Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Boll, Franz
Sphaera: neue griechische Texte und Untersuchungen zur Geschichte der Sternbilder — Leipzig, 1903

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.19748#0176

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
7 O.Dezember. WOCHENSCHRIFT FÜR KLASSISCHE PHILOLOGIE. 1903. No. 49.

1338

ier literarischen und monumentalen Überlieferung
eine deutliche Vorstellung gewinnen, sind dem
griechischen Himmelsbilde fremd. Soweit sich
noch eine über das Genannte hinausgehende Uber-
einstimmung findet, entstammt sie einer gemein-
samen Quelle, der babylonischen Sphäre.

Obschon wir, um diese babylonischen Elemente
in unseren Listen festzustellen, neben nicht allzu
zuverlässigen Zeugen auf nur wenige und oft mehr-
facher Deutung unterworfene Denkmäler (meist
die Grenzsteine) angewiesen sind, so läfst sich
doch in verschiedenen Fällen ein sicheres Urteil
gewinnen. Nur mufs mau sich von dem Glauben
freihalten, die Orientalen hätten zwar Einzelsterue
oder Sterngruppen, aber nicht Sternbilder benannt.
Von den Babylouiern nahmen Ägypter wie Grie-
chen den Sagittarius,6) letztere in seinen beiden
Gestalten als Kentauren und als zweibeinigen
Satyr, ferner den Capricornus, den Scorpion und
die Fische. Dieser kleine Satz birgt einen schwer-
wiegenden Inhalt, denn er besagt doch wohl nichts
anderes, als dafs der Tierkreis in den Euphrat-
ländern entstanden ist, und dafs alle, die sich
seiuer bedienen, sich als Erben jenes alten Kultur-
volkes ansehen müssen. B. hat nicht zuerst diese
Ansicht über den Ursprung des Zodiacus7) ge-
äufsert, aber er hat sie, besonders durch Hinweis
auf die babylonischen Grenzsteine, über die er
ausführlich und überzeugend spricht, so gestützt,
dafs sie mir, wenigstens in ihren Hauptpunkten,
unerschütterlich erscheint.

Aufser diesem babylonischen Gut, das als inte-
grierender Bestandteil auch der reingriechischen
Sphäre augehört, enthalten unsere Listen noch
eiuige Sternbildnamen, für die man mit ziemlicher
Sicherheit denselben Ursprung behaupten darf.
Als wichtigste stelle ich voran die naQavazsXXovra
der Wage: Hades, Styx, Fährmann mit Kahn, also
eine ganze Uuterweltregion. Für die Aufnahme
dieser Sternbildergruppe bei den Griechen scheint
mir der Boden wohl vorbereitet gewesen zu sein

9) Ich möchte hier auf eine singulare Darstellung
des Sagittarius hinweisen. Auf dein Mithrasstein aus
Grofskrotzenburg. jetzt in Hanau (vgl. Cumont, mysteres
de Mithra II 352), läuft sein Pferdeleib in einen
Fischschwanz aus. Das ist nicht etwa Übertragung
von dem Ziegenfisch, da der Steinhauer beide irrtüm-
lich durch den Scorpion getrennt hat. Durch merk-
würdigen Zufall findet sich diese Darstellung in mo-
derner Kunst wieder in einer Zierleiste Hans Thomas
zu Henry Thodes 'Fing des Frangipani' 19013 S. 133.

7) Der ordo signorum ist nicht ganz so feststehend,
wie man (nach Poll) glauben möchte. Ich kenne fünf
Ausnahmen allein auf römischen Denkmälern.

durch eiuige religiöse Vorstellungen, die besonders
in stoischen Kreisen herrschten. Nach einer von
Heraclides Ponticus den Py thagoreern zugeschriebe-
nen, von den Stoikern, vorzugsweise Posidonius
weit verbreiteten Lehre ward nämlich die Milch-
strafse den Seelen der Verstorbenen als Aufent-
haltsort zugewiesen (vgl. Rohde, Psyche II2 p. 94'),
und aus eng verwandter Vorstellung eines Seelen-
reiches über der Erde rührt zweifellos der Aus-
druck AiÖTic ö sv ovqccpou bei Philoponus zu
Aristotel. Meteor. S. 117 n Hayd. (fehlt bei Rohde
1. c. p. 319 4). Nicht sicher, aber wahrscheinlich
babylonisch ist die dvöaivvfjbog Xvqcc, ein naqava-
reXXov des Ziegenfisches, die als Fides mit dem-
selben Zeichen Manilius im V. Buch aufgehen läfst.
Die Wirkungen, die er ihr zuschreibt, verraten
seine Kenntnis ihres ominösen Namens und rei-
nigen ihn damit von dem (von anderen und mir
erhobenen) Vorwurf, er habe zweimal die Leyer
erwähnt. Eklatant zeigt dies Beispiel den Wert
der Texte, die mit einem Schlage Licht verbreiten,
wo mau seit Jahrhunderten (Scaliger!) im Dunkeln
tappte. Bei einigen von den übrigen Sternbild-
namen läfst sich die gleiche Herkunft wahrschein-
lich machen, bei anderen ist eine Entscheidung
nicht möglich, doch wird man immer mit Nutzen
Bolls Einzehmtersnchungen lesen. Er unterscheidet
also in unseren Texten drei Hauptbestandteile,
einen babylonischen, einen ägyptischen und einen
griechischen, dazu kommen noch die griechischen
Umformungen unter dem Einflufs der Sternsage
und die Neubildungen unter dem der Astrologie.
(Fortsetzung folgt.)

Ludwig von Sybel, Weltgeschichte der Kunst im
Altertum. Zweite, verbess. Aufl. Mit 3 Farben-
tafeln u. 380 Textabbildungen. Marburg 1903, N. G.
ElwertscheVerlagsbuchh. Lex. 8°. XII, 484S. \QJt.

Der Grundgedanke des Verfassers, der sich in
der Wahl des Titels ausspricht, hat offenbar mit
der Zeit in weiteren Kreisen Anklang gefunden.
Er ist deshalb natürlich in dieser zweiten Auflage
festgehalten. Das schliefst aber nicht aus, dafs
im einzelnen namhafte Veränderungen und Ver-
besserungen vorgenommen sind, wie sie schon
durch die in dem zwischen beiden Auflagen liegen-
den Zeitraum gemachten Fortschritte der Forschung
geboten waren. Eine Vergleichung mit der ersten
Auflage zeigt in der Tat, dafs eine zum Teil recht
tiefgreifende Umarbeitung stattgefunden hat. Was
dem Werk seinen dauernden Wert sichert und
auch auf die späteren Bearbeitungen der alten
Kunstgeschichte nicht ohne Einwirkung geblieben
ist, das ist die Betonung und strenge Durchführung
 
Annotationen