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Boll, Franz
Sphaera: neue griechische Texte und Untersuchungen zur Geschichte der Sternbilder — Leipzig, 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.19748#0310

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II. Teil Die Sternbilder in den neuen Texten.

Mauerquai abgesperrt und damit die Bezauberung der ganzen Welt
verhindert', so ist gewifs an das Land der Totengeister zu denken;
die Stelle erinnert an die Drohung der Istar, sie wolle die Unterwelt
zertrümmern, die Toten heraufführen, dafs sie sich zu den Lebendigen
scharen. Auch erinnert man sich an die Abbildung der Höllengöttin
auf zwei Haclesreliefs: auf einem Kahne knieend fährt das Scheusal
den Totenfiufs entlang." Soweit A. Jeremias1); im Gilgamesch - Epos
ist nach demselben2) auch ein Fährmann der Todesgewässer genannt;
er heifst Arad-Ea, Knecht des Gottes Ea. Wollte man einem neueren
Mythologen Glauben schenken, so wären jene Hadesreliefs gar nichts
anderes als Sternbilderdarstellungen. Eduard Stucken hat im 1. Teil
seiner an interessanten Mitteilungen und waghalsigen Kombinationen
überreichen 'Astralmythen der Hebräer, Babylonier und Ägypter'3)
zu beweisen gesucht, dafs das von Clermont - Ganneau veröffentlichte
assyrische Bronzerelief (abgebildet aufser bei Stucken S. Öl z. B. bei
Perrot I 364)4) durchaus Sternbilder darstellte, denn wenn der Künstler
auch nur Mythologie illustrieren wollte, so „konnte er eben gar nicht
anders, als zugleich den Sternhimmel zeichnen". Die in dem untersten
Feld dominierende Hadesgöttin mit einer Schlange in jeder Hand soll
gleich dem früher einheitlichen Sternbild Ophiuchos -f- Engonasin
sein; das Pferd im Kahn, auf dem die Totengöttin kniet, soll dann
der Pegasos sein, obgleich er rechts vom Schlangenhalter, nicht unter
ihm liegt und von ihm durch die ganze Milchstrafse mit Leier, Schwan,
Adler, Pfeil und Delphin getrennt ist; die Fische des Wassers, auf
dem die Barke der Todesgöttin schwimmt, erklären sich von selbst,
der Totenfiufs hätte sich aus Firmicus hinzufügen lassen, wenn ihn
Stucken gekannt hätte, ein hundsköpfiger Dämon links mit erhobener

1) Hölle und Paradies bei den Babyloniern (Der alte Orient, Jahrg. 1, Heft 3)
S. 14 ff.

2) Ebenda S. 26 f. — Jensen, Kosmol. d. Babyl. S. 213 verwirft übrigens die
Verlegung des Wassers des Todes in die Nähe der Unterwelt; vgl. auch S. 229f.

3) Leipzig 1896. Der erste Teil sucht die Identität der Mythen von
Abraham, Etana, Tammuz, Osiris, Oleg, Orion. Hackeiberend u. s. w, oder viel-
mehr ihre gemeinsame Abstammung von einem cUr - Mythus' zu zeigen: eine
wilde Jagd durch alle Mythologien, die, wie der Autor selbst voraussetzt,
schwindlig macht, zumal er bis zum Schlufs keine Rast findet und Uberschriften
oder Kapiteleinteilung für überflüssig hält. Uber die Gleichsetzung von Abra-
ham und Orion hätte sich allerdings Thiele, Ant. Himmelsb. S. 1, am wenigsten
zu verwundern gebraucht: auf die starke Analogie hat schon Buttmann hin-
gewiesen am Schlüsse seines Aufsatzes über die Entstehung der Sternbilder auf
der griechischen Sphäre.

1) Uber weitere Hadesreliefs vgl. L. Messerschmidt, Orientalist. Litt.-Zeitung
1901, n. 5; ferner Heft 9 der Mitteilungen der Deutschen Orientgesellschaft.
 
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