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Boll, Franz
Sphaera: neue griechische Texte und Untersuchungen zur Geschichte der Sternbilder — Leipzig, 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.19748#0302

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X. Die ägyptischen Sternbilder bei Teukros, Antiochos und Valens. 243

Allein obgleich dieses Bild zwischen der Jungfrau und den Gruppen
am Nordpol seinen richtigen Platz hat; ist es hier südlich von der
Jungfrau eingezeichnet} in der gleichen Reihe wie Orion oder wie
Steinbock und Schütze! Gegenüber diesem offenbaren Hohn auf jede
auch nur angestrebte Richtigkeit des Bildes ist alle Verteidigung
der eingebildeten Exaktheit zu Ende. Man sieht ja aufs allerdeut-
lichste, wieso der Künstler gerade hier zu dieser Umstellung' ge-
kommen ist: er hatte erstlich die Jungfrau7 seinem Symmetrieprinzip
zu Liebe, falsch gestellt, so dafs sie selbst schon nahe an den arkti-
schen Kreis kam, und zweitens inufste er vor der Wage, als ihren
Regenten, den Planeten Saturn anbringen. So blieb kein Platz für
den Pflüger-Bootes als in der äufseren Reihe bei den Sternbildern
des Südens.

Neben dem Pflüger steht Isis mit dem Horosknaben. Nach
ihrem Platz müsste man annehmen, dafs sie zu den südlichen Stern-
bildern gehören soll. Aber griechische und römische Zeugnisse sagten
uns, dafs mau vielmehr die Jungfrau selbst mit der Isis zu identifi-
zieren hat, und Teukros und Antiochos vertragen sich aufs beste
damit. Ich zweifle gar nicht, dafs sie auch auf dem Rundbilde von
Dendera nichts anderes darstellen soll als das Sternbild der Jungfrau.
Das steht also hier zweimal: einmal, ungefähr am rechten Ort, in
der gewöhnlichen griechischen Auffassung mit der Ahre, und noch
einmal darunter in seiner ägyptischen Umbildung als Isis mit dem
Knaben. Die Scheu, den ziemlich feststehenden Typus des Zodiakal-
bildes im Tierkreis selbst durch eine zwei Gestalten umfassende ägyp-
tische Gruppe zu verdrängen, dürfte zu dieser Doppeldarstellung den
Anlafs gegeben haben, die übrigens, falls die von Brugsch angenommene
Identität des Sternbildes der Mumie mit Orion zutrifft (vgl. oben
S. 226 f.), auf ägyptischen Himmelsbildern nicht beispiellos wäre.1)

Damit seien diese Erörterungen über die beiden Himmelsbilder
von Dendera beschlossen. Im einzelnen bleibt noch Vieles zu er-
gründen; vor allem Namen und Ursprung eines guten Teiles der
dargestellten Konstellationen. Die prinzipiellen Fragen werden da-
gegen als entschieden angesehen werden können. Ich glaube auf alle

Teukros und Antiochos mindestens für die zwei genannten Bilder widerlegt und
so auch für die übrigen gänzlich unwahrscheinlich geworden.

i) Die Narnen der gleichen Gottheiten wiederholen sich auf den ägyptischen
Dekanlisten zu den verschiedensten Sternbildern (vgl. Brugsch, Thes. p. 116);
doch sieht man den Unterschied, dafs es sich hierbei nicht um eine eigentliche
Darstellung der betreffenden Gottheit, sondern um ein Schutzverhältnis von ihr
zu einer Sterngruppe handelt.

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