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Boll, Franz
Sphaera: neue griechische Texte und Untersuchungen zur Geschichte der Sternbilder — Leipzig, 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.19748#0174

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9. Dezember. WOUHJCNSüHlUL'T IT Uli KLASSISCHE PHILOLOÜ1K 1903. No. 49.

1334

lieferung ihre relativ grofse Zuverlässigkeit er-
kennen. Etwas verkürzt, allein frei von Ergän-
zungen, wie des Abu Ma'sar arabische, als Beilage
von K. Dyroff z. T. edierte Bearbeitung einer per-
sischen Teucrosübersetzung aus dem Jahre 542
beweist, ist der Auszug, den der astrologische
Kompilator Rhetorius aus Ägypten im VI. Jahr-
hundert machte. Er liegt in zwei Handschriften
(T R) vor und diente aufserdem dem Byzantiner
Johannes Kamateros als Quelle für sein in politi-
schen Versen abgefafstes astrologisches Gedicht,
über dessen Inhalt und Form wir jüngst durch
Ludwig Weigl, der sich bei seiner Arbeit Bolls
Hilfe erfreute, näher unterrichtet wurden (Studien
zu dem unedierten astrol. Lehrgedicht des J. K.,
Würzburg 1902). Aus einem vollständigeren Teu-
crostext rührt ohne Vermittlung des Rhetorios das
als Beilage 1 aus dem Barocciauus 94 veröffent-
lichte zweite sehr kurze Excerpt. Freier schaltete
mit dem Gute des Teucros (vielleicht im III. nach-
christlichen Jahrhundert) der astrologische Dichter
Antiochus. Was wir von ihm haben (V3 A), ging
wohl meist durch Rhetorios' Hände, der sein Werk,
die öqaavQoi, in einer prosaischen Paraphrase be-
nutzte. Höchstens nur in ihrem Kern, obwohl
die Kapitelüberschriften seinen Namen tragen,
gehbu uüf Tfcuoiub die Lioteii iiiiuck, die aus
in drei eng zusammengehörigen Auszügen vorliegen
(PLV1). Das durch sie repräsentierte Original
beschrieb ähnlich wie Mauilius in Buch V aufser
den Paranatellonta auch ihre astrologischen Wir-
kungen (rd ccttotsXsgixcctu) , die gewifs auch Teu-
cros erwähnt hatte, doch bieten sie heute reich-
liche Reste einer poetischen Fassung und enthalten
neben anderem Fremden so viele neue, besonders
aus der lateinischen Sprache entlehnten Worte
(vgl. S. 36/38), dafs wir, Teucros als Autor vor-
ausgesetzt, jedenfalls an eine sehr stark alterierte
Überlieferung glauben müssen. Das einzige unter
den vorliegenden Verzeichnissen, dem er ganz fern
zu stehen scheint, findet sich in einem Excerpt
aus den ^Av&oXoyiai des Astrologen Valens (II. Jahrb..
n. Chr.). Hier werden als Quelle 2(puiQixa an-
geführt, die, soweit es sich um GvvccvazoXai und
Gvyy.azadvöeig handelt, eudoxische Lehre weiter-
geben. Diese hier nur kurz skizzierte Beurteilung
unserer Texte als Quellenschriften hat B. in etwas
anderer Anordnung überzeugend begründet und
zusammen mit einer Kritik der Handschriften den
einzeln edierten Listen jedesmal vorausgeschickt.
Im Laufe dieser Untersuchungen bot sich ihm
Gelegenheit, die Lebenszeit mehrerer astrologischer
Schriftsteller zu fixieren und das Verhältnis ihrer

gegenseitigen Abhängigkeit zu beleuchten. Als
wichtigstes der anderen beiläufigen Ergebnisse er-
scheint die Gewinnung eudoxischen Gutes, das er
in direkter, nicht durch die Aratliteratur ver-
mittelter Erhaltung bei Valens erkannte.

Auf dieser Grundlage baut B. seine eigent-
lichen Forschungen auf, die Analyse der Parana-
telloutenverzeichnisse. Fortschreitend vom Be-
kannten zum Unbekaunten bespricht er aus der
Fülle der Sternbildnamen — es sind etwa 140
gegenüber 48 bei Ptolemaeus —■ zunächst die der
griechischen Sphäre, alsdann sucht er die ägyp-
tischen festzustellen, und zum Schlufs betrachtet
er die übrigen schwer oder überhaupt nicht identi-
fizierbaren, von denen jedoch einige sicher dem
babylonischen Himmelsbild augehören. Der Be-
sprechung jedes einzelnen schickt er die betreffen-
den Textstellen im Zusammenhang und in den
verschiedenen Fassungen voraus; zur Orientierung,
wenigstens über die Lage der griechischen Stern-
bilder, fügt er als Tafel I die in Lichtdruck wieder-
gegebene Planisphäre des cod. Vat. gr. 1087 bei,
die erste bekannte aus einer griechischen Hand-
schrift. Hier, wo es sich um eine Reihe kurzer,
oft difficiler Untersuchungen handelt, darf ich
mich, um nicht kleinlich (in doppeltem Sinne) zu
werden, auf eine Hervorhebung der allerwichtig-
sten Ergebnisse beschränken. Doch sei wenigstens
einmal gesagt, dafs B. hierbei fast alle Punkte
dieses grofsen Gebietes berührt und ungewöhnlich
oft die seitherigen Ansichten berichtigt), ergänzt
oder erweitert.

Die geringste Bereicherung erfährt begreif-
licherweise durch diese knappen Texte unsere im
Verhältnis recht genaue Kenntnis der reingriechi-
schen Sphäre. Abgesehen von einigen neuen Na-
men wie Hygieia für Ophiuchos — so wohl auch
in der indischen Sphäre —, Zeus für Aquila,
KvvriyoQ für Bootes, letztere beiden aus der Sage
verständlich, und von drei selteneren Bezeichnungen
[ßoiQvc = Pleiades, Apollo und Herakles = Gemiui,')
Chiron = Sagittarius2)], besteht hier der Gewinn
mehr in der Bestätigung bereits geäufserter Vermu-
tungen als in der Mitteilung von Unbekanntem.
Die Darstellung des Heniochus auf oder mit dem

>) Hier konstatiert B., wennschon er mit Recht
diese Deutung für astrologisch und altbabylonisch hält,
weiterbildende Kraft der alexandrinischen Dichtung.
Da er auf des Kallimacheers Istros IAiioMmyoq fVty«-
vuai hinweist, mag auch an dessen 'HoaxXtovg iirupä-
vhv.i erinnert werden (s. v. Wilamowitz, Herakl. I2
p. 57 n. 102).

2) eine nicht ungewöhnliche Vertauschung mit dein
Centaurus.
 
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