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betrachten. Sehen wir doch hier wiederum ein Beispiel vor uns, wie
in Frankfurt Vertreter der fränkischen und rheinisch-kölnischen Schule
wechselnd thätig waren, denn einem der letzteren Schule angehörigen,
sehr geschickten Künstler verdanken diese Wandmalereien ihre Entstehung.
Wie eigenartig erscheinen sie gegenüber dem Cyclus der Passionsgeschichte
aus fränkischer Schule auf dem Pfeiler der nördlichen Kirchen wand, wie
viel weiter erscheint in ihnen die Kunst in Vollendung der Form voran-
geschritten! Und zwar dürfen wir dies nicht als besonderes Verdienst des
einen Künstlers gegenüber dem andern, als einem minder begabten, be-
trachten, sondern wesentlich als das Verdienst des allgemeinen Fortschrittes
in der Kunst; denn wenn ich jene Malereien an dem Pfeiler dem ersten
Viertel des XIV. Jahrhunderts zuschreiben musste, so geben sich jene
in der Sakristei als dem letzten Viertel dieses Jahrhunderts angehörig zu
erkennen, also der Zeit, in welcher der kölner Meister Wilhelm die Form
in der Kunst bereits zu hoher Vollendung gesteigert hatte. Einen Abglanz
dieser Kunststufe zeigt uns die besterhaltene der drei weiblichen Figuren
auf der Südwestseite des chorartigen Abschlusses der Sakristei, nämlich
die heilige Katharina, im rechten Arme das Rad halb vom Mantel bedeckt
haltend, in der Linken das gesenkte Schwert. Ihr Haupt ist mit der
Krone geschmückt, ihr ovales, stylvoll gebildetes Gesicht, von gewelltem
Haare umrahmt, ist von solcher Weichheit und Feinheit, der Modellierung,
von solchem Liebreiz des Ausdruckes, dass man über das darin waltende
Schönheitsgefühl wie über die Vorzüglichkeit der technischen Behandlung
der Temperafarbe — diese Wandmalereien sind keine Fresken — nicht
genug staunen kann. Ebenso anmuthig und vollendet ist die Anordnung
und Durchbildung der Falten in den Gewändern, d. h. in dem hellblauen
Mantel und dem hell violet-rothen Untergewmnde, welche die schlanke,
massig in der rechten Hüfte ausgebogene Gestalt geschmackvoll umhüllen.
Auf gleiche ursprüngliche Güte lassen uns die Reste der beiden andern,
leider durch Verputzschäden theilweise • zerstörten Figuren, der Heiligen
Elisabeth und Barbara, schliessen. Neben der ersteren steht, zu ihr auf-
blickend, ein Knabe, in der Linken ein Brod haltend, das er von ihr
bekommen hat. Der Kopf der Elisabeth, wenn auch nicht so gut erhalten
wie jener der heiligen Katharina, lässt doch auch dieselben Eigenschaften
erkennen wie jener, ebenso der Wurf der zart kolorierten Gewänder, eine
Eigenschaft, welche alle diese Malereien gleichmässig aufweisen, auch die
Reste der Figur der heiligen Barbara.

Sehr gut erhalten ist zur Rechten der heiligen Katharina der nahezu
lebensgrosse Christuskopf auf dem Tuche der heiligen Veronika, welcher,
in edler, länglich ovaler Form mit langem dunklem Lockenhaare und
Doppelspitzbart dargestellt, gleichfalls eine ungemein weiche und zarte
Durchbildung zeigt. Der Typus dieses Christuskopfes ist jenem sehr ähn-
lich, wmlchen sich die van Eyksche Schule angeeignet hat. Die drei weib-
lichen Figuren auf der nordöstlichen Seite sind leider nur noch in einzelnen
 
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