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Boll, Franz
Sphaera: neue griechische Texte und Untersuchungen zur Geschichte der Sternbilder — Leipzig, 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.19748#0492

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414

III. Teil. Geschichte der Sphaera barbarica.

den Wohnort des Abu Macsar. Aus der Einleitung erhält man den
Eindruck, dafs Abu Macsar ein Werk des Ptolemaios besafs, echt oder
untergeschoben, aus dem sich entnehmen liefs, welche Sternbilder mit
jedem Dekan des Tierkreises damals heraufkamen. Man könnte viel-
leicht an das 1. Buch der Phaseis denken (vgl. Wachsmuths Ausg.
p. 199, 11); allein dafs Abu Macsar auch Deutungen darin gefunden
haben will, weist im Gegenteil auf eine uns unbekannte und ver-
mutlich gefälschte Schrift des Ptolemaios. Für die damaligen Astro-
nomen wird Abu Ma'sars Arbeit ganz brauchbar gewesen sein, sogut
wie die entsprechende Leistung des Hipparch für seine Zeitgenossen;
aber für die Geschichte der Sternbilder ist aus ihr nichts zu ent-
nehmen.

Wertvoller scheinen zunächst die Mitteilungen über die indische
Sphäre. Abu Macsar hat sich wohl auch sonst mit indischer Gelehr-
samkeit beschäftigt1); also ist ihm zuzutrauen, dafs er über den
indischen Sternhimmel gut unterrichtet war. Wenn unser Text voll-
ständig wäre, so hätte Abu Ma'sar hier keinen einzelnen Gewährs-
mann genannt; allein sein Ausschreiber Ibn Esra bezeichnet als Quelle
dieser indischen Weisheit einen gewissen Beneka, wie unsere lateinische
Übersetzung transkribiert, während Scaliger den Namen mit Cande
wiedergiebt. Hinter diesem Namen steckt, wie Steinschneider längst
bemerkt hat2), der problematische indische Astronom Kaukah oder
Kanaka (vgl. Fihrist 270), dessen Lebenszeit nur insoweit feststeht,
als er von Abu Ma'sar anderswo einmal zitiert wird.3) Sind es nach
dem Gesagten allerdings originale indische Nachrichten, die wir bei
Abu Ma'sar voraussetzen dürfen, so schrumpft ihre Bedeutung beim
Nähertreten sogleich stark zusammen. Abu Ma'sars indische, aus
Kajikah entlehnte Sphäre giebt nämlich fast zu jedem der 36 Dekane
nur je eine einzige Figur als Paranatellon an. Mufs man schon darnach
vermuten, dafs wir gar nicht eigentliche Paranatellonta, sondern ein-
fach eine indische Beschreibung der personifizierten Dekane selbst
, J vor uns haben, so liefert eine von mir Cat. II 152 ff. herausgegebene

' ' griechische Übersetzung aus dem Perser Achmet, die gröfstenteils

wörtlich mit der indischen Sphäre des Abu Ma sar übereinstimmt,

1) Vgl. Steinschneider, ZDMG 24, 330 f., 370, Anm. 34. Über den Einflufs
der indischen Astronomie auf die Entwicklung der arabischen s. Brockelmann
a. a. 0. I 220.

2) ZDMG 18, 146 (Anmerkung).

3) Steinschneider, ZDMG 24, 330; Aug. Müller, ebd. 34, 472 ff. (nach Ibn
Abi Usaibi'a).
 
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