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Blümel, Carl; Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts / Ergänzungs-Heft: Griechische Bildhauerarbeit — Berlin, Leipzig, Band 11.1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.42528#0014
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2

Einleitung

den technischen Werdegang gut verfolgen können, auf andere ähnliche Werke der-
selben Zeit Rückschlüsse zu ziehen. Allgemein gültige Regeln wird man trotzdem
nie aufzustellen versuchen, weil man immer mit leichten Abweichungen und
Schwankungen rechnen muß, die sich von selbst bei Werken verschiedener Form-
auffassung oder Qualität ergeben. Zudem wird nicht nur jede Schule, sondern sogar
jede Werkstatt aus ihrer Erfahrung heraus notwendig besondere technische Eigen-
heiten entwickeln. Aber auf solche letzten Feinheiten wird eine erste Untersuchung
der antiken Bildhauertechnik gar nicht zu achten haben; zunächst werden die wesent-
lichen Grundzüge aufzudecken sein; das wird aber nur gelingen können, wenn sich
die Untersuchung nicht in einer Anhäufung zahlloser Einzelbeobachtungen ergeht,
sondern für jedes Werk möglichst ein Gesamtbild seines Entstehens zu gewinnen sucht.
So wird alles darauf ankommen, möglichst oft in den verschiedenen Perioden
der antiken Kunst den Werdegang plastischer Kunstwerke von den ersten Anfängen
bis zur Vollendung kennen zu lernen. Bei diesen Untersuchungen werden uns in
erster Linie Arbeiten willkommen sein, an denen die Spuren der Meißelführung
noch erkennbar und nicht durch saubere Glättung oder Politur der Oberfläche weg-
gewischt sind. Da gibt es zunächst viele Stücke, die der Künstler während der Arbeit
hat liegen lassen; dies ist der Abfall der antiken Bildhauerei, der aber deshalb nicht
von den schlechtesten Bildhauern zu stammen braucht. Nicht selten zeigt sich erst
bei fortschreitender Arbeit, daß der Marmorblock in seinem Innern Fehler aufweist,
die man ihm im Steinbruch noch nicht ansehen konnte; so zeigen sich Risse, spröde
Stellen, die abblättern und ein Weiterarbeiten nicht lohnend erscheinen lassen.
Ein anderes Mal haben äußere Ereignisse die Vollendung verhindert: ein Ort wie
beispielsweise Delos wird im Kriege zerstört, die Bevölkerung fortgeführt, die Arbeits-
stätte des Bildhauers bleibt verödet liegen, seine angefangenen Arbeiten kommen
unter die Erde und werden erst in unseren Tagen durch Ausgrabungen wieder ans
Licht gebracht. Manches Stück mag auch nie fertig geworden sein, weil der Bild-
hauer starb und sich keiner fand, der nach seinem Tode die Arbeit hätte zu Ende
führen können. Nur der Fall, an den der Laie wohl zunächst denkt, wenn er von
unfertigen Bildhauerarbeiten hört, daß nämlich der Bildhauer die Weiterarbeit
aufgibt, weil er den Block hoffnungslos verhauen hat, ist sicher sehr selten gewesen.
Ein Michelangelo, von dessen verhauenen Statuen man besonders gern spricht,
arbeitete anders und unter anderen Voraussetzungen als die meisten antiken Bild-
hauer. Mir ‘ist kein Beispiel aus der Antike bekannt geworden, wo dieser Grund
wirklich gesichert wäre, obwohl es sicher auch vorgekommen ist. Natürlich wird
jeder Steinmetz auch einmal einen Fehler machen, es gibt aber soviel Möglichkeiten,
diesen Schaden wieder auszugleichen, daß bei einiger Geschicklichkeit meist darüber
hinwegzukommen ist. Denn nur in den frühen Stadien der Arbeit, wo der Bildhauer
größere Stücke von seinem Block löst, können auch größere Fehlhiebe Vorkommen,
aber zu diesem Zeitpunkt hat er auch noch viele Mittel, seine Figur im Block zu
verschieben oder die Verhältnisse ihrer Teile gegeneinander zu ändern, während
bei weiter fortgeschrittenen Arbeiten ein Verhauen oder das Absplittern eines zu
großen Stückes kaum mehr vorkommt.
 
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