld an sei-
nem Tode sei,
daß ihm die
Ehre höher ge-
golten habe,
als Glück und
Leben. Sie
sah mich dank-
bar an. Als
wolle sie mir
Abbitte leisten
für jenen
schrecklichen
Blick, führte
sie meine Hand
an ihre Lippen
und drückte
einen innigen
Kuß darauf.
Ihr Gesicht war wie verklärt, es bedurfte nicht der
Worte, um ihre Gedanken zu verstehen: sie war glück-
lich, ihm im Tode Nachfolgen zu können. Allmülig
wurde ihr Puls schwächer, ihre Lippen bewegten sich,
als ob sie mir noch etwas zu sagen hätte; ich legte
Der neue Witteksöacherörunnen auf dem Warimikiansprah in München. (S. 662)
Nach einer Photographie aus dem Architekturverlag von B. Reiffenstcin in München.
Errichtung einer ZSamöusvrücke üöer den Lagun durch die „Schwarzflaggen" auf Aorruosa. (S. 662)