Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Blümel, Carl; Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts / Ergänzungs-Heft: Griechische Bildhauerarbeit — Berlin, Leipzig, Band 11.1927

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42528#0025
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Arbeitsdauer für griechische Bildhauerarbeiten i 3

III.
Würde man an einen modernen Bildhauer das Ansinnen stellen, eine Figur bis
zur Glättung mit dem Spitzmeißel durchzuarbeiten, so würde er das wahrscheinlich,
soweit es überhaupt in der Richtung seiner künstlerischen Bestrebungen läge, ab-
lehnen, weil kaum jemand diese große Mehrarbeit richtig zu würdigen verstände, die
heute etwa das Doppelte, wenn nicht Dreifache gegenüber der viel schnelleren aber
auch meist oberflächlicheren Schlageisenarbeit betragen würde. Eine gute plastische
Form erfordert, künstlerische und technische Begabung des Bildhauers voraus-
gesetzt, in erster Linie sehr viel Zeit und mühevolle Arbeit. Weil man in Griechen-
land feinste formale Durchbildung selbst für dekorative Figuren an Friesen und
Giebeln als etwas Selbstverständliches forderte, schließt man daraus nur zu häufig,
daß diese feinste Arbeit dem griechischen Künstler so leicht von der Hand ging, daß
er viel schneller arbeitete als ein moderner Bildhauer. Man nimmt die Einfach-
heit und Sicherheit griechischer Formgebung hin, ohne daran zu denken, daß
diese scheinbar so einfachen Formen sehr komplizierte Gebilde aus einer zahl-
losen Menge von Einzelformen darstellen, die erst einmal bewußt gesehen werden
mußten, um überhaupt geschaffen werden zu können. Es läßt sich nun mit Hilfe von
Inschriften nachweisen, daß auch der griechische Bildhauer lange und schwer arbeiten
mußte, wenn er seine Skulpturen mit dieser letzten Feinheit aus dem Stein heraus-
meißeln wollte. Vom Erechtheionfries sind uns Teile der Baurechnung erhalten,
die uns über diese Fragen wichtige Aufschlüsse geben. Die Figuren dieses Frieses
wurden einzeln gearbeitet, sie sind fast rundplastisch und wurden vor einem Hinter-
grund aus dunklem eleusinischen Stein auf den Architrav vor die Friesplatten des
Tempels gesetzt. Auch in der Abrechnung sind diese Figuren und Gruppen einzeln
mit Angabe des Preises aufgeführt. Für einen schreibenden Jüngling und einen neben
ihm stehenden Mann erhielt der Steinmetz 120 Drachmen *); in diese Summe war die
Herstellung des Modells nicht mit einbegriffen. Diese oder eine sehr ähnliche Gruppe
aus dem Fries Taf. 18 ist uns fast vollständig erhalten * 2), ihre Höhe betrug ursprüng-
lich ungefähr 0,58 m, die Rückseite ist fein gespitzt, an den Rändern sogar mit Zahn-
eisen fast geglättet. Da nun der Tageslohn zu dieser Zeit nie mehr als eine Drachme
betrug und selbst der leitende Architekt nicht höher besoldet wurde, muß die Arbeits-
leistung an dieser Gruppe mit ungefähr 120 Tagen oder vier Monaten berechnet
worden sein 3). Abzüge für Materialunkosten darf man von diesen 120 Drachmen
nicht machen, weil der Marmor geliefert und nicht, wie es heute üblich ist, vom
Bildhauer gestellt wurde. Auch hätte ja ein so kleines Stück Marmor in Griechen-
land kaum etwas gekostet. An dieser einfachen Rechnung, die für den, der
die Arbeit des Bildhauers kennt, keine Überraschung bringt, läßt sich nicht deuteln.
Wenn nach derselben Baurechnung zwei Bildhauer Antiphanes und Phyromachos 4)

') Jahn-Michaelis, Arx Athenarum 3 105 b col. I. drei Wochen für eine ungefähr ebenso große Figur
2) AD. II Taf. 33, 5. AJA. 16, 1912, 176 Abb. am Nikefries gegriffen war (Blümel, Fries des
1—2. BrBr. 31. Tempels der Athena Nike S. 40).
3) Man sieht daraus, wie niedrig die Schätzung auf 4) Jahn-Michaelis a. 0. 106 c col. I.
 
Annotationen