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Weber, Paul [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 5): Kreis Herrschaft Schmalkalden: Textband — Marburg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.12581#0178

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158

Stadtkirche, Baubeschreibung.

und zwei Tafelbilder, die vielleicht zu den damals entfernten Kirchenschätzen gehörten oder sonst
durch einen Zufall der Zerstörung entgingen1). (Tafel 73, 96, 97.)
Von sonstigen Nachrichten über die Schicksale der Kirche seien noch genannt:
1606 eine neue Orgel wird von Basse erbaut.
1613 der Hauptaltar wird abgebrochen, später aber wieder an dieselbe Stelle gesetzt.
1664 die Orgelempore wird vorgeschuht, wobei die Tafelbilder der alten Empore zugenagelt
wurden. An ihrer Stelle wurden die „Symbola“ (vgl. darüber weiter unten) der Landgrafen Philipp,
Wilhelm IV., Moritz und Wilhelm V., Amalie und Wilhelm VI. vor die Empore gesetzt, zum
Zeichen, daß sie jetzt den „Fürstenstuhl“ bildete.
1665 die Orgel wird neu bemalt.
1690—1694 eine neue Orgel wird von Joh. Heinrich Wedemann erbaut. (Die jetzt noch
vorhandene.)
1748 Erbauung zweier Obergeschosse des Nordturmes.
1786 wurde der Steinkranz des Umganges auf dem Südturme beseitigt und durch- das
jetzt noch vorhandene Eisengitter ersetzt, das an der Ostseite die Zahl 1786 aufweist. Ein damals
schon beschlossener Umbau des Turmes wurde 1817 ausgeführt.
1787 wurde das Innere der Kirche in dem nüchternen Geschmacke jener Zeit „renoviert“.
Tafel 81 So blieb sie im wesentlichen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Die beiden Bickellschen Auf-
nahmen von ca. 1890 geben uns eine Vorstellung jenes Zustandes.
1898—1899 fand dann eine durchgreifende Erneuerung statt, zu welcher Professor Hase-
Hannover das allgemeine Programm entwarf, während die Bauleitung und die eigentliche künst-
lerische Verantwortung in den Händen des Archtitekten J. Jakob-Hannover gelegen hat. Es wurden
die Emporen teils zurückgerückt, teils ganz entfernt, die Gitterstühle für einzelne Familien bis
Tafel79,7,8, u auf wenige Reste abgebrochen. Auch die großen alten Türflügel der Hauptportale mit ihren schönen
gotischen Beschlägen wurden entfernt (jetzt im Museum). Eine ^Heizanlage wurde eingebaut,
deren mächtige Heizkörper und große Abzugsrohre den architektonischen Eindruck des Kirchen-
raumes stark beeinträchtigen. An Stelle der farblosen Kirchenfenster wurden farbige ein-
gesetzt, die Orgel hergestellt und zum Schluß das Ganze neu bemalt. Erfreulich ist, daß die
mittelalterlichen Tafelbilder der großen Empore bei dieser Gelegenheit herumgedreht und so wieder
sichtbar gemacht wurden. Die Mehrzahl von ihnen wurde hierbei einer eingreifenden Auffrischung
unterzogen. Die Grabsteine und Metallgrabplatten, die sich im Innern der Kirche noch erhalten
hatten, wurden mit Säure abgescheuert und in der westlichen Vorhalle aufgestellt. An die leeren
Stellen auf den Konsolen des Chores kamen neue Figuren, die allerdings mit ihren Fußplatten zum
Teil nicht zu den alten Konsolen passen.

Baubeschreibung.
Tafel 73 Bei Betrachtung des Grundrisses erhält man den Eindruck, daß der Baumeister bei Ent-
werfung des Baues durch verschiedene Umstände in der freien Verfügung beengt war. So nament-
lich dadurch, daß der Südturm (1) aus romanischer Zeit mit in den Neubau übernommen werden
mußte, was ein weiteres Hinausschieben der Westfront unmöglich machte. Dadurch wurde das
Langhaus unverhältnismäßig kurz gegenüber dem sehr lang gestreckten und breiten Chore. Dieser

1) Auch die Kirchen in den Dörfern der Herrschaft wurden im gleichen Jahre ihrer Bilder und Altäre beraubt.
 
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