Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Boll, Franz
Sphaera: neue griechische Texte und Untersuchungen zur Geschichte der Sternbilder — Leipzig, 1903

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.19748#0447

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
372

III. Teil. Geschichte der Sphaera barbarica.

Jedenfalls ist die Erwähnung des ttXoiov in den Katasterismen (vgl.
oben S. 170) ein sehr frühes und interessantes Zeugnis für griechische
Berichterstattung über die ägyptische Sphäre.

4. Dafs die Astrologie im alten Ägypten unbekannt war und
erst in späterer Zeit aus Babylonien dorthin karn, ist seit Letronne
eine ausgemachte Thatsache.1) Wann die Einführung der Chaldäer-
wissenschaft geschah, ist nicht sicher auszumachen; nur soviel wird
man für gewifs halten können, dafs sie nicht später nach Ägypten
kam als nach Griechenland, wo sie in Folge der Alexanderkriege am
Ende des IV. und Anfang des III. Jahrhunderts verbreitet wurde.
Man stellt sich den grofsartigen Siegeszug der Sterndeuterei durch
die ganze antike Welt in der Regel sehr falsch vor, wenn man die
Verkünder der babylonischen Wissenschaft nur als eine Schar von
vagierenden geldgierigen Betrügern und Winkelpropheten auffafst. Es
mufs zu denken geben, wenn nicht nur ein gelehrter Mann wie Pto-
lemaios, sondern schon die Schule des Hipparch, ja vielleicht ihr
Meister selbst2), dem fremden Glauben erlegen ist. In Ägypten steht
die ungeheure Macht der Astrologie an den Tempelwänden von Den-
dera geschrieben. Es ist eine geschichtliche Thatsache von schwer-
wiegender Bedeutung, dafs die stolze und unzugängliche Priesterschaft
des konservativsten aller Völker der Welt sich in jener späten Zeit
völlig dem fremden Glauben gebeugt, ja in den Bildern ihrer eigenen
Tempel ihn verkündet hat. Die unzweifelhafte Voraussetzung dafür
bildet, dafs sie selbst sich mit der babylonischen Lehre beschäftigt
hat.3) Von hier aus fällt ein neues Licht auf die 'ägyptische Astro-
logie', die in einzelnen Punkten z. B. auch von Ptolemaios der chal-
däischen entgegengesetzt wird, und auch auf ihre Kodifikation in jenem
berühmten oder berüchtigten Werk des Nechepso und Petosiris.
Der Name Schwindelbuch, den man ihm bisher zu geben gewohnt
war, bedarf näherer Bestimmung. Es ist gewifs insofern schwindeL

1) Auch Riefs (in Wissowas R. E. II 1808) kommt zu diesem Ergebnis,
wenn er sich auch nicht sehr entschieden ausspricht. Ich hoffe, dafs die folgende
Darstellung seine berechtigten Aporien lösen wird. Ygl. auch Kroll, Neue Jahrbb.
f. d. klass. Altertum I. Abt. VII 561.

2) Vgl. Byz. Zs. 1899, 525 f.; 1902, 140.

3) Es war mir von hohem Interesse, in Reitzensteins Buch fZwei religions-
geschichtliche Fragen' (bes. S. 96 ff.), das ich erst während der Korrektur des
meinigen kennen lernte, den Einüufs griechischer Philosophie auf die ägyptische
Priesterlehre nachgewiesen zu sehen. Ganz analoge Schlüsse, wie sie Reitzen-
stein für die sog. hermetische Litteratur zog, hatten sich mir aus den Tempel-
bildern von Dendera für die babylonischen und griechischen Einflüsse auf die
ägyptische xlstronomie und damit für das Nechepso-Petosirisbuch ergeben.
 
Annotationen