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Boll, Franz
Sphaera: neue griechische Texte und Untersuchungen zur Geschichte der Sternbilder — Leipzig, 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.19748#0032

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I. Teil. Die neuen Texte.

zwei von einander unabhängige Exzerpte aus Teukros vorliegen: das
eine, etwas ausführlichere (T) von einem Anonymus; das andere,
kürzere (R) von Rhetorios. Allein die Annahme, dafs T und R von
einander' unabhängig sind, ist falsch. Für die Sterne erster und
zweiter Gröfse sind nämlich in T und R durchgängig die gleichen
Längen angegeben: und da diese Längen, die bekanntlich durch die
Präzession verändert werden, in TR fast immer etwa 3°40' mehr betragen
als bei Ptolemaios, so mufs daraus, nach dem im späten Altertum
geltenden Präzessionswert des Ptolemaios, geschlossen werden, dafs
diese Längen etwa 370 Jahre nach Ptolemaios, also ungefähr ums
Jahr 510, berechnet wurden. Daraus ergäbe sich notwendig der
weitere Schlufs, dafs Rhetorios den Teukros gerade in der nämlichen
späten Bearbeitung eines Anonymus benutzt habe; die uns durch T
noch jetzt vorliegt.

Sieht schon diese Folgerung nicht sehr wahrscheinlich aus, so
wird ein derartiges Verhältnis zwischen T und R vollends undenkbar,
wenn man unsere nachfolgend abgedruckten Paranatellontenverzeich-
nisse mustert. Die beiden Texte T und R zeigen nämlich neben
allerlei individuellen Versehen eine Anzahl gemeinsamer Fehler der
gröbsten und augenfälligsten Art. Unter den Paranatellonta des
Skorpions lesen wir beim 2. Dekan statt des einzig möglichen xau-
pou, wie auch in dem arabischen Paralleltext des Abu Ma'sar (vgl.
unten S. 16) richtig dasteht, in T und R Keviaupou. Zwischen dem
2. und 3. Dekan des Schützen klafft die nämliche leicht erkennbare
Lücke in T wie in R. Beim 3. Dekan des Wassermanns geben beide
den gleichen Unsinn: ö jueyac öpvic, öv KaXoOa kukvov, öv kcxXoOciv
iTnTOKpdxopa, also wieder eine gemeinsame Lücke, und zum Schlufs
fehlt in beiden tx\c i'ßeuuc vor xfjc öuuoeKaujpou. Es ist unmöglich
anzunehmen, dafs Rhetorios diese handgreiflichen Lücken nicht eben-
sogut bemerkt hätte wie wir; es ist vielmehr der Schlufs notwendig,
dafs T und R auf Handschriften des gleichen Autors, nämlich des
Rhetorios zurückführen, dafs also die erwähnten Fehler und Lücken
erst in die Geschichte von dessen Uberlieferung fallen. Die Verschieden-
heiten, die die Texte T und R in den vorhin angeführten Punkten
zeigen, sind somit erst in byzantinischer Zeit durch das fortgesetzte
Exzerpieren und Bearbeiten, das einen grofsen Teil der astrologi-
schen Werke kaum je zur Ruhe der sozusagen toten Litteratur
kommen liefs, entstanden. Wenn in T zwar -rrapd Teuxpou über dem
Kapitel steht, der Name des Rhetorios dagegen fehlt, so findet das
seine genaue Parallele in dem oben angeführten Verhältnis in den
 
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