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Weber, Paul [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 5): Kreis Herrschaft Schmalkalden: Textband — Marburg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.12581#0176

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Stadtkirche, Baugeschichte.

nicht genannt. Aber an dem ersten Pfeiler des südlichen Seitenschiffes befindet sich ziemlich hoch
Tafel 80,3 oben der Name Wilhelm Meier eingehauen, darüber das Osterlamm mit einem Zweige. Vielleicht
haben wir in diesem Namen den des entwerfenden Architekten erhalten. Ob wir in dem Porträt-
Tafel 96 köpf an einem der Chorpfeiler auch sein Bildnis besitzen oder das eines der Steinmetzen oder Bau-
führer, die unter ihm arbeiteten, wird sich schwerlich entscheiden lassen.
Die Jahre nach 1509 bis zur Einführung der Reformation werden die Vollendung der künst-
lerischen Ausstattung der Kirche mit Schnitzaltären, Einzelfiguren, Tafelbildern usw. gebracht
haben. Manches mag auch aus der älteren Kirche herübergenommen worden sein. Der Bericht
über den Bildersturm von 1608, der uns weiter unten beschäftigen wird, zählt recht viele solche
Ausstattungsstücke aus vorreformatorischer Zeit auf.
Daher mag auch die erste Zerstörung von solchen im Jahre 1525 nicht allzu umfangreich
gewesen sein1).
Erst 1540 hieß Landgraf Philipp „die Taffeln alle aus der Kirchen thun und durch zwey
Steinmetzen aus Fach (Vacha) die Altäre aus der Pfarrkirchen, biß uff zween, abbrechen: Da sollten
die Burgemeister dazu helffen, aber sie weigerten sich solches zu tun“2). Die Schnitzaltäre und Tafel-
bilder wurden aber nicht vernichtet, sondern vorerst nur, wie sich aus einer Notiz bei Geisthirt (1,32)
ergibt, auf den Dachboden der Kirche verbannt.
Daß überflüssig gewordenes Altargerät verkauft wurde, ist schließlich nicht verwunderlich.
So wurde 1554 „die große Monstranz“, welche 30 Mark 2% Loth wog, für 287 Gulden verkauft3),
eine kolossale Summe, welche eine Vorstellung von der Kostbarkeit dieses Stückes vermittelt.
Der Ölberg, welcher außen zwischen den Chorpfeilern eingebaut war, scheint 1565 in etwas
beeinträchtigt worden zu sein, denn die „Memorabilia“ berichten zu diesem Jahre „New Wechters-
heußlin am oelberg zwischen zwei Pfeilern gebaut“. Die Stadtrechnung von 1588 führt aber den
Ölberg als noch vorhanden auf. Ganz zerstört scheint er erst 1608 worden zu sein.
Dagegen renovierte 1559 Meister Wilhelm Horn, Organist aus Fulda, die Orgeln der Stadt
Schmalkalden4), und nachdem schon 1543 dreißig neue Kirchenbänke in das Schiff angefertigt
worden waren, wurde 1587 ein Teil der Bänke aus der abgebrochenen Stiftskirche hierher übertragen.
Im gleichen Jahre wurde die große Glocke aus der Stiftskirche nach der Stadtkirche übertragen.
25 Bürger hatten 7 Stunden lang mit ihrer Heranschaffung auf Walzen zu tun 5).
Am Äußeren der Kirche vollzogen sich in diesen Jahrzehnten allerhand Wandlungen.
Von dem Abbruch des zweiten Dachreiters im Jahre 1543 war oben schon die Rede. 1564 stürzte
der nördliche der beiden großen Westtürme bis zur halben Höhe ein. Fortan erscheint die Kirche auf
den Stadtansichten fast zwei Jahrhunderte lang mit nur einem Turme und dem notdürftig über-
dachten Turmstumpfe daneben. Erst 1748 wurde er teilweise wieder aufgebaut, erst 1851 vollendet.
Sechs Jahre nach diesem Unglück, 1570, mußte der südliche Turm, der noch aus romanischer Zeit
stammte und der schon 1434 wegen Baufälligkeit eine große Ausbesserung erfahren hatte, aus gleichem
Grunde bis zur Höhe des zweiten Obergeschosses abgetragen werden. Hier begann man aber sogleich
mit dem Wiederaufbau, wozu die Steine von der dem Abbruch überlassenen Augustinerkirche ge-
nommen wurden. Maurermeister Andreas Müller von Burgbreitungen und sein Bruder Kilian aus
Immelborn übernahmen die Arbeit. Bereits im folgenden Jahre, 1571, in welchem nach Ausweis

1) „Idolorum demolitionem jussu magistratus ordine factam“ behauptet ein Augenzeuge 1525 gesehen zu haben.
Geisthirt II, 4.
2) Heims Chronik III, 27. Geisthirt II, 4fg.
3) Memorabilia Cassel. Geisthirt II, 7 berichtet dies zum Jahre 1553.
4) Stadtrechnung 1559.
5) Stadtrechnung 1587. Vgl. dazu auch die von 1589.
 
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